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Die runde Frau konnte sich nicht enthalten, über die richtige Vermutung ihres Kindes etwas weniges zu lächeln, doch schnell nahm sie ihre mütterliche Würde wieder zusammen, indem sie entgegnete: »A, was woist du von Schäz! So na Kind wia du muaß gar an nix so denka. Gang jetzt weg vom Fensterle dort, lang mir sell Häfele her. Der Herr wird a fürnehms Fressa gwohnt sei, i muaß am a bisle viel Schmalz in da Brei dauh.«[A16]

Bärbele verließ etwas empfindlich das Fenster: sie wußte, daß sie ihrer Mutter nicht widersprechen dürfe, aber diesmal hatte sie offenbar unrecht. Ging nicht das Mädchen schon seit einem Jahr in den Lichtkarz, wo von den Mädchen des Dorfes über Schätzchen und Liebe viel gesprochen und gesungen wurde, hatten nicht einige ihrer Gespielinnen, die wenige Wochen älter waren als sie, schon jede einen erklärten Schatz, und sie allein sollte nicht davon sprechen, nicht einmal etwas davon wissen dürfen? Nein, es war recht unbillig von der runden Frau, ihrem Töchterlein, das, wenn sie sich auf die Zehen stellte, der Mutter über die Schulter sehen konnte, solche Wissenschaft geradehin zu verbieten. Aber wie es zu geschehen pflegt: das Verbot reizt gewöhnlich zur Übertretung, und Bärbele nahm sich vor, nicht eher zu ruhen, als bis sie wisse, warum der junge Ritter mit so gar »fuirigen Augen« auf seine Feldbinde hinschaue.

Das Frühstück des Junkers war indessen fertig geworden, es fehlte nichts mehr als ein Becher guten alten Weines; auch dieser war bald herbeigebracht, denn der Pfeifer von Hardt war zwar ein geringer Mann, aber nicht so arm, daß er nicht für feierliche Gelegenheiten ein Fäßchen im Keller liegen hatte; das Mädchen trug den Wein und das Brot, und die runde Frau ging im vollen Sonntagsstaat, die Schüssel mit Habermus in beiden Fäusten, ihrem holden Töchterlein voran in die Stube.

Es kostete den jungen Mann nicht geringe Mühe, den vielen Knicksen der Pfeifersfrau Einhalt zu tun; sie hatte in ihrer Jugend einmal auf dem Schloß zu Neuffen gedient, und wußte was Lebensart war; daher blieb sie mit der rauchenden Schüssel an ihrer eigenen Schwelle stehen, bis ihr der gestrenge Junker ernstlich befahl, vorzutreten. Die Tochter aber stand errötend hinter der runden Frau, und ihr verschämtes Gesicht ward nur auf Augenblicke sichtbar, wenn die Mutter sich recht tief verneigte. Auch sie machte die gehörige Anzahl Knickse, doch mochten sie nicht so ungemein ehrerbietig sein, denn sie hatte ja schon ein halb Stündchen mit ihm geplaudert.

Das Mädchen deckte jetzt den Tisch mit frischen Linnen; setzte dem Junker das Habermus und den Wein an den Ehrenplatz in der Ecke der Bank unter dem Kruzifix; dann steckte sie einen zierlich geschnitzten hölzernen Löffel in das Mus; er blieb aufrecht darin stehen, und es war dies ein gutes Zeichen, daß das Frühstück delikat bereitet sei. Als der Junker sich niedergelassen hatte, setzten sich auch Mutter und Tochter an den Tisch zu ihrem Suppennapf, doch in bescheidener Entfernung und nicht ohne das Salzfaß zwischen sich und ihren vornehmen Gast zu stellen. Denn so wollte es die Sitte in den guten, alten Zeiten.

Georg hatte, während sie das Frühmahl verzehrten, Muße genug, die beiden Frauen zu betrachten. Er gestand sich, daß die Hausehre des Pfeifers von Hardt eine stattliche Frau sei, die vielleicht manchen weniger kühnen Mann als seinen Führer und Erretter unter die Stelzen ihrer gewichtigen Schuhe (Pantoffel hatte sie wohl nicht) gebracht hätte. Auch das Kind des Spielmanns dünkte ihm eine liebliche Dirne, und ein so schöner Kopf, solche freundliche Augen hätten vielleicht in seinem Herzen einen nicht zu verachtenden Raum gewonnen, wäre es nicht von einem Bild schon ganz erfüllt gewesen, wäre nicht die Kluft so unendlich groß gewesen, welche Geburt und Verhältnisse zwischen den Erben des Namens Sturmfeder und der geringen Tochter des Pfeifers von Hardt befestigt hatte. Nichtsdestoweniger ruhten seine Blicke mit Wohlgefallen auf ihren reinen, unschuldigen Zügen, und wäre die runde Frau nicht mit ihrer Suppe zu beschäftigt gewesen, so wäre ihr wohl die Röte nicht entgangen, die auf den Wangen ihres Kindes aufstieg, wenn zufällig einer ihrer verstohlenen Blicke dem Auge des jungen Mannes begegnete.

»Der Napf ist leer, jetzt ist es Zeit zu schwatzen.« Dieser richtige Spruch galt auch hier sobald das Tischtuch weggenommen war. Georg lagen vornehmlich zwei Dinge am Herzen; er mußte gewiß sein, wann der Pfeifer von Lichtenstein zurückkommen würde, weil er nur seine Nachrichten über die Geliebte abwarten wollte, um dann sogleich zu ihr zu eilen; und zweitens war es ihm sehr wichtig, zu erfahren, wo das Heer des Bundes in diesem Augenblick stehe. Über das erstere konnte er keine weitere Auskunft erhalten, als was ihm das Mädchen früher schon gesagt hatte; der Vater sei etwa seit sechs Tagen abwesend; habe aber versprochen am fünften Abend wieder hier zu sein, und sie erwarten ihn daher stündlich. Die runde Frau vergoß Tränen, indem sie dem Junker klagte, daß ihr Mann, seitdem dieser Krieg begonnen, kaum einige Stunden zu Haus gewesen sei; er sei von früheren Zeiten her schon als ein unruhiger Mann berüchtigt; jetzt murmeln die Leute auch wieder allerlei über ihn, und gewiß bringe er seine Frau und sein Kind durch sein gefährliches Leben noch in Unglück und Jammer.

Georg suchte alle Trostgründe hervor, um ihre Tränen zu stillen; es gelang ihm wenigstens insoweit, daß sie ihm seine Fragen nach dem Bundesheer beantwortete.

»Ach Herr«, sagte sie; »des ist a Graus und a Jomer; 's ist grad wie wenn der wild Jäger uf de Wolka reitet, und mit seine g'schpenstige Hund übers Land wegzieht. 's ganz Unterland hent se schau, und jetzt got's mit em hella Haufa ge Tibenga.«

»So sind die Festungen alle schon in ihrer Hand?« fragte Georg verwundert; »Höllenstein, Schorndorf, Göppingen, Teck, Urach? Sind sie alle schon eingenommen?«

»Älles hent se; a Mann vo Schorndorf hot's g'sait, daß se de Hollastoi, Schorndorf und Göppenga hent. Aber von Teck und Aurich kane Uich ganz gnau berichta, mer send jo koine drei, vier Stund davo.« Sie erzählte nun, am dritten April sei das Heer vor Teck gezogen; sie haben einen Teil des Fußvolkes vor das eine Tor gesetzt, und sich mit der Besatzung über die Übergabe besprochen. Da seien alle Knechte zu diesem Tor geeilt und haben zugehört, und indessen sei das andere Tor von den Feinden bestiegen worden. Im Schloß Urach aber seien vierhundert herzogliche Fußknechte gewesen; diese habe die Bürgerschaft nicht in die Stadt lassen wollen, als der Feind anrückte. Es sei zum Gefecht zwischen ihnen gekommen, worin die Knechte auf den Markt gedrungen seien, dort aber sei der Vogt von einer Kugel getroffen, und nachher mit Hellebarden niedergestoßen worden; die Stadt habe sich dem Bunde ergeben. »Es ist koi Wunder«, schloß die runde Frau ihre Erzählung, »älle Burga und Schlösser nemmet se ei; denn se hent lange Feldschlanga und Bombardierstuck, wo se Kugla draus schießet, graißer als mei Kopf, daß älle Maura zema brecha, und älle Tirn eifalle müaßet.«

Georg konnte nach diesem Bericht ahnen, daß eine Reise von Hardt nach Lichtenstein nicht minder gefährlich sein werde, als jener Ritt über die Alb, denn er mußte gerade die Linie zwischen Urach und Tübingen durchschneiden. Doch war Urach schon seit mehreren Tagen von dem Heere verlassen; die Belagerung von Tübingen mußte notwendig viele Mannschaft erfordern, und so konnte Georg dennoch hoffen, daß keine eigentlichen Posten mehr den Strich Landes, den er zu durchreisen hatte, besetzt halten werden.

Mit Ungeduld erwartete er daher die Ankunft seines Führers. Seine Kopfwunde war geheilt; sie war nicht tief gewesen, denn die Federn seines Barettes und sein dichtes Haar hatten dem Hiebe, der nach ihm geführt worden war, seine Schärfe benommen; doch war der Schlag noch immer kräftig genug gewesen, um ihn auf so viele Tage des Bewußtseins zu berauben. Auch seine übrigen Wunden an Arm und Beinen waren geheilt, und die einzige körperliche Folge jener unglücklichen Nacht war eine Mattigkeit, die er dem Blutverlust, dem langen Liegen und dem Wundfieber zuschrieb; doch auch diese schwand von Stunde zu Stunde, denn ein frischer Mut und sehnsüchtige Gedanken in die Ferne, verjagen gar bald solche schlimme Gäste.

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A16

»Was weißt du von einem Schatz; ein Kind wie du soll nichts dergleichen denken. Gehe jetzt weg vom Fenster, reiche mir das Töpfchen dort. Der Herr wird vornehm zu essen gewohnt sein, ich muß ihm ein wenig viel Schmalz in den Brei tun.«