Und von neuem setzte sie mit dem Teppichklopfer hinter ihm drein.
„Hoho", schrie Karlsson. Er flog in die Diele hinaus, und dann tobte die Jagd weiter ins Wohnzimmer hinein und aus dem Wohnzimmer heraus, in die Küche hinein und aus der Küche heraus und ins Schlafzimmer hinein ...
„Hoho", schrie Karlsson.
„Ich werde dir was von wegen hoho", keuchte Fräulein Bock und machte einen besonders hohen Satz, um ihm mit dem Teppichklopfer eins überzuziehen. Aber sie hatte all die Möbel vergessen, die sie selbst im Schlafzimmer durcheinandergeschoben hatte, und als sie nun so hoch sprang, fiel sie mit dem Kopf voran über das kleine Bücherregal und landete mit Getöse auf dem Fußboden.
„Ho, jetzt gibt's wieder Erdbeben im nördlichen Norrland", sagte Karlsson.
Lillebror lief ängstlich zu Fräulein Bock hin.
„Oh, wie kam das?" fragte er. „Oh, armes Fräulein Bock!"
„Ich möchte mich aufs Bett legen, hilf mir bitte", sagte Fräulein Bock.
Und das tat Lillebror, er versuchte es zum mindesten. Fräulein Bock war jedoch so groß und schwer, und Lillebror war so klein. Er schaffte es nicht. Da kam Karlsson herabgeflogen.
„Das könnte dir so passen", sagte er zu Lillebror. „Ich darf doch wohl auch mit schleppen helfen. Denn ich bin der Bravste der Welt, das bist du nicht!"
Sie packten mit aller Kraft an, Karlsson und Lillebror, und zuletzt gelang es ihnen wirklich, Fräulein Bock aufs Bett zu helfen.
„Armes Fräulein Bock", sagte Lillebror. „Was haben Sie? Tut es Ihnen irgendwo weh?"
Fräulein Bock lag eine Weile schweigend da und schien nach-zufühlen.
„Ich habe sicher keinen heilen Knochen im Leibe", sagte sie schließlich. „Aber es tut nicht eigentlich weh - außer wenn ich lache."
Und dann fing sie an zu lachen, daß das Bett wackelte.
Lillebror schaute sie angstvoll an. Was war in sie gefahren?
„Man kann sagen, was man will", sagte Fräulein Bock. „Ein paar tüchtige Geschwindmärsche habe ich heute abend machen müssen, und, du guter Moses, wie einen das aufmöbelt!"
Sie nickte nachdrücklich.
„Wartet nur ab! Frieda und ich machen im Hausfrauen verein Gymnastik. Und wartet nur bis zum nächstenmal, dann wird Frieda sehen, wie unsereins rennen kann."
„Ho", sagte Karlsson, „nimm den Teppichklopfer mit, dann kannst du Frieda durch den ganzen Turnsaal jagen und sie auch aufmöbeln."
Fräulein Bock sah ihn streng an.
„Du hast den Mund zu halten, wenn du mit mir redest! Schweig und geh raus und hol ein paar Fleischklöße für mich!"
Lillebror lachte erfreut.
„Ja, man kriegt nämlich Appetit, wenn man rennt", sagte er.
„Und rate, wer der beste Fleischklößeholer der Welt ist."
Karlsson war schon unterwegs in die Küche. Mit einem voll-beladenen Tablett kam er zurück.
„Ich habe auch Apfelkuchen und Vanillesoße gefunden, die hab'
ich auch mit reingebracht, und dann ein bißchen gekochten Schinken und Käse und Mettwurst und eingelegte Gurke und ein paar Sardinen und ein bißchen Leberpastete. Aber wo in aller Welt hast du die Sahnetorte versteckt?"
„Sahnetorte ist nicht da", sagte Fräulein Bock.
Karlsson zog die Mundwinkel herunter.
„Da soll man also tatsächlich von ein paar Fleischklößen und Apfelkuchen und Vanillesoße und gekochtem Schinken und Käse und Mettwurst und eingelegter Gurke und ein paar kleinen, kümmerlichen Sardinen satt werden?"
Fräulein Bock sah ihn streng an.
„Nein", sagte sie mit Nachdruck. „Leberpastete ist ja auch noch dabei."
Darauf aßen Karlsson und Lillebror und Fräulein Bock auf dem Bettrand ein gutes kleines Nachtmahl. Lillebror konnte sich nicht entsinnen, daß irgendein Mahl so gut geschmeckt hätte.
Und sie hatten es so gemütlich, er und Karlsson und Fräulein Bock,
wie sie da alle drei beisammen saßen und futterten und kauten und sich unterhielten. Da rief Fräulein Bock mit einemmal aus:
„Guter Moses, Lillebror ist ja isoliert, und nun haben wir den da hereingelassen!"
Sie zeigte auf Karlsson.
„Nöö, wir haben ihn nicht hereingelassen. Der ist von selber gekommen", sagte Lillebror. Aber er war trotzdem besorgt.
„O weh, Karlsson, wenn du jetzt Scharlachfieber bekommst!"
„Umm, umm", sagte Karlsson, denn er hatte den Mund voller Apfelkuchen, und es dauerte eine Weile, bis er sprechen konnte.
„Scharlachfieber — hoho! Wer einmal das schlimmste Weckenfieber der Welt gehabt hat, ohne dabei draufzugehen, dem kann nichts was anhaben."
„Das hat also auch nichts genützt", sagte Fräulein Bock und seufzte.
Karlsson stopfte sich den letzten Fleischkloß in den Mund, dann leckte er sich die Finger ab und sagte:
»Mit den Eßvorräten hier im Hause ist es zwar nicht weit her, aber sonst fühle ich mich hier wohl. Ich werde mich daher wahrscheinlich auch hier isolieren."
„Guter Moses", sagte Fräulein Bock.
Sie warf einen zornigen Blick auf Karlsson und auf das Tablett, das jetzt ganz leer war.
„Wo du gewütet hast, da bleibt nicht viel übrig", sagte sie.
Karlsson erhob sich vom Bettrand. Er strich sich über den Bauch.
„Ich lasse nie was stehen", sagte er. „Außer dem Tisch. Der ist das einzige, was ich stehen lasse."
Darauf drehte er am Startknopf, der Motor begann zu brummen, und Karlsson flog schwerfällig auf das offenstehende Fenster zu.
„Heißa hopsa", rief er, „nun müßt ihr euch eine Weile ohne mich behelfen. Ich habe es jetzt eilig!"
„Heißa hopsa, Karlsson", sagte Lillebror. „Mußt du wirklich schon gehen?"
„Schon?" sagte Fräulein Bock grimmig.
„Ja, ich muß mich beeilen", schrie Karlsson, „sonst komme ich zu spät zum Abendbrot nach Hause! Hoho!"
Und weg war er.
Stolze Jungfrau, sie fliegt und sie schwebt
Am nächsten Morgen schlief Lillebror lange. Er wachte auf, weil das Telefon klingelte, und er sauste in die Diele und nahm den Hörer ab. Es war Mama.
„Geliebtes Kind - ach, wie schrecklich!"
„Was denn?" fragte Lillebror verschlafen.
„Was du alles in deinem Brief geschrieben hast. Ich bin wirklich sehr beunruhigt."
„Weshalb denn?" fragte Lillebror.
„Das kannst du dir doch denken", sagte Mama. „Mein armes Kind! Ich komme aber morgen nach Hause."
Lillebror wurde fröhlich und gleichzeitig hellwach. Wenn er auch nicht begriff, weshalb Mama ihn „ihr armes Kind" nannte.
Kaum hatte Lillebror den Hörer aufgelegt, da klingelte das Telefon von neuem. Es war Papa, der aus London anläutete.
„Wie geht es dir?" fragte Papa. „Sind Birger und Betty auch brav?"
„Das kann ich mir nicht denken", sagte Lillebror. „Aber ich weiß es gar nicht. Sie sind ja im Krankenhaus."
Papa wurde unruhig, das merkte man.
„Krankenhaus - was meinst du damit?"
Und als Lillebror erklärte, was er meinte, sagte Papa genau das gleiche wie Mama.
„Armes Kind - ich komme morgen nach Hause."
Dann war das Gespräch zu Ende. Aber gleich darauf läutete es schon wieder. Diesmal war es Birger.
„Du kannst den Hausbock und ihren alten Onkel Doktor grüßen.
Möglich, daß sie von allem anderen was verstehen, aber vom Scharlachfieber bestimmt nichts. Betty und ich kommen morgen nach Hause."
„Habt ihr denn kein Scharlachfieber?" fragte Lillebror.
„Denk bloß, haben wir nämlich nicht. Wir haben zu viel Kakao getrunken und Zimtwecken gegessen, sagt der Arzt hier. Von so etwas kann man Ausschlag kriegen, wenn man überempfindlich ist."
„Also ein typischer Fall von Weckenfieber", sagte Lillebror.
Aber Birger hatte schon aufgelegt.