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Lisa:  Sie sollten heiraten …

Tschepurnoi:  Haha! Ich sage auch - ich sollte heiraten …

Lisa:  Sie müßten ein junges Mädchen finden, das …

Tschepurnoi  gelassen:  Sie wissen doch: ein Mädchen hätt ich schon gefunden, und es sind jetzt bald zwei Jahre, daß ich sie umkreise wie der Bär den Honigspalt …

Lisa:  Sie - schon wieder? Lieber Boris Nikolajewitsch, ich habe Ihnen meinen endgültigen Entschluß mitgeteilt … Es ist unumstößlich und unabänderlich!

Tschepurnoi:  Na, vielleicht doch? Ich bin ein Kleinrusse, und die sind halsstarrig … Also vielleicht doch? …

Lisa  beinahe leidenschaftlich:  Nein! …

Tschepurnoi:  Gut … Reden wir von was anderem …

Lisa:  Ihr Starrsinn erschreckt mich.

Tschepurnoi:  Fürchten Sie sich nicht … Sie brauchen nichts zu fürchten … Pause. Neben der Veranda brummt Roman. Zusammenfahrend sieht Lisa durchs Fenster.

Lisa:  Warum behandeln Sie Ihre Schwester so schlecht?

Tschepurnoi  ruhig:  Erstens - ist sie eine Närrin, und dann ist sie gemein.

Lisa:  Um Gottes Willen!

Tschepurnoi:  Ich hör schon auf, ich hör schon auf! Es ist ein Unglück, wenn einem Menschen die schönen Worte auf der Zunge fehlen! Meine Schwester, sagen Sie? Wer ist denn meine Schwester? Als sie zwanzig Jahre alt war, heiratete sie einen reichen alten Kerl - wozu das? Nachher hätte sie sich um ein Haar aus Widerwillen gegen ihn und aus Gram das Leben genommen. Einmal hat sie sich aufgehängt … und wurde bewußtlos aufgefunden, und schließlich hat sie noch Salmiakgeist … Jetzt - ist er tot - und sie ist immer noch wütend …

Lisa:  Vielleicht tragen Sie auch die Schuld daran? Warum sind Sie ihr keine Stütze gewesen? …

Tschepurnoi:  Vielleicht hab ich Schuld, aber vielleicht habe ich sie auch gestützt …

Lisa:  Aber deshalb kann man sie doch nicht verurteilen …

Tschepurnoi:  Ach, es ist ja nicht nur deshalb … Sie wissen nicht, warum sie hierherkommt … Ich aber weiß es.

Lisa:  Auf die Lösung Ihrer Rätsel verzichte ich.! Fragen Sie sich lieber, wer Ihnen das Recht gegeben hat, sich zum Richter Ihrer Schwester aufzuwerfen?

Tschepurnoi:  Und wer hat Ihnen das Recht gegeben, die Leute zu kritisieren? Alle Menschen gebrauchen dieses Recht, ohne jede Ermächtigung … Nicht kritisieren ist so gut wie nicht essen, für den Menschen unmöglich …

Melanija  in großer Erregung, hinter ihr Protassow:  Pawel Fjodorowitsch … Ich verstehe, aber - ist das wirklich wahr?

Protassow:  Gewiß. Alles - lebt. Das Leben ist überall, und überall sind Geheimnisse. In der Welt der wunderbar tiefen Rätsel des Daseins verkehren, die Energie des Gehirns zu ihrer Ergründung gebrauchen, das ist das wahre Menschenleben; das ist ein unerschöpflicher Quell des Glücks und ewiger Freude. Nur im Bereiche der Vernunft ist der Mensch frei, nur dann ist er Mensch, wenn er Vernunft hat - und wenn er Vernunft hat, ist er ehrlich und gut! Das Gute ist mit Vernunft geschaffen - und außerhalb des Bewußtseins existiert das Gute nicht. Sieht rasch nach der Uhr.  Ah. Verzeihen Sie … Ich muß gehen … Bitte … Hol's der Teufel! Ab.

Melanija:  Wenn Sie gehört hätten, was er da gesagt hat, wie er gesprochen hat! Zu mir hat er gesprochen, nur zu mir, Melanija Kirpitschowa, ja! Zum ersten Male in meinem Leben hat man so mit mir gesprochen … Von solchen Wundern … Mit mir! Boris lacht.  Was lachst du? Mit Tränen in den Augen.  Ich sag doch nicht, daß ich ihn verstanden hab; hab ich behauptet, daß ich seinem Gedankengang gefolgt bin? Ich - eine Närrin … Jelisaweta Fjodorowna, bin ich lächerlich? Liebste, Beste … denken Sie maclass="underline" man lebt und lebt, als ob man schläft … plötzlich - wird man aufgerüttelt, man schlägt die Augen auf, es ist Tag, die Sonne - man ist geblendet vor soviel Licht auf einmal, und dann atmet man mit ganzer Seele auf - in so reiner Freude wie beim Frühgottesdienst in der Osternacht.

Tschepurnoi:  Was ist denn mit dir?

Lisa:  Trinken Sie Tee … Setzen Sie sich! Sie sind so erregt …

Melanija:  Das kannst du nicht verstehen, Boris! Nein, ich danke bestens … ich werde keinen Tee trinken … ich muß gehen. Sie müssen mich entschuldigen, Jelisaweta Fjodorowna. Ich habe Sie nervös gemacht! Ich gehe. Auf Wiedersehen! Ihm sagen Sie nur … daß ich gegangen bin … daß ich ihm dankbar bin … Gott, wie groß, wie herrlich er ist! - Ab durch die Verandatür.

Tschepurnoi:  Was ist mit ihr los? Ich versteh's nicht ..

Lisa:  Ich - versteh's. Einst hat Pawel auch auf mich so gewirkt … Er sprach, und mir war's, als fiele mir die Binde von Augen und Hirn … Dann war alles so klar, so harmonisch, rätselhaft, und doch einfach, klein und doch großartig, aber dann habe ich das wahre Leben kennengelernt, das Leben voller Schmutz, voll Bestialität und unsinniger Grausamkeit. Zweifel und Entsetzen überwältigten mich … und dann kam ich ins Krankenhaus …

Tschepurnoi:  Sie sollten nicht daran denken … Lassen Sie das Krankenhaus? Das war einmal und ist nun vorbei …

Lisa:  Genug davon. Auf der Veranda erscheinen Jelena und Wagin.

Tschepurnoi:  Ach, da kommt jemand … Aha, Jelena Nikolajewna … und der Maler … Na, es ist Zeit, daß ich gehe …

Jelena:  Ah, Boris Nikolajewitsch! Lisa, ist Pawel in seinem Zimmer? Lisa, bitte gieß mir etwas Tee ein … Geht in das Zimmer ihres Mannes.

Tschepurnoi:  Warum sind Sie so blaß und fassungslos, Dimitrij Sergejewitsch?

Wagin:  Wirklich? Ich weiß nicht! Machen Sie im Malen gute Fortschritte, Lisa?

Lisa:  Heute hab ich nicht gemalt.

Wagin:  Schade, die Farben beruhigen die Nerven …

Tschepurnoi:  Nun, Ihnen merkt man das gerade nicht an …

Wagin:  Nicht alle, selbstverständlich …

Lisa  seufzend:  Auch - die rote nicht …

Tschepurnoi:  Auf Wiedersehen … Ich geh … Ich geh an den Fluß Krebse fangen. Und dann - werde ich sie kochen und essen, Bier trinken und rauchen. Bemühen Sie sich nicht, bleiben Sie sitzen, Jelisaweta Fjodorowna, ich komme wieder … Schon morgen. Jelena kommt zurück  Auf Wiedersehen, Jelena Nikolajewna!

Jelena:  Sie gehen - auf Wiedersehen … Tschepurnoi und Lisa ab.

Wagin:  Arbeitet er?

Jelena:  Ja … er wird bald kommen …

Wagin:  Ist er noch immer mit dem verrücken Versuch beschäftigt, den Homunkulus zustande zu bringen …

Jelena:  welch ein Ton … Schämen sollten Sie sich!

Wagin:  Mich ärgert diese alberne Marotte eines Pedanten! Und ich kann ihm nicht verzeihen, wie er sich Ihnen gegenüber benimmt. Das ist geradezu ungeheuerlich …

Jelena:  Ich bereue, daß ich mich habe hinreißen lassen, aufrichtig mit Ihnen zu sprechen …

Wagin:  Sie müssen frei werden, und den, der Sie nicht zu schätzen weiß, dürfen Sie nicht bedauern …

Jelena:  Das werde ich auch tun … Sie sollen sehen!

Wagin:  Wann? Worauf warten Sie?

Jelena:  Ich muß mir Gewißheit darüber verschaffen, welchen Platz ich in seinem Herzen einnehme …

Wagin:  Gar keinen!

Jelena:  Wenn das so ist, dann gut, Dann ist die Lösung einfach: bin ich ihm nichts - so geh ich. Aber wenn nicht? Wenn seine Liebe nur müde ist, wenn sie nur zurückgewichen ist in die Tiefe seiner Seele, vor der Gewalt der Idee, die ihn ergriffen hat, was dann? Wenn ich von ihm ginge, und plötzlich in seinem Herzen von neuem …

Wagin:  Das wäre Ihnen wohl lieb, ja?

Jelena:  Bedenken Sie, das wäre eine Tragödie! Und ich - kann Tragödien nicht leiden.

Wagin:  So ängstigen Sie sich um ihn?

Jelena:  Ich will ihm sein Leben nicht verbittern …

Wagin:  Sie überlegen, das heißt, Sie wollen nicht. Getrieben von einem mächtigen Verlangen, überlegen nicht …