In diesem Augenblick erschienen Aquila und Prisca, schwitzend, keuchend und schwere Bündel schleppend, in unserem Garten. Sie baten mich, ihre Waren in meinem Haus ablegen zu dürfen, wo sie in Sicherheit wären, denn das Feuer näherte sich schon ihrer Weberei. Ihre Einfalt machte mich rasend, und zu allem Überfluß versicherte ihnen Claudia auch noch, es bestünde für uns bestimmt noch keine Gefahr. Aquila und Prisca durften sich nicht im jüdischen Stadtteil jenseits des Tibers sehen lassen. Die Juden kannten sie und verabscheuten sie wie die Pest.
Durch den Streit und das Gejammer der Weiber verloren wir kostbare Zeit. Zuletzt wußte ich mir nicht mehr anders zu helfen. Ich versetzte Tante Laelia einen Schlag auf ihr Hinterteil und stieß Claudia mit Gewalt in eine Sänfte. Endlich setzte sich unser Zug in Bewegung. Da kamen einige Christen mit rußigen Gesichtern und weißen Brandblasen auf den Armen herbeigestürzt und fragten nach Aquila.
Mit erhobenen Armen und starren Blicken riefen sie, sie hätten mit eigenen Ohren Erde und Himmel mit Donnergetöse bersten gehört, und nun werde Christus, seinem Versprechen treu, aus einer Wolke niedersteigen. Alle Christen müßten daher ihre Bürden abwerfen und sich auf den Hügeln der Stadt versammeln, um ihren Herrn und sein neues Reich zu empfangen. Der Tag des Gerichts sei gekommen.
Prisca war eine lebenskluge, vernünftige und beherrschte Frau und wollte eine solche Botschaft nicht ohne weiteres glauben. Im Gegenteil, sie gebot den Ankömmlingen zu schweigen. Ihr selbst war keine Offenbarung zuteil geworden, und im übrigen war außer den Rauchschwaden am ganzen Himmel nichts zu sehen.
Auch ich versicherte ihnen, daß Rom zwar von einem großen Unglück heimgesucht werde, daß aber Brände in zwei oder drei Stadtbezirken noch nicht den Untergang bedeuteten. Die erschrockenen Christen waren Arme und daher gewohnt, Höhergestellten zu glauben, und der schmale roten Streifen, den ich trug, überzeugte sie vollends davon, daß ich die Lage besser überschaute als sie.
Meiner Meinung nach war es nun höchste Zeit, die Prätorianer ausrücken zu lassen und in der Stadt den Notstand auszurufen. Ich war auf diesem Gebiet nicht sehr sachkundig, aber der gesunde Menschenverstand sagte mir, daß man quer über den Aventin eine möglichst breite Brandgasse schlagen mußte, ohne die Häuser zu schonen. Sodann mußte ein Gegenfeuer angezündet werden, um diejenigen Häuser aus dem Wege zu räumen, die ohnehin verloren waren. Es war menschlich verständlich, daß ich mein eigenes altes Haus zu denen rechnete, die gerettet werden konnten.
Ich ritt fort, um die Sache mit den Triumvirn meines Stadtteils zu besprechen, und schrie ihnen, als sie zögerten, ins Gesicht, daß ich bereit sei, die Verantwortung zu übernehmen. Sie schrien, kopflos, wie sie waren, zurück, ich solle mich um meine eigenen Angelegenheiten kümmern und es bestehe noch keine Notwendigkeit zu solchen Maßnahmen.
Ich ritt weiter zum Forum, wo von dem ganzen Brand weiter noch nichts zu sehen war als Rauchwolken über den Hausdächern, und ich schämte mich meiner Aufregung, als ich sah, wie die Menschen ihren gewohnten Beschäftigungen nachgingen. Man beruhigte mich mit der Versicherung, daß man die Sibyllinischen Bücher hervorgeholt habe, um nachzuforschen, welchem Gott man opfern mußte, damit sich der Brand nicht weiter ausbreitete.
Ein rußschwarzer, bekränzter Stier wurde eben in den Tempel des Vulcanus geführt. Einige alte Männer meinten, es sei, früheren Erfahrungen nach zu urteilen, das klügste, gleichzeitig auch Proserpina zu opfern. Sie waren überzeugt, daß Roms Schutzgenien und uralte Hausgötter nicht zulassen würden, daß das Feuer allzu weit um sich griff. Man brauchte nur die Sibyllinischen Bücher zu befragen, warum die Götter zürnten.
Ich glaube, es wäre ohne weiteres möglich gewesen, den Brand einzudämmen, wenn man gleich am ersten Tag zu entschlossenen und schonungslosen Maßnahmen gegriffen hätte. Es fand sich jedoch niemand, der die Verantwortung übernehmen wollte. Tigellinus’ Stellvertreter schickte lediglich auf eigene Faust einige Kohorten Prätorianer aus, die die unmittelbar bedrohten Straßen räumten und leidlich für Ruhe und Ordnung sorgten.
Gegen Abend traf der Präfekt Flavius Sabinus in der Stadt ein und befahl zu allererst allen Löschmannschaften, den Palatin zu schützen, in dessen Gärten schon die Pinien lichterloh brannten. Dann forderte er Mauerbrecher und Belagerungsmaschinen an, die jedoch erst am nächsten Tag eingesetzt werden konnten, als Tigellinus aus Antium zurückkehrte und mit kaiserlichem Auftrag entschlossen die Führung übernahm. Nero selbst wollte seinen Erholungsaufenthalt des Brandes wegen nicht abbrechen und hielt seine Anwesenheit in der Stadt nicht für notwendig, obwohl das Volk auf den Straßen seinen Namen rief.
Als Tigellinus jedoch einsah, daß die Gebäude auf dem Palatin nicht mehr zu retten waren, drang er selbst darauf, daß Nero nach Rom zurückkehrte, um das Volk zu beruhigen. Nero war wegen seiner griechischen Kunstschätze so besorgt, daß er die ganze Strecke von Antium nach Rom ohne Rast in einem einzigen Ritt zurücklegte. Auch zahlreiche Senatoren und vornehme Ritter strömten von ihren Landsitzen herbei. Es gelang Tigellinus nicht, sie zur Vernunft zu bringen. Ein jeder wollte nur sein eigenes Haus und seine eigenen Schätze retten, und sie führten sogar entgegen dem allgemeinen Verbot Ochsengespanne und Karren mit, so daß der Verkehr auf den Straßen vollends ins Stocken geriet.
Nero verlegte seine Befehlsstelle in die Gärten des Maecenas auf dem Esquilin und bewies in der Stunde der Gefahr Vernunft und Entschlossenheit. Flavius Sabinus dagegen brach zusammen und weinte. Ich selbst war, während ich die Flüchtlingsströme lenkte, einmal von den Flammen umzingelt worden und hatte mir einige Brandwunden zugezogen.
Vom Turm des Maecenas aus konnte Nero die ganze Ausdehnung des Brandes überblicken. Er zeichnete auf einer Karte nach den Anweisungen des Tigellinus die bedrohten Bezirke an, die geräumt und niedergebrannt werden mußten, sobald die Brandgassen fertig waren. Die einzelnen Maßnahmen waren nun besser aufeinander abgestimmt. Die Patrizier wurden aus ihren Häusern vertrieben, die Mauerbrecher begannen die gefährlichen Getreidespeicher niederzurammen, und bei der Anlage der Brandgassen wurden weder Tempel noch Prachtbauten geschont.
Nero hielt es für wichtiger, Menschenleben zu retten als Schätze, und sandte Hunderte von Herolden aus, die die Massen der flüchtenden in die Bezirke und Stadtteile führten, von denen man hoffte, daß sie verschont bleiben würden. Diejenigen, die sich weigerten, die Häuser zu verlassen, die aufgegeben werden mußten, wurden mit Waffengewalt daraus vertrieben, und in den engen Gassen durften keine Möbel oder andere sperrige Gegenstände mehr befördert werden. Nero eilte selbst, schmutzig von Rauch und Ruß, mit seiner Leibwache von Ort zu Ort, um die Verängstigten zu beruhigen und Verhaltensmaßregeln zu erteilen. Einmal nahm er ein weinendes Kind in die Arme und gab es seiner Mutter zurück, während er die Umstehenden bat, in seinen eigenen Gärten jenseits des Flusses Schutz zu suchen. Alle öffentlichen Gebäude in der Nähe des Marsfeldes wurden den Flüchtlingen zur Verfügung gestellt.
Die Senatoren, die wenigstens ihre Ahnenmasken und Penaten zu retten versuchten, konnten nicht fassen, warum die Soldaten sie mit der flachen Klinge aus ihren eigenen Häusern jagten und die Gebäude mit Fackeln in Brand steckten.
Unglücklicherweise entstand durch den ungeheuren Brand ein gewaltiger Sturm, der das Feuer über den ganzen, ein Stadion breiten Schutzstreifen trug. Die Löschmannschaften waren von den Anstrengungen der letzten Tage so erschöpft, daß es ihnen nicht mehr möglich war, die weitere Ausbreitung des Feuers zu verhindern. Manche fielen vor Müdigkeit zu Boden, schliefen ein und kamen in den Flammen um.
Um Suburra zu schützen, wurde eine neue, noch breitere Brandgasse geschlagen, aber Tigellinus war auch nur ein Mensch und versuchte die uralten Bäume in seinem eigenen Garten zu schonen. Dadurch konnte die Feuersbrunst, die am sechsten Tag beinahe am Erlöschen war, auch auf Suburra übergreifen, und sie pflanzte sich in den hohen, zum Teil aus Holz gezimmerten Häusern so rasch fort, daß die Menschen in den obersten Stockwerken oft nicht einmal mehr Zeit hatten, sich auf die Straßen zu retten. Hunderte, vielleicht Tausende verbrannten auf diese Weise.