in der er Männern, die auf Lohn (im klassischen Sinne) verzichteten, lebenslängliche Arbeit versprach.[59] Um diesen Arbeitsverträgen Geltung zu verschaffen, brauchte er den Beistand des Klerus im Allgemeinen und den von Pastor Boone im Besonderen.
Und so kam Eula in den Genuss, ihre beiden konkurrierenden Freier vereint im Zeugungsakt zu erleben, dem Akt, der das neue und frommere Amerika zeugte, das hinfort aus den Ruinen des alten erstehen sollte. Foster ahnte nichts von der einstigen Beziehung zwischen Boone und Eula; doch Boone, der Eula bei einem geselligen Anlass vorgestellt wurde, erkannte gleich, welcher Art die Beziehung zwischen ihr und Foster war, und spielte den Unbeteiligten.[60] Eula spielte mit. Das alles gipfelte darin, dass Boone durch eine mondbeschienene Wiese streifte und seiner schmerzlichen Wehmut Luft verschaffte, indem er die Arie
sang, in der er auf die irdische Liebe zugunsten der verlässlicheren himmlischen Spielart verzichtete. Eula, die zwischen den Bäumen stand und seinen Worten lauschte, weinte beinah so ausgiebig wie die Damen im Publikum.
Am Tag darauf trug Foster ihr die Ehe an. Eula bat sich Bedenkzeit aus und suchte Boone auf. Sie näherte sich ihm, wie man sich seinem Beichtvater nähert — beide taten so, als habe es nie gegeben, wessen sie sich schmerzlich bewusst waren — und erzählte ihm alles, was sie seit seiner Verhaftung erlebt hatte bis hin zu Fosters Heiratsantrag. Sie habe ihren einstigen Verlobten getroffen, den sie für tot gehalten habe; und sie empfinde immer noch Liebe für ihn; aber sie liebe auch Foster und wisse nicht mehr aus noch ein.
Boone rang einen Augenblick mit seinen Gefühlen. »Vieles hat sich seit dem Ende der alten Welt geändert«, sagte er schließlich, und der Synchronsprecher verlieh Boone alle Attribute unterdrückter Gefühle (Zaudern, Aussetzen, Stocken), während er präzise den Mundbewegungen des Schauspielers auf der Leinwand folgte. »Wir gewinnen ein neues Verhältnis zur Kirche. Wir leben in der Abenddämmerung des alten Lebenswandels und der Morgendämmerung eines neuen. Gelübde von früher werden nicht gebrochen, sie werden für ungültig erklärt. Deine Ehe, wenn du sie eingehst, wird gewiss gesegnet sein — [viele ungesagte, erstickte Worte] — egal — egal, was vorher war.«
Eulas tränennasse Augen suchten die seinen. »Danke, Pastor«, sagte sie; und sollte sie sonst noch etwas gesagt haben, ging es im Schniefen und Schnäuzen des Publikums unter.
Ihre Rückkehr zu Foster war bittersüß. Dass er ihr den Hof machte, begrüßte sie mit der Arie
gefolgt von Szenen einer aufsehenerregenden Hochzeit, bei der Eula und der noble Pastor viele ergreifende Blicke wechselten, und schließlich von dem langen, vom ganzen Ensemble gesungenen Medley
in das ein Chor einstimmte, mit viel Glockengeläut und Fanfarenklängen und einem triumphalen Schlussrefrain, dem das ferne Bild einer christlichen Stadt und ihrer Weizenfelder unterlegt war, die von zufriedenen, lebenslang verdingten Menschen gepflügt wurden — und über allem wehten zuversichtlich die Sechzig Sterne und Dreizehn Streifen.[61]
Als der Vorhang fiel, wurde ziemlich lange applaudiert. Ich klatschte mindestens so begeistert wie die anderen, wenn nicht begeisterter. Ich hätte nie gedacht, dass filmische Illusion auf einem so hohen Niveau stattfinden konnte, getragen von Sorgfalt und Leistung so vieler fähiger Darsteller, die Hand in Hand arbeiteten. Der Film war eine Offenbarung für mich — eine Offenbarung wie die Herrentoilette im linken Seitenraum des Foyers.
Wir ließen uns vom Strom der Zuschauer ins Freie treiben. Der Film hatte in mir eine Art patriotische Glut entfacht, die noch Nahrung bekam durch das Glühen der Stadt. Das letzte Viertel von Manhattans vierstündiger Nachtbeleuchtung war angebrochen, und lauter künstliche Lampen glänzten den Broadway entlang wie abertausend angeschirrte Glühwürmchen. Sogar die Skelette der antiken Wolkenkratzer schienen mit elektrischem Leben infiziert. Unzählige Kutschen und Droschken fuhren vorbei, und scharlachrote Kreuzfahnen, die von Dachtraufen und Fensterstürzen hingen, bauschten sich in einer milden Brise. Ich sagte Julian, wie beeindruckt ich sei, und bat ihn um Nachsicht, weil ich alles, was er mir über New York City und die Filme vorgeschwärmt hatte, für übertrieben gehalten habe.
»Na ja, die Inszenierung war ganz gut«, meinte er. »Alles in allem ein sehr netter Abend.«
»Ganz gut! Gibt es denn noch bessere Filme?«
»Ich habe ein paar gesehen, die besser waren.«
»Gut?«, fragte Calyxa skeptisch. »Das aus dem Mund eines Agnostikers? Der Film mag ja ganz hübsch sein, aber ist Eula nicht eine Beleidigung deiner Grundüberzeugungen?«
»Danke der Nachfrage«, sagte Julian. »Nein, beleidigt fühle ich mich eigentlich nicht. Wenn ich ein Agnostiker bin, Calyxa, dann nur, weil ich auch Realist bin.«
»Der Film hatte nichts Realistisches — das war noch simpler als die Geschichten in den Dominion-Broschüren.«
»Meinetwegen — historisch war der Film schwach und propagandistisch —, aber was erwartest du? Du hast doch das Prüfsiegel gesehen? Willst du als Filmemacher vorankommen, musst du dein Drehbuch dem Kulturausschuss vorlegen. Realistisch betrachtet sind diese Produktionen keine Kunstwerke, weil der Künstler nicht das Sagen hat. Aber Aufbau, Rhythmus, Dialog, Kamera und Harmonie zwischen Leinwand und Vertonung — alles, was ein Filmemacher tatsächlich gestalten kann, war über jeden Tadel erhaben.«
»Über jeden Tadel erhaben«, sagte Calyxa, »abgesehen von dem, was zählt.«
»Willst du damit sagen, dass Singen nicht zählt?«
»Hmm … gesungen wurde schön, zugegeben … und für den Text können die Sänger ja nichts.«
»Siehst du.«
»Also war das Ganze ein schönes, aber dummes Machwerk. Ein bisschen weniger dumm wäre doch schöner gewesen?«
»Einverstanden. Ich würde liebend gern einen Film machen, der nicht bloß schön, sondern auch durchdacht und ehrlich ist. Ich habe oft darüber nachgedacht. Aber die Welt ist nicht so eingerichtet. Ich bezweifle, ob irgendein Mensch in der Lage ist, sich in solchen Dingen gegen das Dominion durchzusetzen, bis auf den Präsidenten vielleicht.« Dann, als sei er über seinen Gedanken erschrocken, zwinkerte Julian und lächelte. »Was man natürlich von Deklan Comstock nicht erwarten kann.«
»Nein«, sagte Calyxa und forschte in seinem Gesicht. »Nein, nicht von Deklan Comstock.«
Am nächsten Morgen ließ ich Calyxa schlafen und machte mich auf den Weg zum Verleger des Spark und der Abenteuer des Captain Commongold, eines jugendlichen Helden am Saguenay.
Ich hatte nichts Tödlicheres dabei als meine schwelende Empörung, geschürt durch die Mut- und Opferszenen des Films gestern Abend. Ich würde den Dieben die Stirn bieten, und weil ich das Recht so offensichtlich auf meiner Seite hatte, würden sie so klein mit Hut sein. Ich weiß nicht, wieso ich mir derart übertriebene Ergebnisse aus der bloßen Berufung auf Justitia versprach. Das Diesseits entsprach nur selten solchen Erwartungen.
59
Ob man um diese Abmachung gefeilscht hatte oder nicht, ließ der Film offen.
60
Obgleich sich nur ein Volltrottel durch seine Grimassen hätte täuschen lassen.
Die Damen im Publikum fühlten sich durch gewisse Broadway-Intellektuelle gestört, deren Rufe »Gut so — bleib allein, wenn du kannst!« rasch unterdrückt wurden.
61
Ein historischer Irrtum, denn die Nordstaaten gehörten zur Zeit des