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Es gab einen jähen Lichtblitz, gefolgt von einem Donnerschlag — aber der Diakon war unversehrt —, das Feuerwerk auf der Great Lawn hatte begonnen. Die Kapelle war verstummt, und alle strömten mehr oder weniger befreit ins Freie.

Die Nacht war warm. Über dem Regierungspalast krachte und prasselte das Feuerwerk zum Unabhängigkeitstag. Calyxa saß neben mir, sie war noch außer Atem; ich war stolz auf sie, aber ich war auch in Sorge.

Wahrscheinlich konnte ich das Prüfsiegel für die Abenteuer des Captain Commongold (alias Julian Comstock) vergessen. Na, wenn schon, das Heft verkaufte sich auch so ganz gut. Eines stand fest, falls Deklan Comstock die Absicht gehabt hatte, Calyxa zu demütigen, dann hatte er sie gewaltig unterschätzt.

Für die Dauer des Feuerwerks saßen wir auf einer hölzernen Tribüne. In einer abgesperrten Loge saßen der Präsident und ein paar enge Vertraute, unter ihnen zu meinem Leidwesen Diakon Hollingshead. Calyxa und ich saßen mit Julian, Sam und Mrs. Comstock bei den weniger bedeutenden Eupatriden.

»Bei solchen Ereignissen gibt es immer Kleinigkeiten, die einem zu denken geben«, sagte Sam mit gesenkter Stimme. »Wer ist geladen, wer nicht — wer redet mit wem — wer lächelt, wer runzelt die Stirn —, alles kann man deuten, gerade so wie jemand, der aus den Karten prophezeit.«

»Und was prophezeist du?«, wollte ich wissen.

»Der Großadmiral ist nicht da. Das ist ungewöhnlich. Es gibt keine Repräsentanten der Kalifornischen Armee — reichlich ominös. Das Dominion wird bevorzugt. Der Senat wird übergangen.«

»Ich wüsste nicht, was ich daraus ableiten sollte.«

»Warten wir, bis der Präsident das Wort ergreift. Dann fällt die Axt, Adam — falls sie fällt.«

»Buchstäblich oder sprichwörtlich?«, fragte ich ängstlich.

»Bleibt abzuwarten«, sagte Sam.

Das war alarmierend; aber da ich keinen Einfluss auf die präsidialen Machenschaften hatte, versuchte ich wenigstens das Feuerwerk zu genießen. Der chinesische Botschafter hatte als Geschenk für den Präsidenten die Einfuhr pyrotechnischer Spezialitäten aus seiner Republik veranlasst. Die Chinesen sind nämlich in allem, was mit Waffen und Schießpulver zu tun hat, einsame Experten. Und so leistete die Anwesenheit und offenkundige Großzügigkeit ihres Botschafters dem Gerücht Vorschub, Deklan Comstock beabsichtige — sozusagen als Replik auf das chinesische Geschütz der Deutschen —, modernes Kriegsgerät aus China zu kaufen.[72]

Somit war das himmlische Spektakel die beste Reklame für chinesische Wertarbeit. Noch nie hatte ich solche feurigen Kapriolen gesehen. Oh, in Williams Ford hatten wir auch Feuerwerke abgebrannt — wirklich schöne, und ich war als Junge begeistert gewesen. Aber das hier war ein paar Nummern größer. Die warme Sommerluft roch nach Kordit, und der Nachthimmel barst und prasselte — Magische Sternexplosionen, Blaues Feuer, Wirbelnde Salamander, Donnerkeile. Fast so laut wie ein Artillerieduell. Ich musste mich zusammennehmen, wenn Geräusche und Gerüche unliebsame Erinnerungen weckten. Der Winter in Chicoutimi. Ich fror. Calyxa legte mir tröstend den Arm um die Schulter.

Nach einer guten halben Stunde endete das Schauspiel mit einem Feuerkreuz, das wie der Segen eines pyromanischen Engels über Süd-Manhattan hing. Die Kapelle spielte The Star-Spangled Banner. Die versammelten Eupatriden applaudierten nach Kräften; und dann war es an der Zeit, dass Deklan Comstock seine abschließende Rede hielt.

Der Regierungspalast war voll elektrifiziert, für die Generatoren zeichneten die klügsten Ingenieure Amerikas verantwortlich. Die Bühne, die man eigens für den Präsidenten errichtet hatte, war in grelles Kunstlicht gebadet.65 Er stieg die hölzernen Stufen hinauf, trat hinter das Rednerpult und stützte sich mit beiden Armen ab. Dann sah er auf und begann zu sprechen.

Er fing an mit Bibelzitaten und Gemeinplätzen, die zum Festtag passten. Er sprach über die Nation und wie sie durch Rebellion gegen das gottlose britische Empire entstanden sei. Er zitierte den großen patriotischen Philosophen des 19. Jahrhunderts, Mr. John C. Calhoun. Er schilderte, wie Öl und Atheismus die ursprüngliche Nation verdorben hätten und wie die sogenannte Rekonstruktion direkt nach der Falschen Drangsal die politischen Verhältnisse neu geordnet hätte. Er sprach von den beiden großen Generälen, die in nationalen Krisen als Präsidenten amtiert hätten, Washington und Otis, und warf mit ihren Namen um sich, als sei er mit den beiden zur Schule gegangen.

Und damit war er endlich bei seinem Thema: Krieg. Seine Stimme bekam Farbe, und seine Gesten zeugten von Engagement.

»Dauerhafter Frieden ist ein Traum«, sagte er, »sosehr wir uns nach Frieden sehnen — es herrscht Krieg! Krieg ist ein integraler Bestandteil der göttlichen Ordnung. Ohne Krieg würde die Welt in Egoismus und Materialismus versinken. Der Krieg ist gleichsam das Depot der Ehre, und wer von uns könnte eine Welt ohne den himmlischen Luxus der Ehre ertragen? Jener Glaube verdient besonderes Vertrauen und besondere Zuneigung, der einen Soldaten bewegt, sein Leben in blindem Gehorsam wegzuwerfen — für eine Sache, die er kaum versteht; auf einem Feldzug, von dem er kaum Ahnung hat; unter einer Strategie, die ihm nichts sagt.[73] Auf dem Schlachtfeld, wo die Laune einer Kugel oder das Schwanken eines Bajonetts über Leben oder Tod entscheidet, ist das Leben in seinem Element und läuft zur Hochform auf.«

»Der Tod aber auch«, sagte Julian, doch Sam legte den Finger an die Lippen.

»In Labrador«, erklärte Deklan der Eroberer, »hatten wir bemerkenswerte Erfolge und ein paar bedauerliche Misserfolge. Ich muss nicht hinzufügen, dass es keinen Krieg ohne Rückschläge gibt. Nicht jeder Feldzug kann zu einem erfolgreichen Abschluss gebracht werden. Aber in den letzten Monaten weist die Anzahl der Misserfolge auf eine erschreckende Möglichkeit hin. Ich meine die Möglichkeit, dass in der Laurentischen Armee Verräter am Werke sind.« Der ganze Habitus des Präsidenten wurde plötzlich grimmig und unerbittlich, und seine Zuhörer zogen die Köpfe ein. »Daher habe ich heute drastische Maßnahmen ergriffen, um unsere Streitkräfte zu konsolidieren und zu optimieren. Mehrere Generalmajore — ich will sie hier nicht beim Namen nennen — werden während dieser Rede unter Arrest gestellt. Sie werden öffentliche Verfahren und ausreichend Gelegenheit bekommen, ihre Kollaboration mit den Deutschen zuzugeben und ihrer Zerknirschung Ausdruck zu verleihen.«

Sam stöhnte leise, denn unter den anonymen Generalmajoren waren höchstwahrscheinlich Männer, die er kannte und respektierte.

»Die Positionen dieser Verräter«, fuhr Deklan der Eroberer fort, »werden mit Männern besetzt, die sich im Kampf qualifiziert haben. Und daher können wir uns mit neuer Zuversicht der Aufgabe widmen, endlich unsere Herrschaft über diesen gottgefälligen Kontinent zu festigen und unseren Anspruch auf den strategisch wichtigen Wasserweg im Norden durchzusetzen.«

Er trank einen Schluck Wasser. Ohne Feuerwerk war die Nacht mit einmal sehr finster.

»Doch es gibt nicht nur Schlechtes zu berichten. Keineswegs! Wir waren auch erfolgreich. Ich erinnere nur an den Saguenay-Feldzug und die Befreiung von Chicoutimi aus den Händen der mitteleuropäischen Besatzer. Und lassen Sie mich — ich gebe zu, nicht ganz ohne familiären Stolz — wiederholen, dass mein eigener Neffe Julian eine Schlüsselrolle in dieser Schlacht gespielt hat.«

Hier lächelte der Präsident wieder und hielt nach Applaus heischend inne, den ihm die nervösen Eupatriden auch sofort zollten.

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72

Zum Krieg in Labrador nahmen die Chinesen offiziell eine neutrale Haltung ein, womit sie ihre potenzielle Kundschaft verdoppelten. 65 Das Licht zog Schwärme von Insekten an, die ein wahres Ballett vollführten; nicht lange, und es kamen die ersten Fledermäuse dazu, angelockt durch den Überfluss an Nahrung. In der Luft schien sich noch ein anderes Festmahl anzubahnen, jetzt, da das unsere schon fast verdaut war.

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73

Eine knappe und zutreffende Beschreibung der Situation in Labrador, wie ich sie empfand.