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Er schilderte mir genau die Lage von Simons Haus und fragte dann mit verschmitztem Lächeln: »Was willst du eigentlich von ihm? Hast du vor, dein Geld in Grundbesitz anzulegen oder auf Pfänder auszuleihen? Dafür wüßte ich dir viel geeignetere Geschäftsfreunde. Diesen Simon kann ich keinesfalls empfehlen. Es heißt, er geht auf den Feldern herum und sammelt selber Reisig für seinen Herd; und er soll kaum etwas anderes essen als Brot und Gemüse.«

Ich fand, daß die Auskünfte des Syrers einander widersprachen, und war auf die Begegnung mit Simon von Kyrene neugierig. Aber mein Hausherr bestürmte mich mit Fragen über meine wahren Absichten. Da ich das Gefühl hatte, er wolle wirklich mein Bestes, sagte ich schließlich widerstrebend: »Gerade über den Vorfall, den du erwähnt hast, möchte ich mit ihm reden und ihn fragen, was er von Jesus, dem Nazarener, dem Judenkönig, weiß, da er ihm ja das Kreuz getragen hat.«

Karanthes geriet in große Erregung, zupfte mich am Mantelsaum und warnte: »Sprich nicht so laut über diese ärgerliche Sache!«

Aber ich erwiderte: »Du warst gut zu mir, und ich möchte deshalb dir gegenüber nicht unnötig geheimtun. Ich habe gute Gründe zu der Annahme, daß es sich bei dem gekreuzigten Judenkönig um den erstaunlichsten Mann handelt, der je gelebt hat, und daß er Gottes Sohn gewesen ist. Ich bin so gut wie überzeugt, daß er am dritten Tage nach der Bestattung sein Grab verlassen hat und am Leben ist, obwohl er schon tot war. Deshalb möchte ich alles erforschen, was mit ihm zusammenhängt, auch jene Einzelheiten, die vielleicht Simon von Kyrene über ihn weiß.«

Mein Syrer rief mit weinerlicher Stimme: »Wehe über mich! Was für ein Unheil habe ich auf mein Haus und mein Geschäft geladen, indem ich dich in mein Gästezimmer aufnahm! Wenn du nicht ein Freund Adenabars, des Zenturionen, wärest, hätte ich gute Lust, dich aufzufordern, augenblicklich deine Siebensachen zu packen und mein Haus zu verlassen. Von solchen Dingen redet man doch höchstens im Flüsterton in seinen vier Wänden, und nicht hier auf der Straße vor dem Haustor, wo jeder es hören kann! Keinesfalls darf man den Fabeleien unbedachter Männer und den Wahnvorstellungen verrückter Weiber Glauben beimessen. Natürlich habe auch ich gerüchtweise von den Sachen gehört, auf die du anspielst. Aber glaube mir, du tätest gut, dich aus dieser Angelegenheit herauszuhalten, sonst werfen dir die Juden bald ein paar Steine auf den Kopf! Du kannst noch nicht dahintergekommen sein, aber bei den Juden ist Religion immer Politik und Politik Religion. Nichts, was sie tun, ist völlig von ihrem Glauben zu trennen; ihr Gott ist allwissend und belauert sie Tag und Nacht, ob sie sich gesetzestreu verhalten. Darum empfiehlt es sich dringendst, in solchen Sachen leisezutreten und die Zunge zu hüten, besonders, wenn man Ausländer ist.«

»Ich bin römischer Bürger«, betonte ich. »Kein Jude darf mir ein Haar krümmen. Ich unterstehe nicht ihrer Gerichtsbarkeit. Für den Fall, daß sie wirklich irgendwelche mit ihrer Religion zusammenhängende Anschuldigungen gegen mich erheben, könnte nicht einmal der Prokonsul es wagen, mich zu richten. Ich würde nach Rom geschickt und dem Cäsar vorgeführt werden.«

»Angeblich ist doch Cäsar nicht mehr in Rom, sondern haust irgendwo auf einer abgelegenen Insel«, bemerkte Karanthes arglos. »An seiner Statt regiert wer anderer, ein verschlagener, habsüchtiger, Bestechungen zugänglicher Mann.«

Jetzt tauschten wir die Rollen. Ich packte meinen Hausherrn, hielt ihm meine Hand über den Mund und blickte mich entsetzt um, ob jemand seine Worte gehört hatte.

»Wenn du das in Rom gesagt hättest«, verwies ich ihn, »würde dich das den Hals kosten. Von diesem Mann darf nicht laut geredet werden; er soll Späher und Lauscher in den fernsten Ländern haben.«

Gelassen schob Karanthes meine Hand von seinem Mund und meinte: »Na also, siehst du? Man muß eben überall mit den Wölfen heulen. Andere Länder, andere Sitten. Hier in Jerusalem verbrennt man sich mit dem Namen des Gekreuzigten genau so den Mund wie in Rom mit dem Namen des … anderen Mannes.«

Er zögerte einen Augenblick und schaute sich um; dann kauerte er sich hin, und während ich weiter, in meinen gestreiften Judenmantel gehüllt, auf seiner Türschwelle saß, flüsterte er mir ins Ohr:

»Gerüchte sind Gerüchte. Aber wir einfacheren Leute und Ausländer haben erst nachträglich richtig erfahren, welch schreckliches Unheil uns durch das rasche Eingreifen des jüdischen Hohen Rates erspart wurde. Du mußt nämlich wissen, knapp vor den Ostertagen saßen wir alle, ohne es zu wissen, auf einem Vulkan. Das Volk hatte diesen Jesus schon zum König und Sohn Davids ausgerufen, und angeblich genoß er heimlich die Unterstützung einer Sekte und Verschwörergruppe in der Wüste, die ›Stillen‹ genannt. Man wollte, heißt es, während des Festes den Tempel, zum Fanal für das Volk, in Brand stecken, den Rat stürzen und eine Regierung aus Taglöhnern und Kleinbauern bilden. Du kannst dir vorstellen, welch hochwillkommene Gelegenheit zur Einmischung das für die Römer gewesen wäre. Der Statthalter hatte schon aus allen Stützpunkten die ganze Legion in Jerusalem zusammengezogen und selber in der Burg Antonia Quartier genommen, weil er sich nicht traute, so wie sonst im Herodespalast zu wohnen. Als aber die Umstürzler ihren Rädelsführer verloren, mußten sie sich wieder in ihre Schlupfwinkel verkriechen.«

»Das glaube ich nicht«, entgegnete ich. »Nach allem, was ich gehört habe, ist sein Reich überhaupt nicht von dieser Welt.«

»Ja, ja – wie gesagt, Gerüchte sind nur Gerüchte«, bemerkte Karanthes versöhnlich. »Aber irgend etwas muß an so hartnäckigen und übereinstimmenden Munkeleien daran sein. Ohne Feuer kein Rauch! Oder? Was meinst du?«

»Ich vermute, daß der Rat und die Priester und die Schriftgelehrten derlei Gerüchte selbst in Umlauf bringen, um nachträglich einen niederträchtigen Mord zu rechtfertigen«, erklärte ich entschieden. »So, wie man da glauben machen will, war Jesus nicht geartet. Angeblich hat er den Leuten sogar gesagt, wenn man sie auf die eine Wange schlüge, sollten sie die andere auch hinhalten, und niemand möge Böses mit Bösem vergelten. Auch ich persönlich halte diesen Grundsatz für das einzige Mittel, um aus der Gewalt des Bösen loszukommen, das sonst, von Rache zu Rache und immer wieder zu Rache, sich ewig fortpflanzt.«

»Er hat sich sein Schicksal selbst zuzuschreiben«, erklärte Karanthes in sachlich nüchternem Töne. »Wer hier auf Erden wirkt und handelt und lehrt, muß sich den Gesetzen dieser Welt unterwerfen. Mag sein, daß dieser Jesus von anderen Leuten für ihre Zwecke mißbraucht wurde; über ihn selbst hat man ja wirklich nur Gutes gehört. Aber dem jüdischen Rat ist nichts übriggeblieben, als jene Entscheidung zu treffen, die allein der Sachlage und der politischen Vernunft entsprach. Es geht eben nicht an, daß jemand, um das Volk zu verführen, Kranke heilt und Tote erweckt oder sich als Sohn Gottes ausgibt. Soweit wir wissen, hat der Judengott keinen Sohn und kann gar keinen haben. Gerade dadurch unterscheidet er sich von den Göttern anderer Völker. Solche Irrlehren stiften nur politischen Unfrieden. Und bei einem Umsturz sind es immer die Hitzköpfe, die an die Macht kommen, nie die Besonnenen. Ich bin überzeugt, gleich bei Ausbruch der Unruhen und ehe ich auch nur Zeit gefunden hätte, mich zu dem neuen König zu bekennen, wäre mein Kramladen in Flammen aufgegangen und meine Tochter hätte mit zerschmettertem Schädel und gespreizten Beinen in der Gosse gelegen.«