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Nachdem sie sich jedoch im Haus umgesehen hatte, benahm sich Claudia recht vernünftig und sagte, sie habe ein ernstes Wort mit mir zu reden. Ich versicherte ihr, daß ich selbst nichts Besseres wünschte, sofern nur erst alle Gefäße und frei umherliegenden Dolche – lauter Andenken, die sich im Laufe der Jahre angesammelt hatten – aus dem Zimmer geschafft worden wären.

Claudia hieß mich einen Verbrecher, einen gemeinen Mörder mit blutigen Händen, und behauptete, das Blut meines Adoptivbruders schreie zum Himmel und klage mich an vor Gott. Zuletzt sagte sie, ich hätte mir durch meine Mordlust den Zorn ihres Jesus von Nazareth zugezogen.

Ich war im Grunde erleichtert, weil sie offenbar nicht wußte, daß Jucundus mein Sohn war. In derlei Dingen sind Frauen sonst so scharfsichtig. Was mich kränkte, war, daß sie mir vorwarf, Tante Laelia habe meinetwegen Selbstmord begangen. Ich erwiderte ihr jedoch, daß ich bereit sei, ihr ihre bösen Worte zu verzeihen, und bat sie, doch einmal Kephas zu fragen, was alles ich getan hatte, um den Christen zu helfen und ihn selbst aus den Klauen des Tigellinus zu retten.

»Glaube nicht nur Prisca und Aquila und einigen anderen, die ich nicht nennen will«, bat ich. »Ich weiß, daß sie der Partei des Paulus angehören, dem ich übrigens auch geholfen habe, als er vor Gericht stand, und wenn man zur Zeit nicht einmal in Iberien nach ihm forscht, weil Nero nichts mehr von den Christen hören will, so ist das zum Teil gleichfalls mir zu verdanken.«

»Ich glaube, wem ich will«, gab Claudia zornig zur Antwort. »Du willst dich nur herausreden. Ich weiß nicht, wie ich mit einem Mann wie dir zusammenleben soll, dessen Hände rot sind vom Blut der Glaubenszeugen. Nichts bereue ich mehr, als daß du der Vater meines Sohnes bist.« Ich hielt es für das beste, sie nicht daran zu erinnern, daß sie selbst aus freiem Willen zu mir ins Bett gekrochen war und daß ich sie auf ihre eigenen inständigen Bitten hin zu einer ehrlichen Frau gemacht hatte, indem ich heimlich mit ihr die Ehe einging. Zum Glück waren die geheimen Urkunden, die wir bei den Vestalinnen hinterlegt hatten, durch den Brand zerstört worden, und auch das Staatsarchiv war niedergebrannt, so daß ich die Entdeckung meiner Ehe nicht ernst zu fürchten brauchte. Ich war daher vernünftig und schwieg, da ich den Worten Deiner Mutter entnehmen konnte, daß sie zu verhandeln bereit war.

Nun stellte mir Claudia ihre Bedingungen. Ich mußte mich, soweit dies einem gottlosen Menschen wie mir möglich war, bessern, ich mußte Christus für meine bösen Taten um Vergebung bitten und vor allem den Tiergarten und mein Vorsteheramt aufgeben.

»Wenn du schon nicht an deinen und meinen Ruf denkst, so denke an deinen Sohn und seine Zukunft«, bat Claudia. »Dein Sohn ist einer der letzten in Rom, die sowohl von den Juliern als auch von den Claudiern abstammen. Um seinetwillen mußt du dir eine standesgemäße Stellung verschaffen, so daß er später nichts von deiner schändlichen Vergangenheit zu wissen braucht.«

Claudia nahm an, ich würde mich dieser Forderung mit allen Kräften widersetzen, da ich so große Summen in den Tiergarten und meine Tiere gesteckt und im Amphitheater für meine Vorführungen Beifall eingeheimst hatte. Insgeheim hatte ich jedoch selbst schon beschlossen, den Tiergarten aufzugeben. Ich will nicht behaupten, daß daran die Niedermetzelung der Christen im Zirkus schuld gewesen sei. Ich hatte dagegen Einspruch erhoben, dann aber, dem Zwang gehorchend, meine Aufgabe trotz der Eile und den zahllosen Schwierigkeiten so sauber und zweckdienlich wie möglich durchgeführt. Ich glaube, dessen brauche ich mich nicht zu schämen.

Der eigentliche Grund war der, daß ich mit meiner ehemaligen Gattin Flavia Sabina zu einer finanziellen Regelung kommen mußte. Ich hatte ihr damals, als mir Epaphroditus die Kehle zudrückte, mein halbes Vermögen versprochen, aber je mehr Zeit verging, desto mehr widerstrebte mir der Gedanke.

Nun da ich einen Sohn hatte, der unzweifelhaft mein eigener war, fand ich es auch ungerecht, daß der kleine, damals fünfjährige Lausus eines Tages ebensoviel erben sollte wie er. Ich hatte nichts gegen Lausus, aber seine Haut wurde immer dunkler und sein Haar immer krauser, so daß ich mich manchmal schämte, weil er meinen Namen trug.

Andrerseits wußte ich nur zu gut, daß Sabina den starken Epaphroditus am Gängelband führte und daß sie nicht davor zurückschrecken würde, mich ermorden zu lassen, wenn ich sie bei der Abrechnung zu übervorteilen versuchte. Ich hatte mir daher eine, wie ich glaubte, ganz vortreffliche Lösung ausgedacht und auch schon mit Sabina über meinen Plan gesprochen.

Epaphroditus hatte, lange bevor ich etwas von seinem Verhältnis mit Sabina ahnte, von Nero selbst den Freilassungsstab und das Bürgerrecht erhalten. Im übrigen hatte sich Sabina ab und zu auch mit anderen Tierwärtern abgegeben, aber seit unserer Scheidung hielt Epaphroditus sie sehr kurz und verabreichte ihr gelegentlich eine gehörige Tracht Prügel, was ihr sehr lieb war.

Ich wollte ihr nun den Tiergarten samt Sklaven, Tieren, Geschäftsverträgen und so fort schenken und Nero vorschlagen, Epaphroditus an meiner Statt zum Vorsteher zu ernennen. Epaphroditus war zwar römischer Bürger, aber um meines Ansehens willen war es erforderlich, daß mein Nachfolger darüber hinaus dem Ritterstand angehörte.

Wenn ich Nero so weit brachte, daß er zum erstenmal in der Geschichte Roms einen Afrikaner in die Ritterrolle einschreiben ließ, konnte Sabina mit Epaphroditus eine rechtsgültige Ehe eingehen, und dies um so leichter, da ihr Vater sie verstoßen hatte, so daß der Familienstolz der Flavier sie nicht mehr daran hinderte. Als Gegenleistung mußte mir Sabina versprechen, daß sie Lausus adoptieren und auf seine Erbansprüche mir gegenüber verzichten würden. Sie wagte jedoch nicht zu glauben, daß Nero bereit wäre, einen Mann zum Ritter zu machen, der mindestens zur Hälfte Neger war.

Ich kannte jedoch Nero und hatte ihn oft genug prahlen hören, ihm sei nichts unmöglich. Als Künstler und Menschenfreund sah er in einer farbigen oder auch jüdischen Haut kein Hindernis für ein Amt im Dienst des Staates. In den afrikanischen Provinzen hatte sich schon so mancher dunkelhäutige Mann in seiner Heimatstadt durch sein Vermögen und seine militärischen Verdienste den Ritterrang verschafft.

Als ich nun, scheinbar widerstrebend und mich laut über meine Verluste beklagend, auf Claudias Vorschlag einging, verlor ich daher in Wirklichkeit gar nichts. Im Gegenteil, ich ersparte mir große finanzielle Opfer und schaffte mir sowohl Sabinas Forderungen als auch den Bankert Lausus vom Hals. Das war einige Anstrengungen wert, obwohl ich Claudia natürlich, um den Schein zu wahren, düster prophezeite, Nero werde zutiefst gekränkt sein, weil ich ein Amt niederlegen wollte, das er mir verliehen hatte. Ich würde, sagte ich, nur in Ungnade fallen und vielleicht sogar mein Leben aufs Spiel setzen.

Claudia antwortete schadenfroh grinsend, um Neros Gunst brauchte ich mich ohnehin nicht mehr zu bemühen und mein Leben sei allein dadurch schon in Gefahr, daß ich einen Sohn in die Welt gesetzt hatte, in dessen Adern das Blut der Claudier floß. Mir lief es bei diesen Worten kalt über den Rücken, aber Claudia erklärte sich nun endlich gnädig bereit, mir meinen Sohn zu zeigen.

Du warst ein schönes, makelloses Kind, sahst aus dunklen Augen an mir vorbei und packtest mit Deinen kleinen Fingern meinen Daumen, als wolltest Du mir gleich den goldenen Ring abnehmen. Mein Herz hast Du jedenfalls gleich genommen, und das war mir noch nie zuvor geschehen. Du bist mein Sohn, Du magst es wollen oder nicht.

Ich nahm also meinen ganzen Mut zusammen, bat Epaphroditus, Sabina und Lausus, mich zu begleiten, und hielt an einem Nachmittag, an dem ich annehmen konnte, daß Nero nach dem Mahl und einem erfrischenden Bad bis in die Nacht hinein weitertrinken und sich vergnügen werde, im fertigen Teil des Goldenen Hauses um Audienz an. Die Künstler waren eben dabei, die Wandmalereien in den Gängen zu beenden. Der runde Speisesaal, der von Gold und Elfenbein glänzte, war erst halb fertig.

Nero beschäftigte sich gerade mit den Plänen zu einer Riesenstatue seiner selbst, die vor dem Durchgangsgebäude aufgestellt werden sollte. Er zeigte mir die Zeichnungen und erwies den Bildhauern so viel schmeichelnde Aufmerksamkeit, daß er mir die Namen dieser Handwerker nannte, als wären wir von gleichem Rang. Ich nahm jedoch nicht Anstoß daran, sondern freute mich, daß Nero bei bester Laune war.