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Von draußen auf dem Gang konnte sie Unruhe und erhobene Stimmen vernehmen. Sie spürte die allgemeine Aufregung. Ein scharfer Befehl wurde gegeben, dann folgte ein Klappern, als etwas zu Boden fiel, und jemand lachte. Es klang ganz alltäglich, und doch wünschte sie sich in diesem Augenblick, dabeizusein, an dem, was vorging, teilnehmen zu können. Dann fiel ihr Blick auf das Bett, auf den Punkt, wo ihr linkes Bein endete und die Decke unvermittelt flach abfiel. Zum erstenmal spürte Vivian eine plötzliche Angst und fühlte sich verzweifelt einsam.

»Oh, Mike«, flüsterte sie, »Mike, Liebling, wo du auch bist, bitte, komm bald zu mir.«

Schwester Penfield war im Begriff, die Kantine zu betreten, als sie die Gruppe erblickte, die hinter ihr herkam. Sie erkannte den Verwaltungsdirektor und den Chef der Chirurgie. Hinter ihnen bemühte sich die Küchenleiterin Mrs. Straughan mit heftig wallendem Busen, mit ihnen Schritt zu halten.

Harry Tomaselli verlangsamte sein Tempo, als sie durch den Eingang der Kantine traten. Er sagte zu Mrs. Straughan: »Es muß schnell und unauffällig gehen.«

Die Küchenleiterin nickte, und durch einen Nebeneingang betraten sie die Küche.

O'Donnell winkte Schwester Penfield. »Kommen Sie bitte mit. Ich möchte, daß Sie uns helfen.«

Was jetzt geschah, erfolgte schnell und präzise. Eben noch hatte eine Frau in mittlerem Alter am Schalter der Kantine Essen ausgegeben, und jetzt hatte Mrs. Straughan sie am Arm ergriffen und führte sie in ihr Büro im Hintergrund. O'Donnell sagte zu der verwirrten Frau: »Einen Augenblick, bitte«, und winkte Schwester Penfield zu, bei ihr zu bleiben.

»Nehmen Sie die Speisen, die sie ausgegeben hat«, wies er Mrs. Straughan an, »und verbrennen Sie sie. Holen Sie alles, was sie ausgegeben hat, soweit Sie können, zurück. Entfernen Sie alles Geschirr, das sie berührt haben kann, und kochen Sie es ab.«

Die Küchenleiterin ging zu den Ausgabeschaltern. Nach ein paar Minuten waren O'Donnells Anweisungen befolgt, und die Schlange der Kantinenbesucher bewegte sich wieder weiter. Nur die paar Leute, die in unmittelbarer Nähe standen, hatten die Szene bemerkt.

In dem Büro im Hintergrund der Küche sagte O'Donnell zu der Frau: »Mrs. Burgess, Sie müssen sich als Patientin des Krankenhauses betrachten.« Freundlich fügte er hinzu: »Seien Sie nicht beunruhigt, wir werden Ihnen alles erklären.«

Zu Schwester Penfield sagte er: »Bringen Sie diese Patientin in die Isolierstation. Sie darf mit niemanden in Berührung kommen. Ich werde Dr. Chandler benachrichtigen, und er wird die Anweisungen für ihre Behandlung geben.«

Sanft führte Elaine Penfield die erschrockene Frau fort.

Mrs. Straughan fragte neugierig: »Was geschieht jetzt mit ihr, Dr. O'Donnell?«

»Sie wird gut versorgt werden«, antwortete O'Donnell. »Sie wird isoliert bleiben, und der Internist wird sie eine Zeitlang beobachten. Manchmal kann ein Typhusträger eine Gallenblasenentzündung haben, und in diesem Falle wird sie wahrscheinlich operiert werden.« Er fügte hinzu: »Natürlich erfolgen noch Nachuntersuchungen, auch bei allen anderen, die erkrankt sind. Dafür wird Harvey Chandler sorgen.«

Am Telefon im Büro der Küche sagte Hary Tomaselli einem seiner Untergebenen: »Sie haben richtig verstanden. Sagen Sie alles ab, und machen Sie alles rückgängig: die Verlegungen, die Entlassungen, die nicht sowieso erfolgt wären, die bestellten Mahlzeiten, alles. Und wenn Sie das getan haben, rufen Sie die Aufnahme an.« Der Verwaltungsdirektor lächelte über dem Schreibtisch O'Donnell breit zu. »Geben Sie bekannt, daß das Three Counties Hospital wieder Patienten aufnimmt.«

Tomaselli legte den Hörer zurück und nahm die Tasse Kaffee an, die die Küchenleiterin ihm aus ihrer privaten Kaffeemaschine eingegossen hatte.

»Übrigens, Mrs. Straughan«, sagte er, »ich hatte noch keine Gelegenheit, es Ihnen mitzuteilen, aber Sie bekommen Ihre neuen Geschirrspülmaschinen. Der Ausschuß hat die Ausgabe genehmigt, und der Auftrag ist schon erteilt. Ich nehme an, daß der Einbau nächste Woche erfolgt.«

Die Küchenleiterin nickte. Offensichtlich hatte sie mit dieser Mitteilung gerechnet. Jetzt wendeten sich ihre Gedanken anderen Dingen zu. »Da ist noch etwas, das ich Ihnen gern zeigen möchte, da Sie gerade hier sind, Mr. T. Ich brauche mehr Kühlraum.« Sie sah den Verwaltungsdirektor streng an. »Ich hoffe, daß diesmal keine Epidemie notwendig ist, um zu beweisen, daß ich recht habe.«

Der Verwaltungsdirektor seufzte und stand auf. Er fragte O'Donnelclass="underline" »Haben Sie heute auch noch Fragen an mich?«

»Heute nicht mehr«, antwortete O'Donnell, »aber morgen gibt es etwas Wichtiges zu erledigen, das ich selbst in die Hand nehmen werde.«

Er dachte dabei an Eustace Swayne.

XXIV

David Coleman hatte nicht gut geschlafen. Während der Nacht waren seine Gedanken ständig zum Three Counties Hospital, der pathologischen Abteilung und Dr. Joseph Pearson zurückgekehrt.

Nichts in den letzten Tagen hatte auch nur im geringsten Dr. Pearsons Schuld an dem Tod des Babys der Alexanders verringert. Seine Verantwortung war ebenso groß wie vor einer Woche. Coleman hatte auch seine Ansicht nicht revidiert, daß die Pathologie im Three Counties Hospital verlottert, in überholten Konzeptionen festgefahren und durch veraltete Methoden und Geräte, die schon längst hätten ersetzt werden müssen, hinter der Zeit zurückgeblieben sei.

Trotzdem hatte David Coleman in den vergangenen vier Tagen mit Unbehagen bemerkt, wie sich seine Empfindungen gegenüber Pearson veränderten und sein Urteil über ihn milder wurde. Vor einer Woche hatte er in Pearson einen fast senilen, unfähigen Mann gesehen, der sich zu lange an seine Stellung geklammert hatte. Seitdem war nichts Greifbares eingetreten, das diese Überzeugung ändern konnte. Welchen Grund gab es also, daß er jetzt Unbehagen darüber empfand?

Selbstverständlich war es richtig, daß der alte Mann dem Ausbruch des Typhus und den Folgen, die sich daraus ergaben, entschlossen entgegengetreten und die erforderlichen Maßnahmen mit einer Sachkenntnis und Fähigkeit angeordnet hatte, die Coleman selbst vielleicht nicht aufweisen konnte. Aber war das so überraschend? Schließlich fiel Pearsons Erfahrung ins Gewicht, und in Anbetracht der Bedeutung der vorliegenden Situation war es nur verständlich, daß Pearson sich ihr auch gewachsen zeigen wollte.

Aber sein eigenes Gesamtbild von Pearson war jetzt weniger klar, weniger fest. Vor einer Woche hatte er den alten Pathologen - welche Verdienste er sich auch in der Vergangenheit erworben hatte - als intellektuellen >Habenichts< klassifiziert. Jetzt war sich David Coleman seines Urteils nicht mehr sicher. Er fürchtete, daß er sich in Zukunft sehr vieler Dinge nicht mehr sicher sein würde.

Die Schlaflosigkeit hatte ihn früh ins Krankenhaus gebracht, und es war kurz nach acht, als er in die Pathologie eintrat. Roger McNeil, der Assistent, saß an Pearsons Schreibtisch.

»Guten Morgen«, sagte McNeil. »Sie sind der erste. Die anderen schlafen wahrscheinlich noch.«

David Coleman fragte: »Sind wir mit der anderen Arbeit sehr im Rückstand?«

»Es ist nicht so schlimm«, antwortete McNeil. »Es hat sich eine ganze Menge nicht dringender Dinge angesammelt, aber mit dem Wichtigen bin ich auf dem laufenden geblieben.« Er fügte hinzu: »Seddons hat eine ganze Menge geholfen. Ich habe ihm geraten, bei der Pathologie zu bleiben, statt zur Chirurgie zurückzugehen.«

Ein anderer Gedanke hatte Coleman geplagt. Er fragte den Assistenten: »Diese Lernschwester, die mit der Amputation. Ist das Bein schon seziert worden?« Er hatte nicht vergessen, daß er in der Diagnose mit Pearson nicht übereingestimmt hatte.

»Nein.« McNeil suchte eine Krankengeschichte auf dem Schreibtisch heraus. »Vivian Loburton«, las er vor, »so heißt das Mädchen. Es war nicht dringend, darum stellte ich die Untersuchung zurück. Das Bein ist noch im Kühlschrank. Wollen Sie es selbst machen?«