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An diesem Bette saß ein schönes, liebliches Kind, von etwa sechzehn bis siebzehn Jahren. Sie war in jene malerische Bauerntracht gekleidet, die sich teilweise bis auf unsere Tage in Schwaben erhalten hat. Ihr gelbes Haar war unbedeckt, und fiel in zwei langen, mit bunten Bändern durchflochtenen Zöpfen über den Rücken hinab. Die Sonne hatte ihr freundliches, rundes Gesichtchen etwas gebräunt, doch nicht so sehr, daß es das schöne jugendliche Rot auf der Wange verdunkelt hätte; ein munteres, blaues Auge blickte unter den langen Wimpern hervor. Weiße faltenreiche Ärmel bedeckten bis an die Hand den schönen Arm, ein rotes Mieder mit silbernen Ketten geschnürt, mit blendend weißen, zierlich genähten Linnen umgeben, schloß eng um den Leib; ein kurzes, schwarzes Röckchen fiel kaum bis über die Knie herunter; diese schmucken Sachen und dazu noch eine blanke Schürze und schneeweiße Zwickelstrümpfe mit schönen Kniebändern, wollten beinahe zu stattlich aussehen zu dem dürftigen Gemach, besonders da es Werktag war.

Die Kleine spann emsig feine, glänzende Fäden aus ihrer Kunkel, zuweilen lüftete sie die Gardinen des Bettes und warf einen verstohlenen Blick hinein. Doch schnell, als wäre sie auf bösen Wegen erfunden worden, schlug sie die Vorhänge wieder zu und strich die Falten glatt, als sollte niemand merken, daß sie gelauscht habe.

Die Türe ging auf, und eine runde, ältliche Frau in derselben Tracht wie das Mädchen, aber ärmlicher gekleidet, trat ein. Sie trug eine dampfende Schüssel Suppe zum Frühstück auf und stellte Teller auf dem Tische zurecht. Indem fiel ihr Blick auf das schöne Kind am Bette, sie staunte sie an und wenig hätte gefehlt, so ließ sie den Krug mit gutem Apfelwein fallen, den sie eben in der Hand hielt.

»Was fällt der aber um Gottes willa ei', Bärbele«, sagte sie, indem sie den Krug niedersetzte und zu dem Mädchen trat, »was fällt der ei', daß de am Wertich da nuia rauta Rock zum Spinna anziehst? und au 's nui Mieder hot se an, und, ei daß di! – au a silberne Kette. Und en frischa Schurz und Strümpf no so mir nix dir nix aus em Kasta reißa? Wer wird denn en solcha Hochmuat treiba, du dumms Ding, du? Woißt du net, däß mer arme Leut sind? und daß du es Kind voma ouglückliche Mann bist? –«[A1]

Die Tochter hatte geduldig die ereiferte Frau ausreden lassen; sie schlug zwar die Augen nieder, aber ein schelmisches Lächeln, das über ihr Gesicht flog, zeigte, daß die Strafpredigt nicht sehr tief gehe. »Ei, so lasset uich doch b'richta«, antwortete sie, »was schadet's denn dem Rock, wenn i ihn au amol amma christliche Wertag ahan? an der silberna Kette wird au nix verderbt, und da Schurz kann i jo wieder wäscha!«[A2]

»So? als wemma et immer gnuag z'wäscha und z'putza hätt? So sag mer no, was ist denn in de gfahra, daß de so strählst und schöa machst?«[A3]

»Ah was!« flüsterte das errötende Schwabenkind, »wisset Er denn net, daß heut der acht' Tag ist? hot et der Ätti g'sait, der Junker werd' am heutiga Morga verwacha, wenn sei Tränkle guete Wirking häb? und do hanne eba denkt –«[A4]

»Ist's um dui Zeit?« entgegnete die Hausfrau freundlicher; »da host wärle reacht; wenn er verwacht und sieht älles so schluttich und schlampich, se ist et guot und könnt Verdruß gä beim Ätte. Ih sieh au aus wie na Drach. Gang Bärbele; holmer mei schwaarz Wammas, mei rauts Miader und en frischa Schurz.«[A5]

»Aber Muater«, gab die Kleine zu bedenken. »Er wendt Ich doch ett do atau wella? wenn der Junker jetzt no grad verwacha tät? ganget lieber uffe und teant Ich droban a, i bleib derweil bei em.«[A6]

»Da host et aureacht, Mädle«[A7], murmelte die Alte, ließ selbst das Frühstück stehen und ging, um sich in ihren Putz zu werfen. Die Tochter aber öffnete das Fenster der frischen erquickenden Morgenluft, sie streute Futter auf den breiten Sims, viele Tauben und Sperlinge flogen heran, und verzehrten mit Gurren und Zwitschern ihr Frühstück; die Lerchen in den Bäumen vor den Fenstern antworteten in einem vielstimmigen Chorus, und das schöne Mädchen sah, von der Morgensonne umstrahlt, lächelnd ihren kleinen Kostgängern zu.

In diesem Augenblick öffneten sich die Gardinen des Bettes der Kopf eines schönen, jungen Mannes sah heraus; wir kennen ihn, es ist Georg.

Ein leichtes Rot, der erste Bote wiederkehrender Gesundheit lag auf seinen Wangen; sein Blick war wieder glänzend wie sonst; sein Arm stemmte sich kräftig auf das Lager. Erstaunt blickte er auf seine Umgebungen; dieses Zimmer, diese Geräte waren ihm fremd, er selbst, seine ganze Lage kam ihm ungewohnt vor. Wer hatte ihm diese Binde um das Haupt gebunden? Wer hatte ihn in dieses Bett gelegt; es war ihm wie einem, der mit fröhlichen Brüdern eine Nacht durchjubelt, die Besinnung endlich verliert, und auf einem fremden Lager aufwacht.

Lange sah er dem Mädchen am Fenster zu; dieses Bild, das erste, das ihm bei seinem Erwachen aus langem Schlafe, entgegentrat, war so freundlich, daß er das Auge nicht davon abwenden konnte; endlich siegte die Neugierde, über das, was mit ihm vorgegangen war, gewisser zu werden; er machte ein Geräusch, indem er die Gardinen des Bettes noch weiter zurückschlug.

Das Mädchen am Fenster schien zusammenzuschrecken; sie wandte sich um, über ihr schönes Gesicht flog ein brennendes Rot, freundliche blaue Augen staunten ihn an; ein roter, lächelnder Mund schien vergebens nach Worten zu suchen, den Kranken bei seiner Rückkehr ins Leben zu begrüßen. Sie faßte sich, und eilte mit kurzen Schrittchen an das Bette, doch machte sie unterwegs mehreremal halt, als besinne sie sich, ob er denn wirklich wieder aufgewacht sei, ob es sich auch schicke, daß sie zu ihm trete, da er jetzt wieder lebe wie ein anderer Mensch.

Der junge Mann, nachdem er der Verlegenheit des schönen Kindes lächelnd zugesehen hatte, brach zuerst das Stillschweigen.

»Sag mir, wo bin ich? wie kam ich hieher?« fragte Georg, »wem gehört dieses Haus, worin ich, mir scheint aus einem langen Schlaf erwacht bin?«

»Sind Er wieder ganz bei Ich?« rief das Mädchen, indem sie vor Freude die Hände zusammenschlug. »Ach, Herr Jeses, wer hett des denkt? Er gucket oin doch au wieder g'scheit an und et so duselig, daß oims ällamol angst und bang wora ist.«[A8]

»Ich war also krank?« forschte Georg, der das Idiom des Mädchens nur zum Teil verstand. »Ich lag einige Stunden ohne Bewußtsein?«

»Ei wie schwäzet Er doch«, kicherte das hübsche Schwabenkind und nahm das Ende des langen Zopfbandes in den Mund, um das laute Lachen zu verbeißen; »a baar Stund, saget Er? Heit nacht wird's grad nei Tag, daß se Ich brocht hent.«[A9]

Der Jüngling staunte sie mit ernsten Blicken an. Neun Tage ohne zu Marien zu kommen! Zu Marien? mit diesem himmlischen Bilde kehrte wie mit einem Schlag seine Erinnerung wieder, er erinnerte sich, daß er vom Bunde sich losgesagt habe; daß er sich entschlossen habe nach Lichtenstein zu reisen, daß er über die Alb auf geheimen Wegen gezogen sei, daß – er und sein Führer überfallen, vielleicht gefangen wurde; »gefangen?« rief er schmerzlich, »sage Mädchen, bin ich gefangen?«

Diese hatte mit wachsender Angst gesehen, wie sich die klaren Blicke des jungen Ritters verfinstert hatten, wie seine freundlichen Züge ernst, beinahe wild wurden. Sie glaubte, er falle in jenen schrecklichen Zustand zurück, wo er vom Wundfieber hart angefallen, einige Stunden lang gerast hatte; und der schwermütige Ton seiner Frage konnte ihre Furcht nicht mindern. Unschlüssig, ob sie bleiben oder um Hülfe rufen sollte, trat sie einen Schritt zurück.

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A1

Wir setzen für Leser, welche dieses Idiom nicht verstehen, hier eine getreue Übersetzung bei: »Was fällt dir aber um Gottes willen ein, daß du am Werktag den neuen roten Roch zum Spinnen anziehst? Auch das neue Mieder hat sie an und eine silberne Kette. Und einen frischen Schurz und frische Strümpfe ungefragt aus dem Kasten reißen! wer wird solchen Hochmut treiben? Dummes Kind, weißt du nicht daß wir arme Leute sind, daß du die Tochter eines unglücklichen Mannes bist?«

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A2

»Lasset Euch doch berichten! was schadet es denn diesem Rock, wenn ich ihn einmal an einem christlichen Werktag anhabe; an der silbernen Kette wird auch nichts verdorben, und den Schurz kann man wieder waschen!«

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A3

»So? als hätte man nicht genug zu waschen? Sag mir nur, was ist denn in dich gefahren, daß du dich so aufputzt und schön machst?«

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A4

»Ach! wißt Ihr denn nicht, daß heute der achte Tag ist? hat nicht der Vater gesagt, der Junker werde am heutigen Morgen erwachen, wenn sein Trank gute Wirkung hat, da dachte ich nun –«

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A5

»Ist's um diese Zeit? wahrlich du hast recht! wenn er erwacht und sieht alles so ohne Ordnung! es wäre nicht gut und könnte beim Vater Verdruß geben. Ich sehe aus wie ein Drache. Gehe, bringe mir mein schwarzes Wams, mein rotes Mieder und einen frischen Schurz.«

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A6

»Aber Mutter, Ihr werdet Euch doch nicht hier ankleiden wollen? wenn der Junker gerade jetzt erwachte! gehet hinauf, kleidet Euch oben an; ich bleibe bei ihm.«

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A7

»Du hast nicht unrecht.«

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A8

»Seid Ihr wieder ganz bei Euch? Ach Herr Jesus! wer hätte das gedacht! Ihr schauet doch auch wieder vernünftig aus den Augen, und nicht so verwirre, daß man Bange bekam!«

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A9

»Wie schwatzet Ihr doch! Ein paar Stunden? heute nacht wird es neun Tage, daß man Euch gebracht hat.«