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Jelena:  Die Bestien! - Die Tiere … überlegen nicht, aber der Mensch muß überlegen, damit das Schlechte auf Erden vermindert wird …

Wagin:  Sich selbst der Pflicht zum Opfer bringen und so weiter … Lisa übt mit ihrer herben Philosophie einen schlechten Einfluß auf Sie aus ..

Jelena:  Das Schlechte ist widerwärtig. Das Leiden ist abstoßend … Ich empfinde das Leiden als persönliche Demütigung; und anderen Leiden zufügen ist häßlich und gemein.

Wagin:  Wie überlegen Sie reden! Aber aus Ihren Worten spricht doch die Seele einer Sklavin … Sie bringen sich zum Opfer … wem? Einem Menschen, der das Leben in dem dumpfen Bemühen, seinen Ursprung zu finden, vertrödelt! Eine alberne Idee! Er dient dem düsteren Tode … und nicht der Freiheit, nicht der Schönheit und der Freude. Es bedarf Ihres Opfers nicht …

Jelena:  Ruhe, mein Freund! Ich spreche nicht von Opfer … Und ich habe keine Veranlassung, an die Tiefe Ihrer Gefühle zu glauben …

Wagin:  Sie glauben nicht an meine Liebe?

Jelena:  Nehmen wir an … ich traue mir selbst nicht. Lisa kommt herein.

Wagin:  Wie sind Sie kaltherzig!

Jelena:  Ich spreche aufrichtig …

Lisa:  Heute hat man Pawel den ganzen Tag gestört …

Jelena:  Wer?

Lisa:  Alle, die Wärterin, dieser Schlosser, der Hauswirt …

Jelena:  Pawel war wohl ärgerlich?

Lisa:  Ich glaube wohl …

Jelena:  Wie unangenehm … Wagin tritt auf die Veranda.

Lisa:  Verzeih mir, aber du kümmerst dich sehr wenig um ihn.

Jelena:  Er hat mir nie etwas gesagt …

Lisa  steht auf:  Vielleicht, weil sich mit dir nicht gut reden läßt … Will ab nach oben.

Jelena  weich:  Lisa! Du fängst wieder an … Lisa, du hast unrecht … hör doch … Lisa antwortet nicht; Jelena sieht ihr nach, zuckt mit den Achseln, zieht die Brauen zusammen und geht langsam auf die Veranda. Fima kommt aus dem Speisezimmer heraus.

Fima:  Gnädige Frau!

Jelena:  Ah … Was gibt's?

Fima:  In Ihrer Abwesenheit kam Melanija Nikolajewna zu mir und sagte … Pause.

Jelena  nachdenklich:  Na, was hat sie denn gesagt?

Fima:  Es schien mir so unpassend …

Jelena:  Wenn es unpassend ist, muß man's nicht wiederholen …

Fima:  Sie sagte zu mir: »Paß auf die gnädige Frau auf - das heißt auf Sie!

Jelena:  Was soll das? Sie setzen sich immer Dummheiten in den Kopf … Fima, bitte gehen Sie!

Fima:  Das sind keine Dummheiten, Ehrenwort! »Paß auf sie auf« sagte sie »und auf Herrn Wagin …«

Jelena  halblaut:  Gehen Sie fort!

Fima:  Ich bin doch unschuldig! Und hier hat sie mir auch einen Rubel gegeben …

Jelena:  Hinaus! Fima entfernt sich schnell. Protassow kommt eilig hinter der Portiere hervor.

Protassow:  Was schreist du, Lena? Aha, Krieg mit Fima … Weißt du, das ist ein merkwürdiges Frauenzimmer. Sie hat so kuriose Röcke: Sie bleiben überall hängen, werfen alles herunter und zerschlagen alles … Ich bleib ein paar Augenblicke bei dir … gieß mir, bitte, etwas Tee ein … Und Dimitrij ist nicht gekommen?

Jelena:  Er ist auf der Veranda.

Protassow:  Ist Lisa auch dort?

Jelena:  Lisa ist in ihrem Zimmer …

Protassow:  Du scheinst schlechter Laune zu sein?

Jelena:  Ich bin ein wenig müde …

Protassow:  Macht dein Porträt Fortschritte?

Jelena:  Du fragst jeden Tag danach …

Protassow:  Wirklich? Aha, da kommt Dimitrij … Und böse! Weshalb?

Wagin:  Also, ich werde euch einmal euern Garten malen … so zur Dämmerstunde.

Protassow:  Und darüber ärgerst du dich schon im voraus?

Wagin:  Bist du aber witzig!

Jelena:  Wünschen Sie Tee?

Protassow:  Ihr seid beide schlechter Laune … Ich geh in die Küche … Dort habe ich … Gieß mir noch Tee ein, Lena! … Steht auf, geht ab.

Wagin:  Eines schönen Tages wird er sie ins eine Retorte stecken, mit irgendeiner Säure begießen und Ihre Empfindungen dabei notieren.

Jelena:  Reden Sie keinen Unsinn! Wenn Sie nicht wollen …

Wagin  einfach, herzlich:  Ich habe noch nie ein so heftiges Gefühl empfunden, wie für Sie. Es quält mich … aber es erhebt mich auch.

Jelena:  Wirklich?

Wagin:  Ich möchte Ihnen besser, größer, erhabener erscheinen, als alle anderen …

Jelena:  Das ist gut … Das freut mich für Sie …

Wagin:  Jelena Nikolajewna, glauben sie mir …

Protassow  aus dem Speisezimmer, tritt an den Tisch heran und hält in der Hand ein Metallgefäß:  Alte, laß sein! Was kümmere ich mich um die Köchin nebst ihrem Mann? Nimm die Köchin als Ding an sich … und mich laß in Ruh!

Jelena:  Antonowna! Ich habe Sie gebeten …

Protassow:  Diese Alte! Klebt an einem wie Harz, wie Naphtaablagerung! Geht in sein Zimmer.

Jelena:  Ich hatte Sie gebeten, Pawel nicht zu ärgern.

Antonowna:  Gestatten Sie, Mütterchen Jelena Nikolajewna, wer ist Herr in diesem Hause? Pawluscha - ist beschäftigt, Lisa - krank, und Sie sind den ganzen Tag nicht zu Hause …

Jelena:  Aber Pawel darf man nicht mit Kleinigkeiten belästigen …

Antonowna:  Darauf passen Sie ja auf - nicht wahr? …

Jelena:  Das hat gerade noch gefehlt, daß Sie mir gute Lehren geben …

Antonowna:  Was denn? Wenn ich sehe, wie das Haus sich selbst überlassen ist und kein Mensch auf Pawluscha achtet …

Jelena  sanft:  Ich bitte Sie recht sehr, gehen Sie jetzt fort!

Antonowna:  Gut. - Aber die selige Generalin hat nie geruht, mich aus dem Zimmer zu jagen … Geht gekränkt ab. Jelena steht auf und geht nervös im Zimmer auf und ab. Wagin sieht sie lächelnd an.

Jelena:  Das macht Ihnen Spaß?

Wagin:  Etwas Dummheit ist immer lustig! Leidenschaftlich.  Sie müssen fort aus diesem Hause! Sie sind geschaffen für ein schönes, freies Leben …

Jelena  nachdenklich:  Ist ein solches Leben möglich, wenn man überall von rohen Menschen umgeben ist? Es ist merkwürdig, je bedeutender ein Mensch ist, umso mehr ist er mit Abgeschmacktheiten behaftet … So treibt der Wind die Spreu gegen die Mauer eines hohen Gebäudes … Protassow tritt ein, er ist niedergeschlagen und bleich. Es liegt in ihm etwas Kindliches, Hilfloses, etwas Flehendes in seiner Aufrichtigkeit; er spricht nicht laut, als fühle er sich einer Schuld bewußt.  Was ist denn, Pawel, was fehlt dir?

Protassow:  Es hat sich zersetzt - verstehst du? Ja, es hat sich zersetzt … Und doch war das Experiment sehr sorgfältig gemacht … ich habe nichts außer acht gelassen … Er blickt auf seine Frau, aber als ob er sie nicht sähe, tritt an den Tisch, setzt sich. Bewegt nervös die Finger … holt aus der Tasche ein Notizbuch hervor, zeichnet rasch mit dem Bleistift und vertieft sich darin. Wagin drückt Jelena die Hand und geht.

Jelena  halblaut:  Pawel … lauter  lieber Pawel … du bist wohl sehr betrübt? ja?

Protassow  durch die Zähne:  Wart … warum hat es sich zersetzt …

Zweiter Aufzug

Rechts die Mauer eines Hauses und eine breite Veranda mit einem Geländer. Aus dem Geländer sind einzelne Stücke herausgefallen; auf der Veranda zwei Tische; ein großer Speisetisch und ein kleiner, auf ihnen liegen Würfel und ein Lottospiel. Der hintere Teil der Veranda ist mit einer Markise überdacht. Auf der ganzen Länge des Hofes bis zum Zaun im Hintergrunde sieht man ein altes grünes Gitter und dahinter einen Garten. Aus der Ecke der Veranda treten Tschepurnoi und Nasar Awdejewitsch hervor.

Nasar:  Also - es hat nichts zu sagen, es wird vorübergehen?

Tschepurnoi:  Es ist nichts von Bedeutung …

Nasar:  Das - freut mich. Es ist zwar nur ein Pferdchen und nicht übermäßig schön, kostet aber immerhin Geld … Sechzig Rubel hat's mich vor sieben Jahren gekostet, und wieviel Hafer hat es seit dieser Zeit gefressen … Wenn das Tier nicht wieder zu kurieren ist, sagen Sie es gleich, dann werd' ich's verkaufen …