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Ich hob die Hände und rief: »Nein, nein! Diese Fußspuren sind heilig, und dein Haus ist gesegnet. Er selbst, der Auferstandene, ist hier geschritten und hat sich uns gezeigt, weil wir so eifrig seinen Weg suchen.«

Simons braunes Gesicht wurde grau. Aber er widersprach heftig: »Das war Eleasar. Ich habe ihn gesehen und erkannt. Was fällt dir ein, mich so zu erschrecken?«

»Glaube, was du willst!« erwiderte ich. »Ich weiß, was ich zu glauben habe. Da wir ihn beide sahen, hatte er etwas an sich, was uns beiden bekannt vorkam. Aber wie hätte uns augenblicklich klarwerden können, daß er es war? Auch Maria Magdalena erkannte ihn erst, als er ihren Namen aussprach.«

»Was willst du mir da einreden?« wehrte sich Simon. »Ich habe einen Magier Geister beschwören sehen; aber diese Geister waren nur Umrisse auf beleuchtetem Rauch und bewegten sich mit dem Rauch. Ein Geist hinterläßt nicht Fußspuren auf dem Boden.«

»Er ist doch kein bloßer Geist«, erklärte ich. »Verstehst du noch immer nicht? Er hat das Grab verlassen und lebt unter uns, kommt und geht, wie ihm beliebt – selbst durch versperrte Türen.«

Aber Simons handfester Sklavenverstand wollte sich nicht fügen. »Nach der Art, wie er mich angeblickt hat, kann ich glauben, daß er auferstanden ist«, meinte er. »Aber warum er sich ausgerechnet dir und mir zeigen sollte, geht mir nicht ein. Wir sind nicht seine Jünger gewesen; wir haben ihn bei seinen Lebzeiten nie gekannt. Du bist ein unbeschnittener Römer, und ich bin ein ehemaliger Sklave. Weshalb sollte der König gerade vor uns erscheinen?«

»Sein Reich war uns schon nahe, ehe er sich uns zeigte«, entgegnete ich. »Hast du nicht bemerkt, wie licht es unmittelbar vor seinem Kommen wurde? Du sagtest selbst, daß du dich erleichtert fühlst, und auch mir erging es so. Ich bin noch immer frohen Muts. Warum sollten wir uns über seine Absichten mit uns wundern, nur, weil wir Außenseiter sind? Durch sein Erscheinen wollte er uns sicherlich zu verstehen geben, daß auch wir ein Anrecht darauf haben, nach besten Kräften seinen Weg zu suchen.«

»Wenn das wirklich er war, dann übergebe ich meinen Besitz den Söhnen und folge ihm, wohin er mich führen mag«, erklärte Simon. »Aber es war nicht er, sondern Eleasar.« Dennoch begann er sein Schicksal bitter zu beklagen, ballte die großen Hände zu Fäusten und jammerte: »Warum muß gerade mir das geschehen? Hätte er nicht irgendeinen jüngeren Menschen in seinem Netz fangen können? Aber so kommt eben das Unheil über einen, ganz plötzlich, wenn man am wenigsten darauf gefaßt ist! Welche verhängnisvolle Fügung hat damals ausgerechnet mich ausersehen, seinen Weg zu kreuzen, gerade in einer Zeit, da ich hoffte, meine Tage in Ruhe verbringen zu können, zufrieden mit dem, was mein ist?«

Aus diesen Worten entnahm ich, daß er, gegen seinen eigenen Willen, doch glaubte. Aufmunternd sagte ich: »Simon, mein Bruder, sei überzeugt, daß er dir unvergleichlich mehr geben kann, als du bisher hattest! Aber wenn sein Weg dir zu schwer vorkommt, mußt du ihn nicht gehen. Ich glaube kaum, daß er seine Nachfolge irgendwem aufzwingen würde, der nicht schon im tiefsten Herzen sich für diesen Weg bereitet hat.«

Im gleichen Augenblick klopfte es heftig am Tor, und wir fuhren beide auf. Wir hörten das Knarren des Schlosses und das öffnen der Tür und dann die zeternde Stimme der Magd. An ihr vorbei stürzte ein zwergenhafter Mann mit großem Kopf herein und jammerte händeringend: »Wo ist er? Wo habt ihr ihn versteckt? Als ich ihn hier eintreten sah, band ich meinen Esel an den Mauerring und wartete geduldig. Aber er kommt und kommt nicht heraus. Ich muß ihn sehen.«

»Von wem redest du, Fremdling?« fragte Simon. »Hier ist niemand als mein Gast, und wir sprechen seit geraumer Zeit miteinander.«

Der drollige kleine Mann kam näher und starrte mich mit dem Blick des Kurzsichtigen an. Dann sagte er: »Das ist nicht der, den ich suche. Er war für einen Juden prunkhaft und kostspielig gekleidet; sein Mantel war, wenn mich nicht alles täuschte, aus milesischer Wolle.«

»Wen suchst du denn?« fragte Simon wieder. »Und warum dringst du so unschicklich in mein Haus ein?«

»Wen ich suche, ist ohne Belang für dich«, versetzte der Mann geheimnisvoll. »Ich will dir nur das eine sagen, daß er mich auf der Straße überholte. Ich erkannte ihn erst, als er ein Stück weit war. Aber er blieb auf meine Rufe nicht stehen; vielleicht hörte er sie nicht. Und sosehr ich auch meinen Esel antrieb, der Mann erreichte die Stadt vor mir, und ich sah ihn hier in dieses Haus eintreten.«

Da klopfte es neuerlich am Tor, und herein kam ein bäuerlich gekleideter Mann mit offenem, sonngebräuntem Gesicht. Bei seinem Anblick atmete Simon erleichtert auf und rief: »Da bist du ja, Eleasar! Warum ging's du vorhin hier wortlos durch? Und wohin wolltest du?«

Verwundert antwortete Eleasar: »Ich war heute noch nicht hier. Ich komme unmittelbar von den Feldern, um nachzufragen, was mit dir ist, Herr, weil du schon tagelang nicht draußen warst. Des Herren Schritte erquicken den Boden, sagt man, und ohne deine Anweisungen getraue ich mich nichts zu unternehmen. Du wirst doch wohl nicht krank sein?«

Ich starrte seine Füße an. Sie waren nackt und schienen von Blut gerötet. Ich zeigte auf sie und fragte: »Hast du dir weh getan?«

Eleasar senkte den Blick verlegen auf seine Füße und erwiderte: »Nein. Das ist die Farbe, die wir zur Merkung der Opferlämmer verwenden, und ich habe mich nicht gewaschen. Ich bin nämlich in aller Eile zu meinem Herrn gelaufen, damit er mir ins Ohr brüllt, wie man bestimmte Dinge in Kyrene macht. Sonst kann ich die Arbeit nicht so anordnen, wie es ihm recht ist.«

Der kleine Mann blickte uns der Reihe nach an. Plötzlich geriet er außer sich und schrie, puterrot im Gesicht: »Wollt ihr mich zum Narren haben? Was redet ihr da von Feldern und Lämmern, wenn ich mich in aller Ruhe und Freundlichkeit erkundige, wo ihr ihn versteckt habt?«

Ich warf rügend ein: »Du springst uns ja wie ein wütender Hahn ins Gesicht, Kleiner! Ich heiße Marcus und bin römischer Bürger. Der Hausherr hier ist Simon von Kyrene, und dieser Mann ist sein Verwalter Eleasar. Wer bist denn du? Und wie kannst du es wagen, in ein fremdes Haus einzudringen, als wärest du übergeschnappt?«

Hochnäsig erwiderte er: »Ich bin Zachäus von Jericho, ehemaliger Oberzolleinnehmer. Und mach dich nicht lustig über meine Gestalt! In meiner Heimatstadt gelte ich keineswegs als unansehnlich – zumindest nicht bei den Römern.«

Ich schlug vor Staunen die Hände zusammen, und Simon rief: »Von dir habe ich schon gehört, Zachäus. Eben sprachen wir über dich. Welcher Wind hat dich hergeweht? Wenn morgen nicht Sabbat wäre, hätten wir uns nach Jericho aufgemacht, um dich zu besuchen.«

Zachäus blinzelte uns argwöhnisch an. Aber ich bestätigte: »Es ist tatsächlich so. Du bist also der Mann, der auf Jesu Befehl sein halbes Vermögen den Armen gab und alle von ihm Übervorteilten vierfach entschädigte!«

Zachäus sagte: »Befehl war es keiner. Ich habe freiwillig unrecht erworbenes Gut an die Armen verteilt. Aber was weißt du, ein Römer, von Jesus?«

Eleasar scharrte verdrossen mit den Füßen und sagte: »Daß du wohlauf bist, Herr, davon habe ich mich überzeugt. Und Dinge, die einem auf Kopf und Magen schlagen, möchte ich mir nicht anhören müssen.«

»Nur keine Sorge!« erwiderte ich. »Vor allem aber erkläre uns eines: Warum hast du, ein Armer, solche Angst, den Namen des Nazareners zu hören?«

Eleasar trat von einem Fuß auf den anderen, starrte auf den Boden und erklärte schließlich: »Seine Bürde hätte leicht und sein Joch milde sein sollen. Er hat uns Frieden versprochen, wenn wir zu ihm kämen. Aber jeder, der Taglöhnern, Hirten und Ackerknechten Angenehmes verspricht – Besseres, als es bisher für sie gab –, wird vor die Richter gebracht. Auch ihn, Jesus, hat man gekreuzigt. Und deshalb mag ich nichts mehr hören über ihn.«

»Nein, nein!« eiferte Zachäus. »Da mißverstehst du seine Lehre gründlich. Er ist gekommen, um jene zu finden, die sich verirrt haben. Sogar mich hat er einen Sohn Abrahams genannt, obwohl er meine Habgier und Erbarmungslosigkeit kannte. Er hat auch nicht über meine Gestalt gespottet, sondern mich beim Namen gerufen und von dem Baum herabsteigen geheißen, auf den ich geklettert war, um den Wundertäter besser zu sehen. Dann kehrte er sogar bei mir ein.«