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An der Laune von José Pérez San Román, unlängst aus kubanischer Haft freigekaufter Regimegegner und erklärter Castrohasser, änderte dies jedoch nichts. Die Augen zu kaum wahrnehmbaren Schlitzen verengt, fletschte das Paradebeispiel eines lateinamerikanischen Pistoleros die elfenbeinfarbenen Zähne, trank seinen Cuba Libre auf ex und machte sich erst gar nicht die Mühe, mit seiner Antipathie gegenüber den Kennedys hinterm Berg zu halten. »Bastardos!«, stieß er gleich mehrfach hervor, »Fucking bastards!«, ohne Rücksicht darauf, wie die übrigen Gäste auf seinen Temperamentsausbruch reagieren würden. Die wiederum, allen voran der Barkeeper, zogen es indessen vor, ihm und möglichen Scherereien aus dem Weg zu gehen.

Nicht so sein Nachbar, ein schäbig gekleideter Glatzkopf Anfang 50, der den Temperamentsausbruch des Kubaners mit stoischer Gelassenheit hingenommen und selbst dann nicht mit der Wimper gezuckt hatte, als San Román die Kennedys auf das Übelste beschimpfte und laustark nach dem nächsten Cuba Libre verlangte. »Scheint so, als wären Sie nicht gut auf den Präsidenten zu sprechen«, raunte er San Román ins Ohr, darauf bedacht, dass niemand etwas davon mitbekam.

»Und wenn schon, was geht Sie das an?«

Geradezu ein Muster an Gelassenheit, verzog San Románs Nachbar keine Miene, zündete sich eine Marlboro an und machte keinerlei Anstalten, auf die harsche Replik des ehemaligen Elitesoldaten zu reagieren.

»Sind Sie taub, oder warum geben Sie keine Antwort?«

»Keinesfalls, junger Mann, keinesfalls«, erwiderte der Angesprochene, den Blick in den Spiegel hinter dem Tresen gerichtet und offenbar nicht ganz bei der Sache. »Mir war nur daran gelegen, Ihnen mein Mitgefühl auszudrücken – mehr nicht.«

»Mitgefühl? Wie kommen Sie denn auf die Idee?«

San Románs Nebenmann, seinem Akzent nach zu urteilen Italo-Amerikaner, zog an seinem Glimmstängel und wog bedächtig das Haupt. »Wenn mich nicht alles täuscht, junger Mann, haben Sie mit den Kennedys oder der CIA oder mit beiden nicht sonderlich viel am Hut. Beziehungsweise noch eine Rechnung mit Ihnen offen.«

»Kann man wohl sagen.«

»Da fällt mir gerade ein: Kann es sein, dass ich Ihr Bild vor längerer Zeit in der Zeitung gesehen habe?«

San Román horchte auf. »Mein Bild? Wie kommen Sie denn darauf?«, lauerte er und blitzte seinen Nachbarn argwöhnisch an. »Hören Sie, Compañero. Wenn Sie denken, Sie könnten mich aushorchen, haben Sie sich geschnitten, klar?«

»Genau! Jetzt hab ich’s!«, triumphierte der Unbekannte in scheinheiligem Ton, ohne sich am Unmut seines Nachbarn im Geringsten zu stören. »Sie waren bei der Schweinebuchtinvasion dabei, stimmt’s?«

»Sagen Sie mal, sind Sie schwerhörig, oder was? Lassen Sie die Fragerei bleiben, sonst kriegen Sie es mit mir …«

»Wenn hier jemand schwerhörig ist, dann Sie, Compañero!«, fiel Giuseppe Andreotti, führendes Mitglied der Chicago-Mafia, dem aufgebrachten Latino ins Wort, und fügte, noch bevor dieser seine Verblüffung, überwunden hatte, in barschem Tonfall hinzu: »Gehe ich recht in der Annahme, dass wir beide, wenn schon nicht die gleiche Herkunft, so doch die gleichen Antipathien hegen? So was verbindet, finden Sie nicht auch?«

Bass erstaunt und beileibe nicht mehr ganz nüchtern, schob der ehemalige Anführer der Brigade 2506 sein Glas beiseite und wandte sich dem Mann, der die Frechheit besessen hatte, ihn, Pepe San Román, wie einen Rekruten zusammenzustauchen, mit angriffslustiger Miene zu. Und wurde angesichts des Pistolenhalfters, welches unter dem Trenchcoat seines Gesprächspartners hervorlugte, auf einen Schlag lammfromm. »Antipathien – was meinen Sie damit?«

»Schon gewusst, dass es hierzulande eine Menge Zeitgenossen gibt, die nicht unbedingt gut auf die Kennedys zu sprechen sind?«, fragte Andreotti und fuhr mit dem Zeigefinger an seiner Hakennase entlang, die von dunklen, bei San Románs Anblick jäh aufblitzenden Habichtsaugen flankiert wurden. »Brave Bürger, die – vulgär ausgedrückt – ihnen am liebsten eine Kugel durch den Kopf jagen würden?«

»So zum Beispiel ein paar hohe Herren von der CIA?«

»Falsch getippt, junger Freund. Ich bin nicht bei der CIA.« Andreotti setzte ein verschlagenes Lächeln auf. »Das heißt aber nicht, das wir nicht hin und wieder bereit sind, der Crème unter den Agenten den einen oder anderen Gefallen zu erweisen.«

»Wir«?

»Vorschlag zur Güte. Sie tun gut daran, nicht allzu viele neugierige Fragen zu stellen.«

»Und Sie, Compañero, tun gut daran, mich nicht für dumm zu verkaufen. Na schön, Sie arbeiten für die CIA. Oder – präziser ausgedrückt – für gewisse Herren, die es begrüßen würden, wenn sich jemand auftreiben ließe, der diesem Hosenscheißer ein paar Kugeln durch die Birne jagt. Jemand, der einen derartigen Hass auf die Kennedys hat, dass es ihm eine Freude wäre, diesen irischen Weichling wie einen räudigen Köter abzuknallen.« San Román pausierte, wandte sich ab und flüsterte: »Jemand wie mich, stimmt’s?«

»Ich sehe, wir verstehen uns«, freute sich Andreotti, zog einen Umschlag aus dem Trenchcoat und drückte ihn seinem Nebenmann in die Hand. »Bis bald, Compañero«, flüsterte er San Román beim Aufstehen ins Ohr, hochzufrieden, auf keinerlei Widerstand gestoßen zu sein. »Wir hören voneinander – beziehungsweise Sie von uns!«

E N D E

1 Department of Covert Operations (fiktiv)

2 dt.: Zapata-Sümpfe

3 dt.: Heilige Muttergottes!

4 Scheiße!

5 dt.: Willkommen, Kommandant!

6 dt.: Scheiß Kommunisten!

7 dt.: Ihr sollt alle in der Hölle schmoren, ihr Bastarde!

8 Lockheed U-2 Dragon Lady, amerikanisches Spionageflugzeug

9 Deckname für das Landeunternehmen in der Schweinebucht

10 dt.: Beschwichtiger (Anspielung auf die nachgiebige Politik des britischen Premierministers Neville Chamberlain gegenüber Hitler)

11 am. Bezeichnung für ›Justizminister‹

12 Bundesnachrichtendienst

13 1853 im Packeis stecken gebliebenes und 1855 von den Amerikanern entdecktes Segelschiff der Royal Navy

14 Berlin Operational Base der CIA

15 Hof des mythischen britischen Königs Artus und seiner Tafelrunde

16 Landwirtschaftliche Produktionsgenossenschaft

17 Hauptquartier der CIA im US-amerikanischen Bundessaat Virginia, erbaut zwischen 1959 und 1963

18 sowjetische Staatssicherheitsbehörde (Vorläufer des KGB)

19 Titel einer Arie aus der Oper Porgy and Bess (1935) von George Gershwin

20 NKDW: Volkskommissariat für Innere Angelegenheiten

21 dt.: schwabbelig

22 janz weit oben (Berliner Dialekt)

23 Friss die Hälfte

24 United States Military Liaison Mission, d. h. US-amerikanische Militärverbindungsmission