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Sie gelangten in den Keller, der deutlich besser beleuchtet war als in Alexandras Traum. Unbehagen machte sich in Alexandra breit, als sie sich dem angrenzenden Kellerraum näherten. Und fast meinte sie, wieder Wildens drohende Stimme zu hören: Du bist einfach zu neugierig …

Alexandra räusperte sich, weil sie glaubte, seine Hände um ihren Hals zu spüren.

Ein Schauer kroch ihr den Rücken herunter, und ihr stockte der Atem, als Bruder Johannes die Tür öffnete, die so in den Angeln quietschte, dass es ihr in den Ohren wehtat.

16. Kapitel

Mit einem Laut der Erleichterung ließ Alexandra die angestaute Luft entweichen. So unsinnig es auch war, hatte sie einen Moment befürchtet, wieder in ihrem Albtraum gefangen zu sein und von der Teufelskatze angesprungen zu werden. Aber nichts geschah. Mit ruhigen Schritten ging Bruder Johannes vor ihnen in den nächsten Raum, wo er das Licht einschaltete. Mehrere Neonröhren erwachten flackernd zum Leben und tauchten den Gewölbekeller in kaltes bläuliches Licht.

Dieser Kellerraum wies keinerlei Ähnlichkeit mit dem aus ihrem Albtraum auf, was Alexandra mit großer Erleichterung erfüllte. Anstelle von Steinsärgen wurden die Wände von langen Regalreihen beansprucht, in denen sich Kartons über Kartons stapelten.

Tobias blieb vor einem der Regale stehen und studierte die Beschriftung, die aus Zahlen-und Buchstabenkombinationen bestand. »Was ist da drin?«

»Das hier ist unser Archiv«, erklärte Bruder Johannes und machte eine allumfassende Handbewegung. »In den Kartons verwahren wir den Schriftverkehr mit allen möglichen Institutionen, kirchlichen wie weltlichen. Einiges davon ist ein paar Hundert Jahre alt.« Er drehte sich zu Alexandra um. »Es ist lange her, dass ich den Bestand geprüft habe, aber in den Regalen lagern sicher drei-, vierhundert Kisten. Ich weiß nicht, ob Sie hoffen, hier etwas zu finden, was mit Herrn Wildens Tod in Zusammenhang stehen könnte, doch ich halte es für sehr unwahrscheinlich. Er war nicht hier unten, und das sind Vorgänge, die sogar lange vor meiner Zeit abgeschlossen wurden. Alle aktuelleren Akten befinden sich entweder in der Verwaltung oder auf dem Speicher.«

Alexandra nickte. »Um ehrlich zu sein, ich wüsste nicht mal, wonach ich hier suchen sollte. Aber wir wollen uns ja auch nur einmal gründlich in diesem Keller umsehen, ob uns irgendetwas ins Auge fällt.« Sie bog in einen Seitengang ein und betrachtete die Bodenbretter. »Nein, ich glaube, in diesem Raum werden wir nicht fündig«, sagte sie schließlich. »Diese Kartons sind alle gleichmäßig mit Staub überzogen. Hätte der Täter hier kürzlich irgendetwas versteckt, das ihn überführen könnte, dann würde uns das sofort auffallen.«

Während sie redete, blickte sie aufmerksam umher, auf der Suche nach etwas, das vielleicht mit der hitzigen Diskussion der Brüder Dietmar und Siegmund zusammenhing. Doch ihr fiel nichts Verdächtiges auf. Hier war seit Jahren wirklich nichts angerührt worden. Alexandra war im hintersten Winkel des Raumes angelangt und wollte eben kehrtmachen, als sie auf dem Boden etwas bemerkte. Sie betrachtete ihre Entdeckung nur flüchtig, weil sie Bruder Johannes nicht darauf aufmerksam machen wollte. Sie beschloss, erst selbst hinter das Geheimnis der beiden Mönche zu kommen.

Sie musste versuchen, später noch einmal in den Keller zu gelangen und sich allein umzusehen. Immerhin wusste sie jetzt, wo die Kellerschlüssel aufbewahrt wurden. Irgendwie würde es ihr schon gelingen, sie an sich zu nehmen.

»Kommen Sie, es geht noch weiter«, sagte Bruder Johannes und ging zielstrebig zur nächsten Tür.

Alexandra drehte sich kurz zu Tobias um und zwinkerte ihm zu, um ihn wissen zu lassen, dass sie auf etwas gestoßen war. Er folgte ihr mit einem kleinen Schulterzucken.

Als sie den nächsten, deutlich kleineren Kellerraum betraten, entfuhr Alexandra ein leiser Schreckenslaut, standen doch hier vier Steinsärge, die denen aus ihrem Albtraum ähnelten. Aber der Raum wurde von Neonröhren recht gut ausgeleuchtet, sodass sich Alexandras Beklommenheit schnell verflüchtigte.

»Hier ruhen die Gebeine der Gründerväter unseres Klosters«, erläuterte Bruder Johannes und nannte die Namen der vier Mönche. »Dieser Raum ist sozusagen noch ein wenig heiliger als der Rest des Klosters.«

Tobias schaute sich in dem kleinen Kellerraum um. »Sieht nicht so aus, als hätte jemand diesen Ort entweiht.«

Sie gelangten in einen Korridor, der links vor einem Holzverschlag endete, wie man ihn in praktisch jedem Keller fand. »Was ist da drin?«, wollte Alexandra wissen.

»Unser Möbellager«, antwortete Bruder Johannes. »Da stapeln sich schon seit Jahren Tische und Stühle, außerdem Sitzbänke und Schränke in allen Größen.« Er ging hin und schloss das Vorhängeschloss auf, dann öffnete er die Tür. »Wer dort heutzutage noch etwas verstecken will, muss schon über besondere Fähigkeiten verfügen«, sagte er und winkte die beiden zu sich. Dann zeigte er auf die Wand aus

übereinandergestapelten Tischen. »Das ist das Werk einiger Theologiestudenten, die uns Mitte der Neunzigerjahre besucht hatten. Weil sie alle kräftige junge Männer waren, haben wir sie gebeten, die nicht benötigten Möbel doch in diesen Kellerraum zu schaffen. Sie haben ganze Arbeit geleistet, wie man sieht … und uns einen kleinen Streich gespielt. Als nur noch dieser letzte Fleck hier vorne frei war, haben sie mit vereinten Kräften die ineinander verschachtelt gestapelten Tische in die Höhe gestemmt und dann diesen Beistellschrank da unten in die entstandene Lücke geschoben. Wollte man den Schrank herausholen, müsste man erst einmal die Tische hochheben und fortschaffen. Dazu sind wir aber nicht in der Lage. Und wenn wir es versuchen würden, liefen wir Gefahr, unter dem zusammenbrechenden Turm aus Tischen begraben zu werden.«

»Da kann tatsächlich niemand etwas verstecken«, stellte Tobias fest.

Alexandra drehte sich um, und ihr Blick fiel auf eine Rampe, die vom Erdgeschoss bis hinunter in den Keller verlief. »Was ist das für eine Rampe?«

»Sie verbindet die Küche mit dem Vorratsraum da drüben, damit nicht alles umständlich über die Treppe nach unten und nach oben geschafft werden muss«, erklärte Bruder Johannes, der bereits die schwere Metalltür aufschloss. »Das ist allerdings das Reich von Bruder Dietmar und Bruder Siegmund. Die beiden haben die Küche unter sich. Das ist eine Sache, um die ich mich nicht kümmere.«

Alexandra nickte. Die Worte des Mönchs bestätigten ihren Verdacht, das Bruder Dietmar und Bruder Siegmund etwas hinter seinem Rücken trieben, das nichts mit vertauschter Bettwäsche zu tun hatte. Irgendetwas lief in der Küche des Klosterhotels ab, wovon Bruder Johannes nichts wissen durfte.

»Das ist der Vorratsraum«, sagte der Mönch, nachdem er das Licht eingeschaltet hatte. »Da drüben sind die Kühltruhen, dahinter lagert unser wertvolles Bier. Dort sind die Konserven, daneben das selbst Eingelegte … eben alles, was man in der Küche benötigt.«

»Darf ich einen Blick in die Kühltruhen werfen?«, fragte Alexandra.

Bruder Johannes zog argwöhnisch eine Augenbraue hoch. »Wenn Sie mögen …«

Alexandra trat zur ersten Kühltruhe und hob den Deckel an. »Alles in Ordnung«, sagte sie, als sie auch in die dritte Truhe einen prüfenden Blick geworfen hatte und zu den beiden Männern zurückkam. »Darin ist auch nichts versteckt worden, was uns weiterhelfen könnte. Jedenfalls nichts, was so offensichtlich ist, dass es mir ins Auge gesprungen wäre.« Als sie den Vorratsraum verließen, fiel ihr Blick auf eine Tür an der gegenüberliegenden Wand. »Wohin führt diese Tür?«

»Normalerweise ins Kellergewölbe der Kapelle«, ließ Bruder Johannes sie wissen. »Allerdings ist der Durchgang zurzeit geschlossen, weil die Kapelle renoviert wird. Es soll verhindert werden, dass jemand unbemerkt die Baustelle betritt und verletzt wird.« Er schloss die Tür auf, sodass sie im Schein der Neonröhren im angrenzenden Gang erkennen konnten, dass eine Holzwand den Weg in die Kapelle versperrte.