Ich erzählte ihnen, daß ich als junger Mann eine Wette gewonnen hatte, indem ich, ungeachtet der Strömungen, von Rhodos zum Festland schwamm; aber sie hatten nie von dieser Insel gehört und konnten deshalb die Leistung nicht würdigen. Allerdings war mir auf der ganzen Strecke ein Kahn gefolgt, und ich befand mich nie in ernstlicher Lebensgefahr. Aber zu meinem Bravourstück hatte mich weniger die Wette angetrieben als die Tatsache, daß ich in ein spottlustiges Mädchen vernarrt war, das mich im Falle des Gelingens mit einem Blumenkranz zu krönen versprochen hatte. So schwamm ich mit äußerstem Kraftaufwand; als jedoch die Wette gewonnen war, fühlte ich mich zu dem Mädchen nicht mehr hingezogen.
Jetzt streckte ich mich auf die Kissen im Heck des Bootes und sah den Wolken zu, wie sie über den Himmel jagten. Unterdessen schürzten die Fischer ihre Mäntel, stießen ab und faßten die Ruder. Ich merkte, daß sie von meinem Besuch bei Maria Magdalena wußten. Wie hätte auch so etwas verborgen bleiben können in einem Fischerdorf, wo offenbar jeder jeden kannte und ein Fremder neugierig beobachtet wurde? Auch darüber, daß ich Maria von Beeroth zurückgelassen hatte, wunderten sie sich nicht, sondern tauschten nur lachend einige Witze darüber.
»Was redet ihr da miteinander?« erkundigte ich mich.
»Nichts Schlimmes. Gar nichts Schlimmes«, versicherten sie mir. »Nur, daß die Taubenzüchterin zu ihren alten Gepflogenheiten zurückgekehrt zu sein scheint. Was hat sie dir für das Mädchen bezahlt?«
Ich schuldete ihnen keine Aufklärungen; aber da mich die Bemerkung um Maria Magdalena willen kränkte, sagte ich: »Sie hat nur aus Gutherzigkeit das Mädchen bei sich behalten, um es ihr Handwerk zu lehren.«
Die beiden Männer brüllten vor Lachen und riefen: »Ganz richtig, ganz richtig! Sie wird das Mädchen bestimmt ihr Handwerk lehren. Sie hat schon vielen jungen Dingern beigebracht, heidnische Musikinstrumente zu spielen, unzüchtige Tänze zu tanzen und Tauben zu fangen – aber was für Tauben, das wollen wir anstandshalber verschweigen.«
Ehe ich erwidern konnte, hörte ich das Heulen einer Bö; das Boot neigte sich zur Seite, die Wellen stiegen steil auf, und schäumender Seegang schleuderte Wasser in unser Fahrzeug, daß meine Kissen naß wurden. Ich fand gerade noch Zeit zu den Worten: »Das ist eine Warnung für euch, wegen eurer bösen Reden!« Dann aber hatten wir alle drei genug damit zu tun, den Kahn zu trimmen, der wie eine Nußschale vor der steifen Brise auf das gegenüberliegende Ufer zutrieb. Hätten wir unseren ursprünglichen Kurs gehalten, so wären wir im Nu gekentert.
Die beiden Dummköpfe wollten auf den Mast klettern und das Segel setzen; aber ich verbot ihnen das strenge, da wir keinen Ballast hatten. Aus den Gewitterwolken, die sich hinter den Bergen heraufwälzten, zuckten Blitze, und es wurde dunkel. Wir schöpften verbissen Wasser aus dem Kahn, konnten aber nicht verhindern, daß er sich füllte; bald trieb das Fahrzeug rollend und stampfend immer mehr an die Ostküste heran, bis zur Bordlinie voll Wasser. Durchnäßt und entsetzt warfen die Fischer mir drohende Blicke zu und riefen: »Wir haben einen Fluch auf uns geladen, als wir dich, einen römischen Heiden, mitnahmen. Wir haben uns einer Gottlosigkeit schuldig gemacht, weil wir dir halfen, ein Kind Israels in ein Freudenhaus zu verschleppen. Aber wir kannten deine Absichten nicht.«
Ich klammerte mich, bis zum Hals im Wasser sitzend, an den Bootsrand und schleuderte ihnen meine Antwort entgegen: »Ihr habt selber einen Fluch auf euch herabgerufen, als ihr schlecht von Maria Magdalena redetet!«
Das Wasser war nicht sehr kalt; aber wir waren ganz durchfroren, als endlich der Wind so weit abflaute, daß wir den Kahn ausschöpfen und an der Mündung eines ausgetrockneten Bachbettes an Land setzen konnten. Der ebene Strandsaum war hier schmaler und steiniger als am Westufer, und die Berge stiegen steil vor uns auf. Es wehte noch immer ziemlich stark, und die Wellen schlugen so heftig an das Gestade, daß die Fischer keine Lust hatten, wieder in diesen Gegenwind hinauszufahren, wenngleich sie glaubten, er würde sich nachts legen.
Die Dämmerung brach herein, und uns fror, obwohl wir unsere Kleider, so gut es ging, ausgewunden hatten. Ein Stückchen weiter, dort, wo der flache Strand am Fuß der Berge endete, sahen wir eine bescheidene Unterstandshütte mit einem glimmenden Feuer daneben. Ich schlug vor, wir sollten dorthin gehen und unsere Kleider trocknen. Aber die Männer zögerten und sagten: »Wir sind am falschen Ufer. Glücklicherweise haben wir keine Netze bei uns; sonst würden wir wegen verbotenen Fischens bestraft werden. Hierher fliehen manchmal Räuber und Verbrecher aus Galiläa. Und in den Höhlen hausen Aussätzige.«
Sie trugen Feuerstein und Stahl bei sich; aber das Gewitter hatte alle dürren Binsen am Strande durchweicht, so daß wir nichts zum Unterzünden fanden. Ich machte mich zur Hütte auf, und nach einigem Zögern folgten mir die Fischer. Als ich näherkam, sah ich einen Mann vor dem Feuer sitzen. Er warf einen Armvoll Zweige hinein, so daß es aufflammte. Ich roch gebratenen Fisch und frischgebackenes Brot. Neben der Hütte hing ein Wurfnetz zum Trocknen.
»Friede sei mit dir!« grüßte ich den einsamen Fischer. »Wir sind in das Unwetter geraten. Dürfen wir unsere Kleider an deinem Feuer trocknen?«
Er machte bereitwillig Platz, und ich legte meine Kleider ab und hing sie zum Trocknen über einen Stock. Ich sah, daß der Mann flache Steine erhitzt und darauf Brot gebacken hatte, während er in der Asche am Boden einer Grube zwei große Fische briet. Die Zeit des Sonnenuntergangs war schön vorbei, und der im Bergschatten liegende Strand wurde rasch dunkel, während wir über den Häusern und Säulenhallen von Tiberias am Westufer noch Abendlicht glühen sahen.
Ich blickte den fremden Fischer genauer an; er hatte scharfgeschnittene Züge und schien ein gutmütiger, schlichter Mensch, vor dem man keine Angst zu haben brauchte. Er nickte auch meinen beiden Ruderern freundlich zu und wies ihnen Plätze am Feuer an. Sie befingerten sein Netz und fragten, was er gefangen habe. Er antwortete verlegen, er hoffe, der Sturm werde einen Schwarm Fische in die Bucht treiben, wo der Bachlauf ausmünde; dort wolle er am nächsten Morgen sein Glück versuchen.
Ohne uns ausdrücklich einzuladen, nahm er ein Brot, segnete es, brach für jeden von uns ein Stück ab und nahm sich selbst einen Bissen. Er hatte auch sauren Wein und goß etwas davon in eine aus einem Rebstock geschnitzte Schale, segnete sie und reichte sie herum; wir tranken alle vier hintereinander daraus. Den Fisch hatte er gut zubereitet, ihn aber, mangels Salz, mit Strandlauch und bitteren Kräutern gewürzt. Wir aßen schweigend. Ich sah, daß meine Ruderer einen argwöhnischen Blick auf den fremden Mann warfen, der mit gesenkten Augen dasaß und still lächelte, als freue er sich jedes Bissens. Als er gegessen hatte, nahm er einen dürren Zweig und begann – offenbar, um seine Scheu zu verbergen – zerstreut im Sande zu zeichnen.
Während des Mahles hatten unsere Kleider in der Hitze des Feuers zu dampfen begonnen und wurden bald trocken. Aus meinen Gliedern wich die Steifheit, und mir wurde wieder warm; ich fühlte mich wohl und zufrieden. Schläfrigkeit übermannte mich, und ich konnte kaum die Augen offenhalten. Dankbar blinzelte ich den freundlichen Fischer an, der wortlos sein Essen so gastfreundlich mit uns geteilt hatte. Ich sah seine narbigen Hände und Füße und glaubte, in seinem Gesicht eine fiebrige Abgezehrtheit zu erkennen, als wäre er krank und hätte sich zur Genesung in die Einsamkeit zurückgezogen. Aber da auch meine Ruderer nichts fragten, wollte ich nicht vorwitzig erscheinen. Ohne es gewahr zu werden, schlief ich, nackt, wie ich war, am Feuer ein und spürte eben noch, wie der fremde Mann mich mit meinen getrockneten Kleidern zudeckte.