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Durch Freuchens Eifer, unseren Plan zu unterstützen, geriet alles ins Rollen, und so fanden wir uns plötzlich in den Spalten der skandinavischen Presse wieder.

Schon am nächsten Morgen klopfte es mit aller Gewalt an meine Türe im Seemannsheim. Man rief mich ans Telefon drunten im Gang. Das Ergebnis des Gesprächs war, daß Hermann und ich am selben Abend an der Tür einer fashionablen Wohnung im vornehmsten Teil der Stadt läuteten. Wir wurden von einem gepflegten jungen Herrn in Lackpantoffeln empfangen, der einen seidenen Schlafrock über seinem blauen Schlafanzug trug. Er machte einen ziemlich verweichlichten Eindruck. Ein parfümiertes Taschentuch unter der Nase, bat er um Entschuldigung, er sei schwer erkältet. Trotzdem wußten wir, daß dieser Mann sich in Amerika durch seinen erfolgreichen Einsatz als Flieger während des Krieges einen Namen gemacht hatte. Außer unserem sichtlich bettlägerigen Wirt waren zwei energische junge Presseleute zur Stelle, die förmlich strotzten von Ideen und Entschlußkraft. In dem einen erkannten wir einen angesehenen Korrespondenten wieder.

Bei einer Flasche gutem Whisky erklärte unser Wirt, daß er an unserer Expedition interessiert sei. Er erbot sich, uns das notwendige Kapital zur Verfügung zu stellen, wenn wir damit einverstanden wären, uns für Artikelserien und Vortragstourneen nach der Heimkehr zu verpflichten. Wir wurden schließlich einig und stießen auf eine glückliche Zusammenarbeit zwischen »Geldgeber« und Expeditionsteilnehmern an. Von nun an sollten unsere ökonomischen Probleme gelöst sein. Sie wurden von Presseleuten übernommen und brauchten uns nicht mehr zu bekümmern. Unverzüglich sollten Hermann und ich beginnen, Mannschaft und Ausrüstung zu besorgen, das Floß zu bauen, um vor Beginn der Stürme abzufahren.

Am nächsten Tag kündigte Hermann seinen Posten, und wir gingen ernstlich an unsere Aufgabe. Ich hatte bereits die Zusage vom Versuchslaboratorium der Luftwaffe bekommen, eine solche Expedition sei außerordentlich geeignet, ihr Ausrüstung zu erproben. Sie wollten mir alles und noch mehr durch den »Explorers Club« zur Verfügung stellen, worum ich gebeten hatte. Unsere wichtigsten Aufgaben waren weiterhin, vier brauchbare Männer zu finden, die bereit waren, mit uns auf das Floß zu gehen, und Proviant für die Reise anzuschaffen.

Eine Gruppe von Menschen, die miteinander auf einem Floß über den Ozean treiben sollen, muß sehr sorgfältig ausgesucht werden, sonst gibt es Krach und Meuterei nach wenigen Wochen Isolierung auf dem Meer. Ich wollte das Floß nicht mit Seeleuten bemannen. Einmal verstanden sie kaum mehr von der Floßschifferei als wir selber, und außerdem wollte ich später nicht das Argument gegen mich haben, daß wir unser Gelingen dem Umstände verdankten, daß wir bessere Seeleute als die alten Flößebauer in Peru waren. Trotzdem brauchten wir einen Mann an Bord, der auf alle Fälle mit einem Sextanten umgehen und unsere Fahrt über das Meer als Unterlage für alle wissenschaftlichen Berichte auf der Karte festhalten konnte.

»Ich kenne einen netten Kunstmaler«, sagt ich zu Hermann, »einen Mordskerl. Er spielt Gitarre und ist voller Übermut. Er machte die Steuermannschule und fuhr schon ein paarmal um die Welt, bevor er sich zu Hause mit Pinsel und Palette niederließ. Ich kenne ihn noch von den Kindertagen her und habe ein paarmal mit ihm zu Hause Wanderungen in die Berge gemacht. Wenn ich ihm schreibe und ihn frage, so ist er sicher

dabei.«

»Das klingt annehmbar«, stimmte Hermann zu, »und dann brauchen wir einen, der das Radio übernehmen kann.«

»Radio?!« fragte ich entsetzt. »Was, zum Teufel, sollen wir damit? Das gehört ja gewiß nicht auf ein vorgeschichtliches Floß!«

»Sag das nicht, es ist eine Sicherheitsmaßnahme, die keinerlei Einwirkung auf deine Theorie hat, solange wir nicht SOS aussenden. Und dann brauchen wir Funk, um Wetterbeobachtungen und andere Meldungen weiterzugeben. Sturmwarnungen würden uns ja doch nichts nützen, einmal weil es keine Meldungen für diese Meeresstriche gibt, und selbst wenn es welche gäbe, was würden sie uns auf unserem Floß helfen?«

Seine Argumente erstickten allmählich alle meine Proteste, die vermutlich einer mangelnden Liebe zu Steckkontakten und Drehknöpfen entsprangen.

»Merkwürdig genug«, gab ich zu, »wenn es galt, Verständigung über große Abstände mit winzigen Apparaten zu bekommen, dann habe ich immer die besten Verbindungen gehabt. Ich landete in einer solchen Radioabteilung während des Krieges. Du kennst ja das militärische Prinzip: Jeder Mann auf den Platz, auf den er gehört! Aber ich werde am besten wohl einige Worte an Knut Haugland und Torstein Raaby schreiben.«

»Kennst du sie?«

»Ja. Knut traf ich das erstemal in England 1944. Damals war er bereits vom britischen König ausgezeichnet worden, weil er als Radiotelegrafist beim Sabotageunternehmen gegen die Fabrik des >schweren Wasssers< bei Rjukan mit war. Als ich ihn traf, war er gerade zurückgekommen, nachdem er einen Auftrag in Norwegen erfüllt hatte. Dabei war er von der Gestapo überrascht worden, während er mit einer geheimen Radiostation im Rauchfang der Frauenklinik in Oslo saß. Die Nazis hatten ihn angepeilt, und das ganze Gebäude wurde von deutschen Soldaten umringt. Maschinengewehrposten standen vor jeder Tür. Der Gestapochef Fehmer stand persönlich auf dem Hof und wartete, daß man ihm Knut herunterbringen sollte, aber es waren die eigenen Leute des Gestapochefs, die man herunterbrachte. Knut schoß sich nämlich mit seiner Pistole durch, vom Dachboden herunter bis in den Keller, von dort in den Hinterhof, wo er über die Krankenhausmauer verschwand, einen ganzen Kugelregen hinter sich her. Ich traf ihn auf einer Geheimstation in einem englischen Schloß, wohin er zurückgekommen war, um das unterirdische Zusammenspiel von über hundert Sendestationen innerhalb des deutschbesetzten Norwegen zu organisieren.

Damals war ich gerade erst zum Fallschirmspringer bestimmt worden, und wir planten, miteinander in Nordmarken niederzugehen. Aber gerade damals marschierten die Russen in der Kirkenesgegend ein, und eine kleine norwegische Abteilung wurde von Schottland nach Finnmarken geschickt, hier gleichsam die Operationen vom ganzen russischen Heer zu übernehmen. Dorthin wurde nun ich geschickt. Und dort traf ich Torstein.

In diesen Gegenden oben war der reine Polarwinter, und das Nordlicht züngelte in den Sternenhimmel empor, der sich pechschwarz über uns wölbte, den ganzen Tag lang. Als wir blaugefroren und pelzvermummt in die verkohlte Brandwüstenei nach Finnmarken kamen, da kroch aus einer kleinen Hütte droben in den Bergen ein munterer blauäugiger Riese mit buschigem blondem Haar. Das war Torstein Raaby. Der war zuerst nach England gekommen und auf Kurs gegangen, und darauf war er nach Norwegen in der Tromsögegend hineingeschmuggelt worden. Dort hatte er mit einem kleinen Sender in unmittelbarer Nähe des Kriegsschiffes >Tirpitz< verborgen gelegen, und zehn Monate lang hatte er täglich Berichte über alles, was an Bord vor sich ging, nach England gefunkt. Er sendete seine Meldungen mit Hilfe der Empfängerantenne eines deutschen Offiziers, in die er sich während der Nacht einschaltete. Es waren seine regelmäßigen Berichte, die die britischen Bomber dirigierten, die schließlich der >Tirpitz< den Garaus machten.

Torstein flüchtete nach Schweden und ging von dort nach England zurück und sprang im Fallschirm mit einer neuen Radiostation hinter den deutschen Linien oben in der Gegend von Finnmarken wieder ab. Als die Deutschen sich zurückzogen, fand er sich plötzlich hinter unseren eigenen Linien und kam aus seinem Versteck, um uns mit seinem winzigen Apparat zu helfen, als unsere Hauptstation durch eine Mine kaputtgegangen war. Ich wage zu schwören, daß Knut und Torstein nicht viel Freude daran haben, zu Hause herumzusitzen. Aber bestimmt hätten sie größte Lust zu einer Floßreise.«