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»Ich habe genug Geständnisse«, erwiderte er selbstgefällig, und als ich ihm nicht glauben wollte, führte er mich in die Keller hinunter und zeigte mir seine jammernden, halbtoten Opfer.

»Ich habe natürlich nur gebrandmarkte Verbrecher, entlaufene Sklaven und solche, die offensichtlich etwas verschwiegen, foltern lassen«, erklärte er. »Es hat im allgemeinen genügt, sie auszupeitschen, aber in einzelnen Fällen mußten wir, wie du siehst, zu glühenden Stangen und Eisenklauen greifen. Diese Christen sind sehr dickfellig. Einige gingen mir ein, ohne gestanden zu haben. Sie riefen nur ihren Christus zu Hilfe. Andere wieder gestanden, sobald sie die Folterwerkzeuge erblickten.«

»Was gestanden sie?« fragte ich.

»Daß sie auf Christi Geheiß Rom angezündet haben«, sagte Tigellinus unverfroren und starrte mir herausfordernd in die Augen. Als er bemerkte, daß ich in Zorn geriet, fügte er beschwichtigend hinzu: »So kann man es jedenfalls auffassen. Der eine oder andere gab halb und halb zu, daß er zusammen mit den Soldaten Häuser angezündet hatte. Einen Verbrecherbund oder eine Verschwörung habe ich eigentlich nicht aufdecken können, aber mehrere im übrigen durchaus achtbare Männer haben freiwillig zugegeben, daß ihrer Ansicht nach ihr Gott die Stadt ihrer Sünden wegen durch das Feuer gestraft hat. Was willst du mehr? Andere erzählten mir, daß sie während des Brandes darauf gewartet hätten, daß ihr Gott vom Himmel niedersteige, um alle zu richten, die sich nicht zu Christus bekennen. Das deutet auf eine geheime Verschwörung gegen den Staat hin, und deshalb müssen die Christen für ihren Aberglauben bestraft werden, gleichgültig ob sie mit eigener Hand den Brand legten oder von dem grausamen Plan nichts wußten.«

Ich zeigte auf ein junges Mädchen, das mit Lederriemen gebunden auf einer blutbesudelten Steinbank lag. Sie blutete aus dem Mund, und Brust und Glieder waren von den Eisenklauen so gräßlich zerfleischt, daß sie offenbar das Bewußtsein verloren hatte, wenn sie nicht schon an dem Blutverlust gestorben war. »Was hat dir dieses unschuldige Mädchen gestanden?« fragte ich.

Tigellinus rieb verlegen die Handflächen gegeneinander, wich meinem Blick aus und sagte: »Versuche mich ein wenig zu verstehen. Ich habe den ganzen Morgen mit einem fürchterlichen Katzenjammer hart gearbeitet. Da mußte ich mir doch auch ein kleines Vergnügen leisten! Außerdem war ich wirklich neugierig, was sie zu gestehen hatte. Ich habe aber nicht mehr aus ihr herausbekommen, als daß bald irgendeiner kommen und mich zur Strafe für meine Übeltaten ins Feuer werfen wird. Ein rachsüchtiges Mädchen! Sie reden überhaupt gern vom Feuer, diese Christen. Es gibt ja Menschen, die beim Anblick einer Feuersbrunst ganz außer sich geraten. Warum hätte Nero sonst in jener Nacht auf dem Turm des Maecenas gesungen?«

Ich tat, als betrachtete ich das Mädchen näher, obwohl es mich in der Kehle würgte, und sagte mit Absicht: »Tigellinus, sie sieht aus, als ob sie Jüdin wäre.«

Er erschrak und packte mich am Arm. »Sag Poppaea nichts davon«, bat er. »Bei allen Unterirdischen, wie soll ich denn je ein jüdisches Mädchen von einem gewöhnlichen unterscheiden! Sie tragen ja kein Merkmal an ihrem Körper wie die Männer. Eine Christin war sie aber ganz gewiß. Sie wollte ihrem Aberglauben nicht einmal abschwören, als ich ihr versprach, sie dafür laufen zu lassen.«

Zum Glück ließ Tigellinus danach die Folterungen einstellen und seine Opfer wieder zu sich bringen, damit sie die Strafe entgegennehmen konnten, die Nero für die Brandstiftung festsetzen sollte. Als wir in den Raum zurückkehrten, in dem er selbst seine Verhöre vorgenommen hatte, meldete man uns, daß der Senator Pudens Publicola, ein alter Mann aus dem Geschlecht der Valerier, in Begleitung eines älteren Juden erschienen sei und vorgelassen zu werden wünschte.

Tigellinus kratzte sich unangenehm überrascht den Kopf, sah mich hilfesuchend an und sagte: »Pudens ist ein rührseliger, vor Alter schon völlig verblödeter Greis. Was kann er gegen mich haben? Ich hoffe, ich habe nicht versehentlich einen seiner Klienten verhaften lassen! Bleib hier und steh mir bei. Du kennst ja die Juden.« Pudens’ weißhaariger Kopf zitterte vor Zorn. Zu meiner Verwunderung erkannte ich in dem Begleiter des Alten Kephas, der seinen Hirtenstab in der Hand trug und dessen bärtiges Gesicht vor Erregung rot anlief. Hinter den beiden trat, bleich vor Angst, ein gewisser Cletus ein, ein junger Mann, den ich bei früherer Gelegenheit schon als Dolmetsch des Kephas kennengelernt hatte.

Tigellinus erhob sich, um Pudens ehrerbietig zu begrüßen, aber der Alte stürzte auf ihn zu, trat mit seinem Purpurstiefel nach ihm und schrie: »Tigellinus, du verfluchter Roßtäuscher, Hurenbock und Knabenschänder! Was hast du angerichtet! Was sind das für erlogene Beschuldigungen gegen die Christen! Wie weit willst du es in deiner Unverschämtheit noch treiben!«

Tigellinus versuchte zu erklären, daß seine Lebensgewohnheiten mit seinem Amt nichts zu tun hätten, daß es in Rom noch mehr Männer gebe, die Knaben liebten, und daß er sich nicht zu schämen brauche, weil er einst in der Verbannung das Leben als Pferdezüchter gefristet habe.

»Kränke mich also nicht länger, Pudens, Liebling des Volkes«, schloß er. »Denk an deine eigene Würde und daran, daß du zu einem Diener des Staates sprichst. Wenn du eine Klage vorzubringen hast, will ich dich geduldig anhören.«

Kephas warf die Arme empor und begann laut auf aramäisch zu sprechen, ohne uns anzusehen, so als richtete er seine Worte an einen Fremden, der sich mit uns im Raum befand. Tigellinus folgte erschrocken seinem Blick und fragte: »Wer ist der Jude, was sagt er, und mit wem spricht er? Ich hoffe, er verflucht uns nicht! Hat man sich vergewissert, daß er keine Zauberbinden und gefährlichen Amulette bei sich trägt?«

Ich packte ihn am Arm, zwang ihn so, mich anzuhören, und sagte: »Dies ist der Führer der Christen, der berühmte Kephas. Er soll Tote erweckt und solche Wunder getan haben, daß Simon der Zauberer, verglichen mit ihm, ein unbeholfener Knabe war. Er steht unter dem Schutz des Senators Pudens, seit er diesen von der Wassersucht geheilt hat.«

Tigellinus spreizte zwei Finger aus, um die bösen Mächte abzuwehren, und sagte: »Er ist Jude. Mit ihm habe ich nichts zu schaffen. Bitte ihn, daß er von seinen Beschwörungen abläßt, in Ruhe seines Weges geht und seinen Zauberstab mitnimmt, ehe ich mich erzürne.« Der Senator Pudens hatte sich mittlerweile beruhigt und sagte nun: »Der ehrwürdige Kephas ist gekommen, um selbst alle Beschuldigungen zu widerlegen, die du gegen die Christen erfunden hast. Er verlangt, daß du die anderen freiläßt und an ihrer Stelle ihn selbst festnimmst. Er ist ihr Hirte, und alle anderen, vom Geringsten bis zum Höchsten, sind nur seine Schafe.«

Tigellinus trat erbleichend an die Wand zurück und bat mit zitternden Lippen: »Führt ihn weg, bevor ich ihn mit der Geißel hinausjagen lasse. Sagt ihm, er soll am besten die Stadt verlassen. Ich untersuche auf Befehl des Kaisers die Verschwörung der Christen, deren Ziel die Zerstörung Roms war. Die Brandstifter haben schon gestanden, aber ich will meinetwegen gern zugeben, daß viele anständige Christen und vielleicht auch dieser alte Zauberer da mit seinem Stab nichts von dem entsetzlichen Plan wußten.«

Pudens lauschte mit offenem Mund und zitterndem Kinn. Dann schüttelte er mitleidig den Kopf und sagte vorwurfsvolclass="underline" »Alle Welt weiß doch, daß der Kaiser selbst Rom in Brand stecken ließ, um die Grundstücke zwischen Caelius und Esquilin für seine wahnsinnigen Bauvorhaben zu bekommen. Aber Nero irrt, wenn er glaubt, er kann seine Schuld auf Unschuldige abwälzen. Möge er sich vor dem Zorn des Volkes hüten, wenn dies bekannt wird!«

Tigellinus blickte sich um, als fürchtete er, die Wände könnten Ohren haben, und sagte warnend: »Du bist ein alter Mann, Pudens, und schon wirr im Kopf. Du darfst nicht einmal im Scherz sagen, was wir soeben aus deinem Munde gehört haben. Oder bist du vielleicht selbst Christ und in deiner Torheit in diese Sache verwickelt? Nimm dich in acht! Du gehörst zu denen, die man mir angezeigt hat, aber ich nehme eine solche unsinnige Beschuldigung natürlich nicht ernst. Ein römischer Senator kann wohl nicht Christ sein!«