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»Nein — oder nur zum Teil. Und bitte, Adam — du bist vielleicht entsetzt, wenn du hörst, was ich ihm zu sagen habe; aber das Gelingen meines Plans hängt wesentlich davon ab, dass du mich, solange Langers im Zimmer ist, nicht unterbrichst oder korrigierst.«

Einen so strengen Ton schlug er mir gegenüber nur selten an; doch ich machte mir klar, dass wir uns im Krieg befanden und belagert wurden und er der Generalmajor war und nicht ich. Ich versprach, keine unpassenden Bemerkungen zu machen, und brannte natürlich vor Neugier.

Wir zitterten, weil Julian nur sparsam heizte. Nach einer knappen halben Stunde wurde Langers ins Zimmer geschubst. Er zitterte auch, aber vermutlich nicht nur der Kälte halber. »Sir?«, sagte er mit einem ängstlichen Blick auf Julian.

Julian setzte seine autoritärste Miene auf.[81] »Bitte nehmen Sie Platz, Soldat.«

Langers wählte einen Sessel am Ofen. »Sie haben mich rufen lassen, Sir?«

»Offensichtlich, denn da sind Sie. Nun, man hat sich über Sie beschwert, Soldat.«

Langers — der sich fraglos an den Saguenay-Feldzug und die schmerzhafte Angelegenheit mit dem Glückstopf erinnerte — sank in sich zusammen vor Schreck, und sein Blick wurde noch verstohlener und argwöhnischer, als er es ohnehin schon war. »Der Vorwurf ist unbegründet«, sagte er leise.

»Sie kennen ihn ja noch gar nicht.«

»Ich weiß, er ist unberechtigt, Sir, weil mein Verhalten über jeden Tadel erhaben ist. In den letzten Wochen habe ich ausschließlich im Feldlazarett gearbeitet und die Kranken und Sterbenden getröstet.«

»Darüber hat man mich in Kenntnis gesetzt«, sagte Julian, »und ich würde Sie sogar loben für Ihren Einsatz — wenn da nicht diese andere Sache wäre.«

»Welche andere Sache?«, wollte Langers mit schlecht gespielter Empörung wissen.

»Ein Regimentskommandeur hat mehrere verdächtige Dinge unter Ihrem aufgerollten Bettzeug entdeckt. Darunter eine stattliche Anzahl Goldringe und Lederportemonnaies.«

»Und?«, sagte Langers, obwohl er rot anlief. »Ein Mann darf doch ein paar Andenken haben, oder?«

»Nein, darf er nicht — nicht, wenn diese Sachen von tödlich Verwundeten als vermisst gemeldet werden. Ich habe die belastende Aussage eines Lazarettarztes, der gesehen hat, dass Sie die rechte Hand wie zum Segen erhoben hatten, während die linke ein Portemonnaie aus der Tasche des Opfers zog. Und was die Ringe angeht, normalerweise werden solche Schmuckstücke den trauernden Witwen geschickt und verschwinden nicht unter dem Bettzeug falscher Diakone.«

»Sehen Sie, ich …«, hob Langers an und stockte. Die Beweise waren erdrückend und Leugnen zwecklos. Sein von Natur aus langes Pferdegesicht schien noch länger zu werden. »Sir, das Lazarett ist ein furchtbarer Ort — das beschädigt den Verstand — vielleicht waren es die Umstände, die mich …«

»Ja, vielleicht. Oder eben doch nur Ihre Habgier. Aber keine Sorge, Soldat. Ich habe Sie nicht kommen lassen, um Sie zu beschimpfen oder zu bestrafen. Nein, ich will Ihnen Gelegenheit geben, Ihre Schandtat wiedergutzumachen.«

Langers war nicht so naiv, nach diesem Strohhalm zu greifen, ohne sich kurz zu vergewissern. »Sie können auf mich zählen, Sir — wiedergutmachen, wie meinen Sie das, Sir?«

»Geduld. Bevor wir fortfahren, muss ich einen Brief diktieren. Adam, bist du bereit?«

Ich unterdrückte mein Erstaunen über den Verlauf der Unterredung und sagte: »Ja, sicher, Julian — ich meine, General Comstock.«

»Gut.« (Meine Finger schwebten über den Tasten.) »Schreibe eine Kopfzeile mit Datum und Absender — also Generalmajor Comstock, Hauptquartier, Laurentische Armee, Nördliche Division, Striver, Lake Melville, Ost-Labrador usw.« Ich tippte und tippte. Meine Schreibfertigkeit war ungleich besser als bei meinen ersten »Gehversuchen«, und ich war stolz auf mein Tempo, obwohl es sicher noch steigerungsfähig war. »Der Adressat ist Major Walton, Generalhauptquartier, Neufundland.«

Dann diktierte Julian den eigentlichen Text, den ich hier wiedergeben werde, solange er mir noch frisch im Gedächtnis ist, einschließlich der ungewöhnlichen Großschreibung, wo immer Julian sie verlangte:

Sie sollen wissen, dass ich mich nach reiflichen Überlegungen und angesichts der Tatsache, dass ich vom Feind umzingelt bin und unter anhaltendem Artilleriebeschuss liege, dazu durchgerungen habe, den MECHANISMUS einzusetzen, von dem wir inständig gehofft hatten, dass er in einer zivilisierten Kriegsführung nie zur Anwendung kommen würde. Diese Entscheidung fällt mir nicht leicht. Dieser Krieg ist ohnehin brutal, und ich trage schwer daran, ihn noch unmenschlicher zu machen, indem ich eine so grausame ERFINDUNG zum Einsatz bringe. Es ist nicht der SOFORTIGE Tod zahlloser feindlicher Soldaten, der mich abschreckt, denn das liegt in der Natur des Krieges, sondern vielmehr das Wissen um die SCHLEICHENDE WIRKUNG, die erst nach qualvollen Stunden oder Tagen zum Tode führt. Sie wissen, dass ich mich im Kreise der Verantwortlichen immer wieder gegen die Anwendung dieser WAFFE ausgesprochen habe, die so tückisch in ihrer Wirkungsweise ist, dass es jeden eingeweihten Christen kalt überläuft. Aber ich befinde mich in einer Lage, die keinen anderen Ausweg zulässt. Meine Armee ist in Bedrängnis geraten, und wir können weder auf NACHSCHUB noch auf VERSTÄRKUNG hoffen. Tausende treu ergebener Soldaten sehen dem Hungertod entgegen, und ich kann es nicht verantworten, sie der mitteleuropäischen Armee auszuliefern. Daher bin ich fest entschlossen, alles zu tun, was in meiner Macht steht, um meine Truppen, oder wenigstens einen Teil von ihnen, in Sicherheit zu bringen, auch wenn dieser Krieg dadurch noch TEUFLISCHER wird. Ich stelle Ihnen anheim, den Generalstab und den Oberbefehlshaber der amerikanischen Streitkräfte über mein Vorgehen in Kenntnis zu setzen. Gott möge mir verzeihen. BETEN SIE FÜR UNS, Major Walton! Wir handeln in den nächsten Tagen.

»Und dann noch die übliche Grußformel«, sagte Julian und ignorierte meinen vor Verblüffung offen stehenden Mund. Verblüfft war ich nicht bloß über den Inhalt des Briefes, sondern auch über den ungewöhnlich klerikalen Ton, in dem er abgefasst war. »Gib mir den Brief zum Unterzeichnen. Danke, Adam.«

Ich tat, worum er mich bat, obwohl ich meine Fragen und Befürchtungen kaum noch zurückhalten konnte.

»Was hat diese Angelegenheit mit mir zu tun?«, wollte Langers wissen. »Lauter grässliches Zeug, von dem ich nichts weiß!«

»Natürlich wissen Sie nichts davon; aber eine Nachricht, die ankommen soll, muss auch überbracht werden. Und das ist Ihre Aufgabe, Soldat Langers. Der Brief wird in eine Umhängetasche genäht. Sie bringen die Tasche über die deutschen Linien zu den amerikanischen Festungen an den Narrows und händigen sie persönlich dem ranghöchsten Offizier aus.«

»Über die deutschen Linien?« Langers’ Augen waren so groß wie Comstock-Dollars.

»Ganz recht.«

»Unmöglich«, fuhr Langers auf; und diesmal war ich auf seiner Seite, hielt aber wie versprochen den Mund.

»Ja, vielleicht«, sagte Julian, »aber ich brauche jemanden, der es versucht. Sie sind ziemlich gesund und haben, wie mir scheint, ein starkes Motiv, diese Aufgabe zu meistern. Sie haben die Wahl, Soldat Langers. Sie tun, was ich von Ihnen erwarte, oder Sie bleiben hier und stehen wegen Beraubung verwundeter Soldaten am Pranger.«

»Sie würden nichts über meinen Fehltritt verlauten lassen?«

»Und ob — bei der nächsten Sonntagsversammlung! Die Männer mögen keinen, der Traktate verhökert und sie bestiehlt, wenn sie am hilflosesten sind.«

»Aber man wird mich lynchen, wenn es herauskommt — in solchen Dingen sind sie wie Pastorentöchter!«

»Mich müssen Sie nicht überzeugen. Es liegt bei Ihnen.«

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81

Eine Kunst, die jeder Eupatride von Julians Format beherrscht: Sie besteht darin, die Welt und alle ihre Bewohner so anzusehen, als hafte ihnen ein leiser, übler Geruch an.