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Fräulein Bock sah Lillebror mißbilligend an.

„Was willst du?" fragte sie, und ihre Stimme klang genauso unwirsch, wie sie selbst aussah.

Lillebror überlegte. Jetzt kam es darauf an, eine Unterhaltung in Gang zu bringen. Was in aller Welt sollte er aber sagen?

„Raten Sie mal, was ich mache, wenn ich ebenso groß bin wie Sie, Fräulein Bock", sagte er schließlich.

Im selben Augenblick vernahm er ein Brummen draußen vor dem Fenster, und dieses Brummen kannte er. Sehen konnte er Karlsson aber nicht. Das einzige, was er sah, war eine kurze dicke Hand, die hinter dem Fenstersims hervorkam und einen Zimtwecken von der Platte nahm. Lillebror kicherte. Fräulein Bock hatte nichts gemerkt.

„Was willst du denn machen, wenn du groß bist?" fragte sie ungeduldig. Wirklich wissen wollte sie es keineswegs. Sie wollte nur Lillebror so schnell wie möglich loswerden.

„Ja, raten Sie mal", sagte Lillebror.

Da sah er von neuem die kurze dicke Hand vorbeihuschen und einen Wecken von der Platte nehmen. Und Lillebror kicherte von neuem. Er versuchte, es zu lassen, aber es ging nicht. Es kam so viel Gekicher in ihm hoch, daß es nur so aus ihm heraussprudelte. Fräulein Bock sah ihn empört an. Sie fand, er sei tatsächlich der lästigste Junge der Welt.

„Raten Sie, was ich mache, wenn ich so groß bin wie Sie, Fräulein Bock", sagte er, und dann kicherte er abermals. Denn jetzt sah er, wie zwei kleine Hände den Rest der Zimtwecken von der Platte grapschten.

„Ich habe keine Zeit, hier herumzustehen und mir deine Dummheiten anzuhören", sagte Fräulein Bock, „und es ist mir einerlei, was du machen willst, wenn du groß bist. Solange du aber klein bist, sollst du artig und gehorsam sein und deine Schulaufgaben machen und aus der Küche verschwinden."

„Ja, gewiß", sagte Lillebror und kicherte so sehr, daß er sich gegen die Tür lehnen mußte. „Wenn ich aber so groß bin wie Sie, Fräulein Bock, dann mache ich eine Abmagerungskur, das ist mal sicher."

Fräulein Bock sah aus, als wollte sie gleich auf ihn losgehen, da aber war vom Fenster ein Brüllen zu hören wie von einer Kuh.

Sie drehte sich schnell um, und nun sah sie, daß die Zimtwecken nicht mehr da waren.

Fräulein Bock stieß einen Schrei aus.

„Du guter Moses, wo sind meine Wecken?"

Sie stürzte ans Fenster. Vielleicht meinte sie, sie würde einen Dieb davonrennen sehen mit dem ganzen Arm voller Wecken.

Aber Svantesons wohnten ja im vierten Stock, und so langbeinige Diebe gibt es nicht, das mußte sie schließlich wissen.

Fräulein Bock sank völlig entsetzt auf einen Stuhl.

„Ob es Tauben gewesen sind?" murmelte sie.

„Es klang eher wie eine Kuh", sagte Lillebror. „Vielleicht fliegt heute draußen eine Kuh herum, eine, die gerne Wecken frißt."

„Red nicht so ein dummes Zeug", sagte Fräulein Bock.

Da hörte Lillebror von neuem, wie Karlsson draußen vor dem Fenster vorbeibrummte, und damit Fräulein Bock es nicht hören sollte, begann er zu singen, so laut wie er konnte:

„Eine Kuh schwebt vom Himmel, fliegt am Fenster vorbei, sieht die Wecken dort stehen, und sie maust ein, zwei, drei."

Lillebror machte hin und wieder mit Mama zusammen Verse, und diesen hier von der Kuh fand er selber gut. Fräulein Bock fand das aber nicht.

„Schweig mit deinen Dummheiten!" schrie sie.

In diesem Augenblick hörte man drüben vom Fenster einen leisen Knall, so daß sie beide vor Schreck zusammenzuckten.

Und dann sahen sie, was da geknallt hatte. Auf dem leeren Kuchenteller lag ein Fünförestück.

Lillebror begann von neuem zu kichern.

„Was für eine famose Kuh", sagte er. „Die bezahlt ihre Wek-ken."

Fräulein Bock wurde rot vor Zorn.

„Was sind das hier für dumme Scherze", schrie sie und sauste ans Fenster. „Es muß jemand von der Wohnung über uns sein, der sich einen Spaß daraus macht, Wecken zu stehlen und Fünf-

örestücke herunterzuwerfen."

„Über uns ist keine Wohnung mehr", sagte Lillebror. „Wir wohnen ganz oben, dann kommt nur das Dach."

Fräulein Bock geriet ganz außer sich.

„Dann begreife ich nichts mehr", rief sie. „Ich begreife nichts."

„Nöö, das habe ich allerdings gemerkt", sagte Lillebror. „Aber machen Sie sich nichts daraus, alle können nicht gescheit sein."

Da klatschte eine Ohrfeige auf Lillebrors Wange.

„Ich werde dich lehren, unverschämt zu sein", schrie Fräulein Bock.

„Nöö, tun Sie das bloß nicht", sagte Lillebror, „sonst erkennt Mama mich nicht wieder, wenn sie heimkommt."

Lillebror hatte ganz feuchte Augen bekommen. Er war nahe daran, zu weinen. Noch nie in seinem Leben hatte er eine Ohrfeige bekommen. Er musterte Fräulein Bock mit zornigem Blick. Da packte sie ihn am Arm und schob ihn in sein Zimmer hinüber.

„Jetzt setzt du dich hier hin und schämst dich", sagte sie. „Ich schließe die Tür zu und ziehe den Schlüssel ab, dann bleibst du vielleicht eine Weile aus der Küche weg."

Sie sah auf ihre Armbanduhr.

„Eine Stunde genügt wohl, damit du wieder artig wirst. Ich komme um drei Uhr und schließe wieder auf. Bis dahin kannst du darüber nachdenken, wie man sich entschuldigt."

Und dann ging Fräulein Bock. Lillebror hörte, wie sie den Schlüssel umdrehte. Jetzt war er eingeschlossen und konnte nicht hinauskommen. Es war ein scheußliches Gefühl. Er sprühte vor Zorn. Aber ein bißchen schlechtes Gewissen hatte er doch, denn er hatte sich auch nicht gerade fein betragen. Mama hätte bestimmt gesagt, er habe den Hausbock gereizt und sei frech gewesen.

Mama, ja - er überlegte, ob er nicht doch ein bißchen weinen sollte.

Aber da hörte er ein Brummen, und zum Fenster herein kam Karlsson.

Karlsson lädt zum Weckenschmaus ein

 „Wie wäre es denn mit einer kleinen Zwischenmahlzeit?" fragte Karlsson. „Kakao und Wecken auf meinem Treppenvorplatz —ich lade ein!"

Lillebror sah ihn nur an. Oh, keiner war so wunderbar wie Karlsson! Lillebror hätte ihn am liebsten umarmt. Das versuchte er auch, aber Karlsson schubste ihn nur weg.

„Ruhig, nur ruhig! Du bist jetzt nicht bei deiner Großmutter. Na, kommst du mit?"

„Und ob", sagte Lillebror. „Eigentlich bin ich ja eingeschlossen.

Eigentlich sitze ich sozusagen im Gefängnis."

„Denkt der Hausbock, ja", sagte Karlsson. „Und das kann sie ruhig noch ein Weilchen denken."

Seine Augen begannen zu funkeln, und er machte ein paar kleine, zufriedene Hüpfer vor Lillebror.

„Weißt du was? Wir spielen, daß du in einem Gefangenenloch sitzt und es furchtbar hast mit einem ekelhaften Hausbock als Gefangenenwärter, und dann kommt ein riesig mutiger und starker und schöner und ziemlich dicker Held und rettet dich."

„Welcher Held denn?" fragte Lillebror. Karlsson sah ihn vorwurfsvoll an.

„Rate doch mal, wenn du kannst!"

„Ach so, du", sagte Lillebror. „Aber dann finde ich, du könntest mich jetzt gleich retten."

Dagegen hatte Karlsson nichts einzuwenden.

„Der Held, der ist ja so forsch", versicherte Karlsson. „Schnell wie ein Habicht, ja, wahrhaftig, und mutig und stark und schön und ziemlich dick, und er kommt angewetzt und rettet dich und ist der mutigste Mann der Welt. Hoho, hier kommt er!"

Karlsson packte Lillebror und stieg schnell und mutig in die Lüfte. Bimbo bellte, als er Lillebror zum Fenster hinaus ent-schwinden sah, aber Lillebror rief:

„Ruhig, nur ruhig! Ich komme bald zurück."

Oben auf Karlssons Treppenvorplatz lagen zehn Wecken in einer Reihe nebeneinander und sahen prächtig aus.

„Alle ehrlich bezahlt, jeder einzelne", sagte Karlsson. „Wir teilen gerecht, du bekommst sieben, und ich bekomme sieben."