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Aber Maria Magdalena lächelte, hob meinen Stock vom Boden auf und fragte: »Soll ich mein Gebet widerrufen, so daß du nochmals zu hinken anfängst?«

Hastig erwiderte ich: »Nein, das nicht! Bestimmt würde ich, wenn du darum beten solltest, von neuem hinken und vielleicht mein ganzes Leben lang umherhumpeln.«

Meine Wort erschreckten Maria; sie blickte um sich, als wäre sie bei etwas Verbotenem ertappt worden, und erklärte rasch: »Nein, nein, Übles können wir in seinem Namen auf einen anderen nicht herabflehen; nur uns selber täten wir damit Übles. In; seinem Namen kann man nicht verfluchen – nur segnen.«

Sie lächelte strahlend und starrte vor sich hin und durch mich hindurch, als sähe sie etwas für mich Unsichtbares. Zugleich bog sie meinen Stock zwischen ihren Händen, und zu meiner grenzenlosen Verblüffung schien der doch vollkommen starre, harte Eichenstock so biegsam wie eine Weidengerte. Ich traute meinen Augen nicht und konnte nur hinblicken, bis sie aus ihrem Sinnen erwachte, meinen Blick spürte und mir ihr Gesicht zuwandte.

»Warum starrst du mich so an?« fragte sie und hörte auf, den Stock zu biegen.

Ich hob beschwörend beide Hände und flüsterte: »Biege den Stock nochmals, wie du es eben getan hast!«

Sie versuchte es unter Aufgebot aller Kräfte; aber der Stock gab nicht um Haaresbreite nach. Ich nahm ihn wieder an mich, und es war der gleiche feste, harte Stock, auf den ich mich beim Gehen gestützt hatte. Das Geschehene war nicht bewußt vollzogen worden; Maria Magdalena hatte in Gedanken versunken, mit in sich gekehrtem Blick, dagesessen und konnte sich nachher überhaupt nicht erklären, warum ich so aufgeregt war. Ich ließ mich auf keine vernunftgemäßen Deutungsversuche ein, sondern zog vor, diese Biegsamkeit des harten Holzes als wohlwollendes Zeichen für mich zu werten, weil ich nicht an die Heilung meines Fußes durch die Anrufung von Jesu Namen geglaubt hatte. Wie das hergegangen war, konnte ich mir nicht erklären, da ich ja nicht einmal ein solches Zeichen gewünscht hatte. Jedenfalls flammte nun wieder Hoffnung in meinem Herzen auf.

Daß ich den Stock sich biegen gesehen hatte, war mir keinesfalls durch Hexerei vorgegaukelt worden; ich spürte nämlich nichts von jener Körperstarre, die den umfängt, an dem ein Zauberer seine Künste übt. Im Gegenteil, ich fühlte mich wohl, frisch und geläutert. Deshalb sagte ich: »Maria Magdalena, du glückhafte Frau! Jesus ist dein Herr, und du darfst nicht ungeduldig werden. Sobald du ihn rufst, steht er bei dir, auch wenn du ihn nicht siehst. Wie das möglich ist, begreife ich nicht; aber ich glaube daran. Du bist wahrhaft durch ihn gesegnet unter den Frauen.«

Als wir das Sommerhaus verließen, waren wir beide von neuer Hoffnung erfüllt. Maria Magdalena zeigte mir ihren Kräutergarten und ihre Taubenschläge und schilderte mir, wie man die Vögel in den nahen Felsklüften fängt und wie auch sie als junges Mädchen durch die Steilwände geklettert war, ohne Angst vor Räubern und ohne Schwindelgefühl.

Wir betraten ihr Wohnhaus. Es war voll herrlicher Behänge und kostbarer Möbel; aber ihre griechischen Vasen und Statuen hatte Maria, so erzählte sie, nach ihrer Befreiung aus der Macht der Dämonen vernichtet, da das Gesetz Israels den Gläubigen verbietet, sich Schnitzwerke oder sonstige Abbilder von Mensch oder Tier zu machen. Dadurch kam sie darauf zu sprechen, daß Jesus, wenn er – wie so oft – in Sinnen versank, einen Stock nahm und in den Sand zeichnete. Aber ehe Maria oder sonstwer hinsehen konnte, verwischte er mit dem Fuß, was er gezeichnet oder geschrieben hatte. Auch anderes erzählte sie mir von Jesus, wie es ihr während des Rundgangs durch das große Haus zufällig einfiel.

Sie hatte für uns ein Mahl bereiten lassen und lud mich ein, bei Tische Platz zu nehmen, leistete mir aber nicht Gesellschaft, sondern sagte: »Gestatte, daß ich dich nach Landessitte beim Essen bediene!« Sie forderte auch Maria von Beeroth auf, mir dienstbar zu sein, befahl ihr, mir Wasser über die Hände zu gießen, und belehrte sie lächelnd darüber, wie man bei Tisch richtig aufwartet. Sie selber mischte mir Wein, einen leichten galiläischen Weißwein, der mir wie Frühlingsluft zu Kopfe stieg. Nach den salzigen und süßen Vorspeisen reichte sie mir gebratenen Fisch und dann Taubenstücke in Rosmarintunke. Ich hätte nicht sagen können, wann ich zum letztenmal derart gut zubereitetes und köstliches Essen genossen hatte.

Erst als ich so satt war, daß ich keinen Bissen her hinuntergebracht hätte, setzte meine Gastgeberin sich zum Essen auf die Matte zu meinen Füßen und ließ auch meine Begleiterin das gleiche tun. Maria Magdalena war mild und heiter geworden, und ein liebliches Lächeln verklärte ihr Gesicht. Ich betrachtete sie durch den feinen Schleier der Weinbenommenheit und fand, daß sie wirklich eine der schönsten und anziehendsten Frauen dieses Landes gewesen sein mußte. Angesichts ihrer Freundlichkeit faßte selbst meine junge Begleiterin Mut und wagte schließlich zu sagen: »Wenn du so lächelst wie jetzt, Maria Magdalena, glaube ich gern, daß Männer deinetwegen sogar aus Damaskus und Alexandria hierher gereist sind und daß du mit Hilfe ihrer Geschenke dir dieses große Haus samt der wunderbaren Einrichtung schaffen konntest. Aber wie stellt man das an? Lehre mich die Kunst, so staunenswerte Geschenke für etwas zu bekommen, wofür die Kameltreiber in Jerusalem nur ein paar Kupfermünzen zahlen!«

Maria Magdalenas Gesicht verdüsterte sich rasch, und sie sagte: »Frage mich nicht solche Dinge! Allerdings kann wohl keine Frau so etwas ohne Unterweisung lernen. Nur wenn sie von einem bösen Geist besessen ist, oder gar von mehreren, vermag sie derartiges. Gleichzeitig aber martert und würgt der Dämon die von ihm Besessene, und sie geht umher, als hätte sie ständig die Schlinge eines Henkerstrickes um den Hals. Nichts macht ihr Freude, nichts schenkt ihr Zufriedenheit; und schließlich haßt sie sich selbst mehr als die Männer und die Männer mehr als irgend etwas sonst.«

Meine Begleiterin blinzelte sie argwöhnisch an, neigte den Kopf zur Seite und meinte in zweifelndem Töne: »Was du sagst, mag ja stimmen. Aber ich würde den Dämon freudig begrüßen, wenn er mich in den Augen der Männer verführerisch schön machen könnte.«

Maria Magdalena schlug sie auf den Mund und rief: »Schweig, albernes Ding! Du weißt nicht, was du redest.«

Die junge Frau erschrak heftig und brach in Tränen aus. Maria Magdalena atmete schwer, sprengte Wasser rings um sich und sagte: »Ich bitte dich nicht um Verzeihung wegen der Maulschelle; nicht aus Zorn habe ich sie dir gegeben, sondern zu deinem Besten. Ich hoffe, daß mir jemand das gleiche täte, wenn ich je etwas so Unsinniges sagen sollte wie du. Ein böser Geist kann sein Opfer zwingen, in Gräben zu hausen und Unrat zu essen; keine Kette kann sein Opfer fesseln, und die stärksten Männer können es nicht halten, wenn in ihm der Dämon rast. Und ich weiß nicht, welche Dämonen ärger sind; jene, die am Körper nagen, oder jene, welche die Seele aushöhlen, bis in ihr nur mehr Leere bleibt.«

»Du hast mich gekränkt«, fuhr sie nach einer Weile fort, »aber ich nehme es dir nicht übel. Wahrscheinlich mußtest du mich an meine Vergangenheit mahnen. Unter der Hülle des Körpers war damals nur mehr ein kahlgenagtes Gerippe, und mit mir als ihrem Werkzeug haben die bösen Geister viele Männer ins Verderben gestürzt. Meine Sünde war grenzenlos, aber sie wurde mir vergeben. Du solltest beten: ›Führe uns nicht in Versuchung, sondern erlöse uns von dem Bösen!‹ Statt dessen betest du im Herzen: ›Führe mich in Versuchung und treibe mich dem Bösen in die Arme'!‹ Ich erkenne das an deinen Augen, deinem Mund und deinen so ungeduldig scharrenden Füßen. Entsinnst du dich noch jener Frau, die in Jerusalem gelobte, sich für den Rest des Lebens mit Salzfisch und Gerstenbrot als Speise zu begnügen, wenn sie nur aus ihrem Elend erlöst würde? Wegen dieses Gelöbnisses habe ich dich dem Römer Marcus in den Weg geschickt; aber statt die Augen dankbar niederzuschlagen, wirfst du ihm Fallstricke um die Beine.«