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Auch hier wanderte Alexandras Blick unauffällig zum Fußboden, so wie es in allen Kellerräumen der Fall gewesen war, seit sie im Archiv auf etwas aufmerksam geworden war. Ihr Nicken wirkte wie eine Reaktion auf Bruder Johannes’ Erklärungen. In Wahrheit jedoch fand sie eine Vermutung bestätigt. »Tja, das war jetzt alles sehr interessant«, sagte sie und sah unauffällig zu Tobias. »Aber ich glaube, hier ist nichts, das uns einen Hinweis auf Wildens Mörder geben könnte. Trotzdem herzlichen Dank, Bruder Johannes, dass wir uns hier umsehen konnten.«

»Das ist doch selbstverständlich«, erwiderte der Mönch.

Sie gingen die Rampe hinauf und gelangten durch eine weitere Tür, die von Bruder Johannes aufgeschlossen werden musste, in die Küche. Zwei Mönche waren eben damit beschäftigt, das benutzte Frühstücksgeschirr zu spülen. Die beiden drehten sich um und murmelten überrascht einen Gruß, doch dann widmeten sie sich gleich wieder ihrer Arbeit.

Bruder Johannes führte sie durch den Speisesaal zurück ins Foyer, dann hängte er den Bund mit den Kellerschlüsseln zurück an das Schlüsselbrett hinter dem Empfangstresen.

»Kann ich sonst irgendetwas für Sie tun, um Ihnen bei Ihren Nachforschungen behilflich zu sein?«, wollte er wissen. Alexandra kam es so vor, als wirkte er ein wenig bekümmert.

»Im Augenblick nicht«, antwortete sie. »Aber machen Sie sich deshalb keine Vorwürfe, wenn das der Grund für Ihre etwas … bedrückte Stimmung ist.«

»Oh, nein, obwohl ich zugeben muss, dass es mir sehr zusetzt, dass in unserem Klosterhotel ein Mann zu Tode gekommen ist und ein Tier vergiftet wurde und es uns nicht gelingt, den Täter zu fassen. Ehrlich gesagt plagt mich die Angst, der Mörder könnte abermals zuschlagen.« Er stockte. »Musste er nur Herrn Wilden töten, oder steht auf seiner Liste noch ein anderer Name? Hatte er von vornherein vor, Kater Brown zu vergiften? Oder ist ihm der Kater bei irgendetwas in die Quere gekommen? Muss in diesem Haus noch jemand um sein Leben bangen?« Er seufzte. »Wenn Sie etwas über Kater Browns Zustand erfahren, sagen Sie mir bitte Bescheid, ja?«

»Das werden wir«, versicherte Tobias ihm.

Kaum hatte der Mönch das Foyer verlassen, sah sich Alexandra aufmerksam um. Am Empfang versah Bruder Andreas im Augenblick den Dienst, und es war unmöglich, den Bund mit den Kellerschlüsseln unbemerkt an sich zu bringen. Es war nicht einmal neun Uhr, verriet ihr ein Blick auf die Uhr. »Komm, setzen wir uns draußen noch einen Moment auf die Bank. Vor neun möchte ich nicht in der Praxis anrufen. Und wenn wir zurückkommen, sehen wir uns noch einmal auf eigene Faust im Keller um.«

Tobias verzog den Mund zu einem schiefen Grinsen. »Wie du meinst. Ich nehme ja an, dass ich früher oder später eine Erklärung nachgereicht bekomme.«

»Wenn du lieb bist …«

Die Luft war noch nicht allzu warm, und die Bank, die an dem schmalen Weg zur Kapelle stand, wurde nur zum Teil von der Sonne beschienen. Alexandra wählte den Platz im Schatten und sah überrascht zu, wie Tobias sich neben sie setzte und gelassen die Beine übereinanderschlug.

»Ich kann warten«, sagte er. »Früher oder später wirst du’s mir erzählen. Weil du sonst noch platzt.« Er lachte und zwinkerte ihr zu. »Nein, im Ernst, ich finde, wir zwei sind ein gutes Team. Wir sollten öfter zusammenarbeiten.«

Sie warf ihm einen verwunderten Blick zu. Doch bevor sie etwas erwidern konnte, kam Tina Wittecker auf sie zugestöckelt.

»Hallöchen, zusammen«, rief sie fröhlich. »Nanu, Sie gönnen sich eine Pause? So müßig kenne ich Sie ja gar nicht.«

»Wir warten darauf, in der Tierarztpraxis anrufen zu können«, erklärte Alexandra. »Und welche ›Entschuldigung‹ haben Sie, dass Sie schon wieder den Kloster-Unterricht schwänzen?«

»Ich habe keine Lust auf gemeinschaftliches Drachensteigen. Die Übung soll den Teamgeist stärken. Und gegen dieses Wort bin ich inzwischen allergisch. Schon zu Wildens Zeiten wurde es überstrapaziert, und Assmanns Vortrag gestern Abend handelte auch von Teamfähigkeit und dem ganzen Blabla. Mir reicht’s erst mal.«

Tobias schmunzelte. »Kurt Assmann wird nicht begeistert sein, dass Sie den Kurs sausen lassen …«

»Pah, der soll schön still sein, der Faulpelz. Scheint ja selbst immer noch im Bett zu liegen und zu schlafen. Jedenfalls hat er sich bisher noch nicht blicken lassen.«

Nein, in seinem Zimmer ist er nicht, wollte Alexandra erwidern, biss sich aber auf die Zunge. »Vielleicht hat er ja … heute Morgen schon ganz früh das Haus verlassen, um irgendetwas zu erledigen«, sagte sie stattdessen vage und ließ Tina Wittecker nicht aus den Augen.

»Nein, das kann nicht sein. Seine Angeberkarre steht ja dahinten.« Tina zeigte über die Wiese hinweg zum Parkplatz.

»Oh, tatsächlich.« Mit leisem Erschrecken stellte Alexandra fest, dass Assmanns Cabrio tatsächlich dort parkte, wenn auch nicht da, wo Assmann ihn am Samstagmittag abgestellt und wo sie ihn am Vorabend vergeblich gesucht hatte. Der Sportwagen parkte am hinteren Ende des Parkplatzes, halb verborgen vom Transporter des Klosterhotels.

Alexandra wechselte einen alarmierten Blick mit Tobias. Dann hatte Kurt Assmann allem Anschein nach das Gelände ja gar nicht verlassen, um den Laptop in Empfang zu nehmen! Ein unbehagliches Gefühl überkam Alexandra, da sie unwillkürlich daran denken musste, mit welcher Verschwörermiene die leitenden Angestellten beim Frühstück beisammengesessen hatten.

»Na, der wird schon irgendwann auftauchen«, sagte Tina und fügte im Weitergehen augenzwinkernd hinzu: »Im Brunnen liegt er jedenfalls nicht, da habe ich schon nachgesehen.«

Tobias schüttelte amüsiert den Kopf, Alexandra fand die Bemerkung jedoch gar nicht lustig, enthielt sich aber jeden Kommentars. Stattdessen wählte sie noch einmal Assmanns Handynummer. Es klingelte, doch auch diesmal meldete der Mann sich nicht. Wenn er nach ihrer Rückkehr von Dr. Paressi immer noch nicht aufgetaucht war, würden sie etwas unternehmen müssen …

Es war kurz nach zehn, als sie vor der Tierarztpraxis in Echternacherbrück vorfuhren. Sie hatten diesmal Alexandras Wagen genommen, die die Strecke in deutlich gemäßigterem Tempo zurückgelegt hatte, auch wenn sie wie Tobias darauf brannte, Kater Brown an sich zu drücken.

»Schon eigenartig«, wunderte sich Tobias, als hätte er ihre Gedanken gelesen. »Wir kennen den Kater erst seit zwei Tagen, er gehört uns gar nicht, und trotzdem benehmen wir uns beide so, als wäre er schon seit Jahren unser gemeinsames Haustier.«

Alexandra nickte. »Es kommt mir auch so vor, als würde ich den kleinen Schwarzen schon seit einer Ewigkeit kennen.« Sie stellte den Motor ab und stieg aus. Auf der von Bäumen gesäumten Straße war um diese Zeit am Sonntagmorgen nur wenig los. Lediglich ein paar Männer und Frauen waren unterwegs, die, der Kleidung nach zu urteilen, aus der Kirche kamen. Ein kühler Wind wurde vom Fluss herübergetragen. Vögel zwitscherten in den Bäumen. Zwei Amseln jagten sich auf dem Rasen vor dem Doktorhaus.

Tobias und Alexandra gingen die Auffahrt entlang und folgten dem Trampelpfad bis zu der ins Souterrain führenden Außentreppe. Die Tür zur Praxis stand offen.

Dr. Paressi erwartete sie schon. »Ah, dann haben mich meine Ohren doch nicht getäuscht! Kommen Sie herein! Mein kleiner Patient wartet bereits ganz ungeduldig auf seine Entlassungspapiere.« Sie begrüßte die beiden mit Handschlag, dann schloss sie die Tür. »Folgen Sie mir!«, sagte sie und ging vor ihnen durch den Warteraum ins Sprechzimmer. Auf dem Behandlungstisch stand eine große pinkfarbene Transportbox; darin saß Kater Brown, der sofort ein energisches Miauen von sich gab, als er Alexandra und Tobias hereinkommen sah.

»Sie können schon hören, dass es ihm wieder gut geht.« Dr. Paressi öffnete die Gitterverschlüsse an der Vorderseite der Box.