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Zufrieden streckten sie sich auf dem Moos aus. Jetzt hieß es Kräfte sammeln, um neuen Widerwärtigkeiten unerschrocken gegenübertreten zu können. Denn der englische Soldat ist der beste auf der Welt, das weiß schließlich jeder, allerdings muß er gut essen, besser trinken, ausreichend schlafen und wenig marschieren.

Und bald bewies auch ein wonniges Schnarchen, daß die fünf Helden dem Ruf der englischen Armee alle Ehre machten.

Unmittelbar neben den friedlich Schlafenden rückte plötzlich ein Busch zur Seite und gab den Blick auf eine Höhle frei, in der zwei lachende Gesichter zu erkennen waren. Das waren Joe Pritchell und Armand Lavarède.

»Nun«, sagte der Besitzer der Insel, »ich denke, das hat Sie ein wenig amüsiert.«

»Ich habe Tränen gelacht. Diese Insel ist ja mit einer wirklichen Theatermaschinerie ausgerüstet.«

»Oh, ganz und gar nicht. Ein natürlicher Gang führt von der unterirdischen Grotte bis zu diesem Punkt. Mein ganzes Verdienst bestand nur darin, die Soldaten durch nicht zu übersehende Hinweise bis zu diesem Punkt geleitet zu haben.«

»Ich verstehe nicht.«

»Nun, das ist ganz einfach. Sehen Sie, dieser Pfad, der den Gipfel der Klippe mit dem Bächlein verbindet, den habe ich heute morgen erst anlegen lassen. Wenn sich jemand in einem Gebiet befindet, das er nicht kennt, wird er immer einen ausgetretenen Pfad dem Dickicht vorziehen, weil er annimmt, daß dieser Weg irgendwohin führt.«

»Das ist richtig.«

»Nun, das ist das ganze Geheimnis. Seit sie an Land gegangen sind, folgen diese tapferen Soldaten Pfaden, die ich entsprechend den Instruktionen von Korsar Triplex angelegt habe.«

Armand lächelte.

»Gestatten Sie eine Frage«, sagte er. »Warum gehorchen Sie Kapitän Triplex?«

»Ich gehorche, weil mir in diesem Falle das Gehorchen ausgesprochenes Vergnügen macht«, sagte Pritchell und erwiderte Lavarèdes Lächeln.

Dann wandte er sich an die Männer, die ihm folgten, und sagte: »Also los, Jungs, tut, was wir vereinbart haben.«

Gegen vier Uhr wurde Korporal Kiddy munter. Er empfand ein Gefühl unerklärlichen Wohlbehagens. Die Temperatur schien ihm gefallen zu sein, als hätte man ihn aus der subtropischen in eine angenehmere Klimazone transportiert. Er richtete sich auf, gähnte ausgiebig und murmelte: »Wir müssen zurück an Bord. Morgen können wir weitersehen.«

Er stand auf.

»He! Holla, Jungs! Auf, auf, los!«

Doch plötzlich hielt er inne.

»Nanu, bin ich denn blöde!«

Er blickte erneut zu seinen Männern, rieb sich die Augen und sagte mit wachsender Empörung: »Diese Burschen sind wohl verrückt geworden! Haben die sich einfach ausgezogen! Nur im Hemd …, und das im Dienst!«

Was diese Entrüstung hervorrief, das war das Aussehen der vier Kanoniere. Sie schliefen wie die Engel und hatten, sicher, um weniger unter der Hitze zu leiden, Uniformbluse und Hose abgelegt. Wütend wollte Kiddy sie wecken und zur Räson bringen, aber als er aufsprang, streifte ihn ein Zweig am Bein. Er blickte an sich hinab und blieb wie angewurzelt stehen.

Auch er hatte nur sein Hemd an.

»Das, das, das ist …«, stotterte er, »… das Stärkste, was …, und ich habe es nicht einmal bemerkt.«

Gott sei Dank schlafen sie, dachte er, also kann ich meine Uniform wieder anziehen, ohne daß sie es merken, denn ein Korporal im Hemd sieht nicht gerade autoritär aus.

Und sich immer wieder fragend, wie ihm das nur passieren konnte, machte er sich auf die Suche nach seinen Uniformstücken.

Nach fünf Minuten Suche wurde ihm klar, daß sich seine Sachen nicht auf der Lichtung befanden. Ihm blieben nur sein Hemd, seine Schnürstiefel, seine Feldmütze, sein Gürtel und sein Gewehr.

Das gleiche galt auch für seine Untergebenen. Da wurde es ihm mit einemmal schlagartig klar. Dahinter konnte doch nur wieder Korsar Triplex stecken.

Schreiend und fluchend weckte er die Kanoniere, deren Wutgeschrei sich bald darauf mit seinem vereinte.

Aber sosehr sie auch den schlechten Scherz verfluchen mochten, es blieb ihnen letztlich nichts weiter übrig, als sich in das Unvermeidliche zu schicken und in diesem lächerlichen Aufzug wieder an Bord zurückzukehren.

Die Schande der im Hemd zurückkehrenden Patrouille war die Freude der an Bord verbliebenen Seemänner.

Was aber die Wut des Korporals nur noch vergrößerte, war ein Offizier, der sich zur Villa von Joe Pritchell begeben wollte und dem auf dem Strand einige Uniformen auffielen, die dort herumlagen. Als der Offizier an Bord zurückkehrte, wurden den Männern ihre Uniformen wieder ausgehändigt.

In der Tasche seiner Hose fand Kiddy einen Zettel, auf dem er lesen konnte: Korsar Triplex liebt keine Leute, die allzu neugierig sind.

Von nun an meldete sich niemand mehr freiwillig, das Versteck ausfindig zu machen, von dem aus der geheimnisvolle Korsar die englische Flotte überwachte. Lord Strawberry und sein Stabschef jedoch genossen weiterhin die Gastfreundschaft von Joe Pritchell. Alle warteten darauf, daß die Ankunft des Kreuzers aus Sydney endlich das Geheimnis lösen würde.

Zehntes Kapitel

Kinematograph und Phonograph

Dreiunddreißig Tage waren es inzwischen, daß Lord Strawberry fast täglicher Tischgast von Joe Pritchell war; seit dreiunddreißig Tagen folgte Lavarède letzterem wie ein Schatten, ohne auch nur den geringsten Hinweis auf das Geheimnis zu erhalten, das ihn umgab. Wenn man noch bedenkt, daß der Pariser während der ganzen Zeit seine Reisegefährten im Inneren der Insel nur sporadisch gesehen hatte, so kann man sich vorstellen, daß er sich allmählich langweilte.

Das Essen, das aus einem erlesenen Menü mit mehreren Gängen bestanden hatte, ging zu Ende. Die Tischgesellschaft war beim Mokka angelangt. Man sah nur strahlende Gesichter, denn man muß anerkennen, daß die englischen Offiziere alles andere als unzufrieden über ihren langen Aufenthalt auf der Goldinsel waren. Ihr Gastgeber war so zuvorkommend, seine Tafel so erlesen, daß diese für gewöhnlich an die spartanische Kost an Bord gewohnten Männer die gastronomischen Meisterwerke ihres Gastgebers in aller Ruhe verdauen wollten.

Pritchell stand inmitten einer Gruppe, zu der auch der Admiral und Armand gehörten, und diskutierte lebhaft über Vor- und Nachteile von Heizkesseln bei Dampfschiffen, wobei er der Überzeugung war, daß die Schiffstechnik ja noch in den Kinderschuhen stecke. Da betrat ein Bediensteter den Raum. Auf einem silbernen Tablett trug er einen Brief. Er ging auf den Eigentümer der Insel zu und überreichte diesem das Schreiben.

Ein Lächeln lag auf Pritchells Gesicht, als er sich umdrehte und dabei zu seinen Zuhörern sagte: »Sie gestatten, meine Herren.«

Dann nahm er den Brief, brach das Siegel, überflog den Inhalt und sagte fröhlich: »Hören Sie, meine Herren, ich erfahre soeben, daß Ihre Gefangenschaft ihrem Ende zugeht.«

Die Anwesenden umringten ihn. Andächtiges, ja fast wehmütiges Schweigen herrschte im Saal. Mit ruhiger Stimme las er vor: »Ehrenwerter Sir. Der nach Sydney entsandte Kreuzer wird heute abend in der Silly-Maudlin-Bucht einlaufen.«

»Oh! Ah!« riefen einige Stimmen.

»Ruhe! Ruhe!« riefen die anderen.

»Dieses Schiff hat Sir Toby Allsmine an Bord. Die Admiralität ermächtigt Lord Strawberry, ein Tribunal einzusetzen, um die unterschiedlichen Standpunkte des Chefs der Pazifikpolizei und seines Anklägers, Korsar Triplex, zu untersuchen. Falls dabei einer als schuldig angesehen werden muß, wird er nach England überführt und dort entsprechend der Rechtsprechung Ihrer Majestät der Königin abgeurteilt.