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Seine harten Worte kränkten mich tief. Heftiger Groll regte sich in mir, und ich hatte gute Lust, diesem Mann meine Meinung zu sagen. Aber etwas zwang mich, ihm ins Gesicht zu blicken. In seinen Zügen und Augen und Stirnfurchen fand ich jenes unerklärliche Etwas, das ihn von anderen Menschen unterschied und als Jünger des Königs kennzeichnete. Zweifellos wußte und verstand er von bestimmten Dingen mehr, als ich je erfassen konnte. Darum entgegnete ich bescheiden:

»Ich will dir nicht widersprechen. Ich dachte bloß, sein Weg stünde allen offen, die ihn aus schlichter Seele suchen, und mit demütigem Herzen. Ich meinte, auch mir würde sich die Tür auftun, wenn ich inständig daran klopfe. Erkläre mir zumindest, warum der Auferstandene sich mir selber im Hause Simons von Kyrene zeigte!«

Zachäus blickte den Sendboten flehentlich an. Aber Matthäus verhärtete noch seine Miene und erwiderte: »Unser Herr ist zu den verlorenen Schafen des Hauses Israel gesandt worden. Deshalb hat er auch mich berufen, von meiner Zollstätte in Kapernaum weg. Ich stand sofort auf und folgte ihm. Seinetwegen ließ ich Haus und Besitz im Stich, und auch meine Familie. Zachäus war gleichfalls eines der verlorenen Schafe Israels; und selbst Simon von Kyrene gehört einer griechischen Synagoge an und hat dem Herrn das Kreuz getragen. Daß er sich ihnen beiden zeigte, können wir also noch verstehen; aber an sein Erscheinen vor einem unbeschnittenen Römer glauben wir nie und nimmer. Darüber sind wir untereinander einig geworden. Können wir schon den Visionen überspannter Frauen wenig Glauben beimessen, so begegnen wir mit noch größerem Mißtrauen einem Römer. Vielleicht bist du ein Zauberer, ein Magier, und wolltest dich für deine eigenen dunklen Zwecke unseres Wissens bemächtigen. Du wirst wohl der gleiche Mann sein, von dem ein blinder Bettler erzählte, jener Mann, der durch mißbräuchliche Anrufung des Namens unseres Lehrers einen Stein in menschliche Nahrung verwandelte. Auch Simon von Kyrene und Zachäus hast du betört. Alles, was sich während deiner Anwesenheit in Simons Haus ereignet hat, sieht nach Hexerei aus und gar nicht nach Jesu Reich.«

Zachäus nickte und stimmte bei: »Da hast du recht! Ich war von dem allen, als ich es hörte, ganz betroffen und entsetzt. Durch Zauber hat er Simon dazu gebracht, den Geist seines Verwalters Eleasar zu sehen, während der Mann noch unterwegs in die Stadt war. Dann hat er Simon verleitet, uns starken Wein vorzusetzen, so daß wir völlig beduselt wurden. Dir, Matthäus, glaube ich mehr als dem Römer; dich kenne ich und ihn nicht.«

Er wandte sich an mich: »Auch Simon hat sich eines Besseren besonnen und will nichts mehr von dir wissen, nachdem du nicht zu den Kindern Israels gehörst. Er grollt dir nicht, obwohl deine Hexenkünste ihn um viel Geld und Gut gebracht haben. Aber du tätest gut, nicht mehr seine Gesellschaft zu suchen. Es gibt wirklich schon zu viele Wegweiser auf der Welt.«

Ich glaube, Matthäus spürte meine Niedergeschlagenheit und achtete die Zurückhaltung, mit der ich bloß schweigend den Kopf abwandte, um meine Tränen zu verbergen. Denn er wurde milder und sagte: »Versuche auch uns zu verstehen, Römer! Es liegt mir fern, dich böser Absichten zu zeihen, weil ich überhaupt die Dinge lieber gut auslege. Vielleicht bist du kein Hexenmeister; vielleicht hat nur ein mächtiger Dämon Gewalt über dich gewonnen und zwingt dich, den Namen unseres gekreuzigten Herrn zu mißbrauchen, obwohl du weder ihn noch das Geheimnis seines Reiches kennst. Aber ich muß dich streng verwarnen. Uns allein, seinen Auserwählten, hat er Befugnis und Kraft verliehen, in seinem Namen Kranke zu heilen und böse Geister auszutreiben. Wir haben, ich muß es gestehen, die uns auferlegte Bewährungsprobe nicht bestanden, und wegen unseres Kleinmuts ist die Kraft von uns gewichen; aber sie wird bestimmt zu gegebener Zeit wiederkommen. Bis dahin können wir nichts tun als wachen und beten und sein Reich erwarten.«

Mit mißbilligendem Blick hob er die Hand gegen mich, so daß ich seine Kraft, die er eben verneint hatte, deutlich spürte. Er saß in einiger Entfernung von mir und berührte mich keineswegs; und doch war es, als hätte er mir einen heftigen Schlag versetzt.

»Ich befehle dir und deinem Irrglauben, von uns zu weichen!« rief er. »Und ich berufe mich dabei am besten auf die Mahnung unseres Herrn: ›Gebt das Heilige nicht den Hunden!‹ Er ist nicht gekommen, das Gesetz und die Propheten aufzuheben, sondern zu erfüllen. Er hat uns verboten, auf einen Seitenpfad zu Heiden abzubiegen oder eine Samariterstadt zu betreten. Wie dürften wir also seinen Weg und seine Wahrheit dir, einem Römer, offenbaren?«

Obwohl er in der derben Art der Juden mich, den römischen Bürger, mit einem Hunde verglichen hatte, kränkten seine Worte mich nicht. So tief war meine Niedergeschlagenheit, daß ich bloß sagte: »Ich habe mir Jesu Lehre ganz anders vorgestellt. Aber ich muß dir, dem von ihm berufenen Sendboten, glauben. In deinen Augen bin ich also anscheinend nicht mehr als ein Hund. Aber auch Hunde duldet man im Hause ihres Herrn; sie hören seine Stimme und gehorchen ihm. Eure heiligen Schriften sind mir nicht so völlig unbekannt, wie du meinst. Laß mich den Ausspruch eines Königs von Israel anführen, wonach ein lebender Hund besser daran ist als ein toter Löwe. Gönnst du mir nicht einmal den Platz eines lebenden Hundes vor dem Tore des Reiches?«

Adenabar, der bisher schweigend dagesessen hatte, traute seinen Ohren nicht; mit gekrümmten Fingern hob er abwehrend die Hände, sprang auf und rief: »Bist du wirklich so verrückt, als römischer Bürger um eine Hundehütte beim Judenkönig zu betteln? Sichtlich bist du derjenige, der behext und dem der Kopf völlig verdreht wurde. Offenbar ist das Geheimnis des Auferstandenen furchtbarer, als ich dachte.«

Zachäus schmiegte sich noch enger an den Sendboten. Aber Adenabar unterfing sich nicht, die beiden zu berühren. Im Gegenteil, sobald er sich etwas beruhigt hatte, streckte er bittend die Arme empor und sagte zu Matthäus: »Ich bin Soldat und habe mich nicht vorsätzlich gegen deinen König vergangen, als ich, einem Befehle gehorchend, bei der Kreuzigung Wache hielt. Aber wenn du mich mit deinem König versöhnen willst, so wasche ich mir zur Entsühnung gerne nach jüdischer Vorschrift die Hände oder verbrenne meine alten Kleider oder kratze aus allen Wandritzen etwa hineingeratene Sauerteigreste oder unterziehe mich irgendeiner anderen von dir angeordneten Form der Reinigung. Ich will keinen Streit mit deinem Herrn und wehre seinem Reiche nicht. Ich wünsche nichts, als in Frieden meines Weges gehen zu können.«

Offenbar nahm Matthäus mit Erleichterung zur Kenntnis, daß er und die übrigen Jünger von den Römern – zumindest, soweit Adenabar in Betracht kam – nichts zu fürchten hatten. Darum sagte er: »Man hat mir berichtet, daß der Herr am Kreuze euch Römern vergeben hat, weil ihr nicht wußtet, was ihr tatet. Ich habe diese Worte nicht selbst gehört, aber meinetwegen magst du in Frieden gehen.«

Adenabar rief sehr bewegt: »Gewiß, gewiß. Sicherlich wußte ich nicht, was ich tat; aber auch sonst hätte ich als Soldat nur meinen Befehl ausführen können. Darum geben deine Worte mir Trost, und ich vertraue jetzt darauf, daß auch dein Herr mir nichts nachträgt.«

Nun wandte Matthäus sich wieder zu mir, rieb sich die Augen und sagte müde: »Was ich von dir denken soll, weiß ich nicht. Deine Demut spricht für dich, und du redest nicht wie ein Besessener.«

Dann jedoch hob er mit heftiger Geste die Hand und fügte, wie mit sich selbst uneins, hinzu: »Als Bruder kann ich dich aber keinesfalls betrachten, da du Heide und Römer bist und unreine Speisen verzehrst. Wärest du wenigstens ein Proselyt! Diese Quasten an deinem Mantel allein machen noch nicht ein Kind Israels aus dir.«

Auch Zachäus schlug sich an die hagere Brust und erklärte: »Nein, er gehört nicht einmal zu den verlorenen Schafen Israels – wie ich seinerzeit, als der Herr mich sogar einen Sohn Abrahams nannte. Er ist ja unbeschnitten; wie könnte er sich dereinst an Abrahams Seite zu Tische setzen?«