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Ruhig ließ der Arbeiter diese Flut von Anschuldigungen über sich ergehen. Als Sir Toby einen Augenblick lang innehielt, um Luft zu holen, unterbrach ihn der Arbeiter jedoch rasch: »Wenn Sie mir mißtrauen, dann lassen Sie mir Handschellen anlegen, bevor Sie Ihre Beamten zusammentrommeln und mir folgen. Ich werde Sie zu dem Haus führen, in dem Sir Triplex die ganze Nacht zugebracht hat und wo er jetzt noch anzutreffen ist.«

Bei diesem offensichtlich so loyalen Vorschlag verflog Allsmines Mißmut mit einemmal. Eine Person, die so friedfertig vorschlug, sich Handschellen anlegen zu lassen, konnte keine schlechten Absichten hegen. Der Mann mußte ein ruhiges Gewissen haben, denn bei den Banditen war es nicht üblich, sich so unbedacht in die Hände der Öffentlichen Sicherheit zu begeben.

Und so erstaunte der sanfte Tonfall auch nicht, in dem er den Mann fragte: »Sie sind sich also ganz sicher, daß Sie mir den in die Hände spielen können, von dem die Rede ist?«

»Gewiß, wenn wir keine Zeit verlieren. Sie verstehen, was ich meine?«

»Es geht darum, rasch zu handeln?«

»So ist es.«

»Wenn es so ist, gehen Sie voran, ich folge Ihnen.«

Schon hatte Allsmine Pack, Silly und die Agenten herbeigerufen. Aber der Unbekannte hielt ihn zurück.

»Sie zeigen großen Eifer«, sagte er, »deshalb möchte ich Sie bitten, daß Sie Befehl geben, mir Handschellen anlegen zu lassen.«

»Sie scherzen.«

»Nein, im Ernst; nur sollte man alles voraussehen. Im Fall eines Mißerfolgs möchte ich nur vorbeugen, daß Sie meine Ernsthaftigkeit in Zweifel ziehen. Mir reicht es, daß der andere meine Existenz bedroht.«

Toby zögerte, doch der Unbekannte drängte ihn: »Geben Sie schon Befehl, die Zeit drängt.«

Auf eine Bewegung des Polizeichefs hin wurde der Arbeiter mit Handschellen gefesselt; mit zufriedener Miene betrachtete dieser den Schmuck, der für andere Leute eher genierlich ist, und sagte dann: »Also los, ich führe Sie.«

»Dann führen Sie mal, mein Bester.«

Mit dem schleppenden Schritt der Hafenarbeiter überquerte der Mann das Gelände, auf dem das Fest stattfand, Allsmine und etwa ein Dutzend Beamte im Schlepptau.

James Pack und der Schwachsinnige waren etwas zurückgeblieben. Silly hatte seine Hand unter den Arm des Sekretärs geschoben, und diese Hand zitterte sichtlich. Der Bucklige beruhigte ihn.

»Nur Mut«, sagte er sanft zu ihm. »Nur Mut. Du mußt an die Wahrheit glauben. Es wird nicht mehr lange dauern.«

Der Junge blickte ihn unendlich traurig an.

»Reiß dich zusammen«, sagte Pack. »Sei ganz ruhig, man kann uns beobachten.«

»Ja, James«, erwiderte der Junge. »Sie haben recht. Ich werde mich zusammennehmen.«

»Nun komm schon. Allsmine darf keinen Verdacht schöpfen; wir müssen in seiner Nähe sein.«

Mit diesen Worten zog der Sekretär seinen jungen Begleiter mit sich, und bald befanden sie sich beide neben dem Polizeichef. Sie hatten inzwischen das Areal verlassen, in dem die erleuchteten Buden und Zelte des Dockerfestes standen, und sich in dunklere Gassen begeben. Sie marschierten Richtung Osten. Auf den Trubel des Festes folgten nun schlafende Vierteclass="underline" leere Straßen, geschlossene Geschäfte, mit eisernen Rolläden gesicherte Fenster – es war ein Schweigen, das alles – außer den Schritten der Vorüberhastenden – erstickte.

Sie hatten das Post-Hotel passiert, einen monströsen neorömischen Bau mit einer majestätischen Granit-Kolonnade; sie kamen am Stadt-Hotel vorbei, dessen sechzig Meter hoher Turm die Stadt beherrschte, und der Arbeiter, den keiner der Beamten aus den Augen verlor, ging noch immer entschlossen weiter.

Jetzt war man bereits in den Vororten.

Plötzlich machte ihr Führer halt und wies auf einen schmalen und dunklen Pfad, der sich zu ihrer Rechten abzeichnete.

»Wir sind am Ziel«, murmelte er.

Klopfenden Herzens versuchte Allsmine die Finsternis in der Straße mit seinen Blicken zu durchdringen.

»Das ist es!«

»Ja, Exzellenz, kaum zwanzig Meter von hier. Ein kleines Haus zur Straße raus. Dahinter ist ein großer Garten. Sie sollten das Grundstück umstellen …«

»… damit uns unser Wild nicht entwischt … Sie haben recht.«

Sofort gab Allsmine Anweisung, und die Polizisten verschwanden in Gruppen zu zweit oder dritt in den angrenzenden Gassen. Der Polizeichef blieb mit einem Beamten, James Pack und dem kleinen Silly vor der Tür zurück.

»Wir vier dürften genügen, um die Eingangstür zu bewachen«, erklärte Allsmine. »Ich habe meinen Revolver bei mir. Und Sie, Mr. Pack?«

»Ich habe meinen ebenfalls dabei.«

»Also, dann laßt uns unsere Plätze einnehmen.«

Der Handwerker bog in das Gäßchen ein, auf das er kurz zuvor gewiesen hatte. Er ging wie auf Sammetpfötchen und achtete darauf, keinen Lärm zu machen, und seine Begleiter taten es ihm nach. Nach etwa dreißig Schritten blieb der Mann stehen. Sie befanden sich vor einem Haus mit gutbürgerlichem Aussehen, dessen hölzerne Eingangspforte mit einem kupfernen Türklopfer versehen war. Die Rolläden waren samt und sonders herabgelassen, aber in der ersten (und einzigen) Etage zeigte sich ein schmaler Lichtstreif zwischen den Fensterläden.

Der Arbeiter wies mit der Hand darauf.

Alle verstanden die Bedeutung dieser Bewegung. Dort also hielt sich Korsar Triplex auf. Endlich würde man den zu Gesicht bekommen und festnehmen können, der seit mehreren Monaten die britische Polizei im Pazifik zum besten hielt.

Er war da.

Wie Jäger vor dem großen Halali, so empfanden auch die Polizisten ein Gefühl der Erregung bei diesem letzten Akt des Schauspiels, in dem sie Darsteller waren. Und Allsmines Körper zitterte nervös bei der Vorstellung, daß er Korsar Triplex gleich in seiner Gewalt haben würde.

Dem Polizeichef schien, daß sein Feind im Schein seiner Lampe schrieb und keinerlei Argwohn hegte, daß die Vertreter der Öffentlichen Sicherheit sein Versteck ausgekundschaftet hatten. Er malte sich dessen Entsetzen aus, wenn er entdeckte, daß alle Ausgänge bewacht wurden. Ungeheure Befriedigung durchrieselte den Beamten. Die Festnahme der phantastischen Person würde seiner eigenen Unruhe ein Ende machen, ja, sie wäre darüber hinaus der Ausgangspunkt neuer Ehrungen. Schon oberster Dienstherr über die Polizei in der Hälfte der englischen Welt – warum nicht gar über die ganze? Warum nicht gar den Lordtitel zu Recht beanspruchen, mit dem ihn seine Untergebenen titulierten, ohne daß er darauf Anspruch gehabt hätte? Und mit der naiven Eitelkeit der Emporkömmlinge gestand sich Toby insgeheim, daß sich sein Name wunderbar dazu eignete, mit dem Titel eines Lords geschmückt zu werden.

Ein Pfeifton, der auf bestimmte Art und Weise erklang, unterbrach seine Träumerei. Das war das mit seinen Beamten vereinbarte Signal. Es zeigte an, daß die Behausung des Korsaren völlig umzingelt war. Entschlossen nahm Sir Toby den Revolver in die rechte Hand – eine Geste, die von seinen Begleitern sofort nachvollzogen wurde –, während er mit der linken den kupfernen Türklopfer packte, ihn mehrmals gegen die Tür wummerte und mit schneidender Stimme rief: »Im Namen der Königin, öffnen Sie!«

Und da geschah etwas Unerwartetes. Der Polizeichef hatte das letzte Wort noch nicht beendet, als die Tür blitzschnell aufgerissen wurde.

Überrascht – denn es war im allgemeinen nicht üblich, daß die außerhalb des Gesetzes stehenden Individuen derart schnell den Aufforderungen der Polizei nachkommen – sahen Sir Toby, sein Sekretär, Silly und der sie begleitende Beamte, wie plötzlich schwarze menschliche Gestalten auf sie zustürzten. Sie wurden von kräftigen Händen gepackt und mit atemberaubender Schnelligkeit entwaffnet, anschließend ins Haus gezerrt, deren schwere Tür sich sofort wieder hinter ihnen schloß.