Выбрать главу

Der Herzog preßte die Lippen zusammen, wandte sich ab und sah hinaus ins Weite. Der von Schweinsberg hielt inne und blickte teilnehmend auf seinen Herrn, doch jener winkte ihm, fortzufahren.

»Ich stieg hinab ins Tal und wandelte weiter nach Tübingen. Die Stadt war schon seit vielen Tagen von den Bündischen besetzt, und nur wenige Truppen standen mehr im Lager, das sie über dem Ammertal auf dem Berge geschlagen hatten. Ich beschloß, mich in die Stadt zu schleichen und hinzuhorchen, wie es mit dem Schloß stehe, ehe denn ich auf dem geheimen Wege zur Besatzung ginge. Ihr kennet die Herberge in der oberen Stadt, nicht weit von Sankt-Georgen-Kirche, dort trat ich ein und setzte mich zum Weine. Die bündischen Ritter, so erfuhr ich unterweges, kehrten oft dort ein, daher schien mir dies der beste Platz zu meinem Zweck.«

»Ihr wagtet viel«, unterbrach ihn Herr von Lichtenstein; »wie leicht konnten Leute da sein, die Euch abkaufen wollten, und da wäre der Krämer bald entdeckt gewesen!«

»Ihr vergeßt, daß es Festtag war«, entgegnete jener; »ich hatte also guten Grund mein Bündel nicht aufzupacken und anzupreisen nach Krämersitte. Doch so leicht wäre ich wohl nicht entdeckt worden, habe ich doch an Georg von Frondsberg ein Büchslein mit Wundbalsam verkauft! Weiß Gott ich hätte lieber mit ihm gestritten, daß er es gleich hätte brauchen können. – Es war noch das Hochamt in der Kirche, daher war niemand in der Herberge; vom Wirt aber erfuhr ich, daß die Ritter im Schloß einen Waffenstillstand bis Ostermontag früh gemacht haben. Als die Kirche aus war, kamen richtig wie ich mir gedacht hatte, viele Ritter und Herren in die Herberge zum Frühtrunk. Ich setzte mich in einen Winkel auf die Ofenbank, wie es armen Leuten geziemt in Gegenwart so großer Herren.«

»Wen sahst du dort?« fragte der Herzog.

»Ich kannte einige, andere erriet ich aus dem Gespräch, das sie führten. Es war Frondsberg, Alban von Closen, die Huttischen, Sickingen und noch viele; bald trat auch der Truchseß von Waldburg ein. Ich zog die Kappe tiefer ins Gesicht als ich ihn sah denn er wird noch nicht vergessen haben, wie ich ihn vor fünfzehn Jahren im Lanzenstechen zu Nürnberg von der Mähre warf.«

»Saht Ihr nicht auch den Hauptmann Hans von Breitenstein?« unterbrach ihn Georg.

»Breitenstein? daß ich nicht wüßte, doch ja, so hieß wohl jener, der den Hammelschlegel auf einem Sitz verzehrte! Jetzt fingen sie an von der Belagerung zu reden und vom Waffenstillstand. Sie sprachen hin und her, oft flüsterten sie auch untereinander, doch ich habe gute Ohren und vernahm was mir nicht lieb war. Der Truchseß nämlich erzählte, daß er einen Pfeil in die Burg habe schießen lassen, mit einem Brieflein an Ludwig von Stadion. Es muß dies schon mehrere Mal geschehen sein, denn die Ritter verwunderten sich nicht als er weiter fortfuhr und sagte, wie er auf demselben Weg eine Antwort erhalten habe.«

Des Herzogs Stirne verfinsterte sich. »Ludwig von Stadion!« rief er schmerzlich. »Ich hätte Häuser auf ihn gebaut! Er war mir so lieb, ich tat ihm alles, was ich ihm an den Augen ansehen konnte – er hat mich zuerst verraten?!«

»Im Brieflein stand, daß er, der Stadion und noch zwölf andere der Fehde müde seien, auch schon halb und halb willens gewesen, sich zu ergeben; Georg von Hewen aber habe ihnen abgeraten.«

»Um den hab ich's nicht verdient«, sagte Ulerich; »ich war ihm gram, weil er mich oft getadelt hat, wenn ich nicht nach seinem Sinne tat. Wie man sich irren kann in den Menschen. Hätte man mich gefragt, wer mich verraten würde und wer dagegen spreche, ich hätte dort den Stadion, hier vielleicht Georg von Hewen genannt!«

»Im Brieflein stand auch noch weiter, daß Euer Durchlaucht vielleicht Entsatz bringen oder, wenn dies nicht möglich, auf geheimen Wegen in die Burg sich begeben wollen. Die Bündischen sprachen mancherlei hierüber. Sie waren aber darin einig, daß man die Besatzung zu einem Vergleich bringen müsse, ehe Ihr heranrücket oder gar ins Schloß kämet. Denn dann, meinten sie, können sie noch lange belagern müssen. Wie ich nun dies alles hörte, schien es mir nicht geraten, durch den geheimen Weg geradezu in die Burg zu gehen und mich zu entdecken, denn wie leicht konnte Stadion schon die Oberhand gewonnen haben, und dann war ich verraten. Ich beschloß den Tag noch zu warten; hörte ich bis Samstag früh nichts Schlimmeres über die Besatzung, so wollte ich ins Schloß dringen und Euer Durchlaucht Schreiben übergeben. Ich streifte im Lager und in der Stadt umher, und niemand hielt mich an; auch suchte ich mich immer in der Nähe der Obersten zu halten; so kam der Nachmittag.«

»Das war noch freitags, an dem Fest?« fragte Lichtenstein.

»Am heiligen Freitag war's. Nachmittags um drei Uhr ritt Georg von Frondsberg mit etlichen andern Hauptleuten vor die Stadtpforte an dem Schloß, und schrie hinauf, ob sie im Schlosse bauen? Ich stand nicht weit davon, und sah wie Stadion auf den Wall kam und antwortete: ›Nein; denn es wäre wider den Pakt des Stillstandes; aber ich sehe, daß Ihr im Feld bauet.‹ Georg von Frondsberg rief: ›So es geschehen, ist es ohne meinen Befehl geschehen; wer bist du?‹ Da antwortete der im Schloß: ›Ich bin Ludwig von Stadion.‹ Drauf lächelte der Bündische und strich sich den Bart. ›Ist's also wie du sagst‹, rief er, ›so will ich's wenden‹, ritt zu ein paar Schanzkörben und warf sie um. Dann rief er dem Stadion zu, mit einigen Rittern herabzukommen, und miteinander einen Trunk zu tun.«

»Und sie kamen?« rief der Herzog; »die Ehrvergessenen kamen?«

»Auf dem Schloßberg vor dem äußersten Graben ist ein Platz, dort sieht man weit ins Land; hinab ins Neckartal, hinauf die Steinlach, hinüber an die Alb und Zollern, und viele Burgen schmücken die Aussicht. Dorthin ließen sie einen Tisch bringen und Bänke, und die Bundesobersten setzten sich zum Wein. Dann ging das Tor von Hohen-Tübingen auf, die Brücke fiel über den Graben, und Ludwig von Stadion mit noch sechs andern kamen über die Brücke; sie brachten Eure silbernen Deckelkrüge, sie brachten Eure goldenen Becher und Euren alten Wein, sie grüßten die Feinde mit Gruß und Handschlag und setzten sich, besprachen sich mit ihnen beim kühlen Wein.«

»Der Teufel gesegne es ihnen allen[36]!« unterbrach ihn der Ritter vom Lichtenstein, und schüttete seinen Becher aus. Der Herzog aber lächelte schmerzlich und gab Marx Stumpf einen Wink, fortzufahren.

»So taten sie sich gütlich bis in die Nacht und zechten bis sie rote Köpfe bekamen und taumelten; ich stand nicht ferne und keine ihrer verräterischen Reden entging mir. Als sie aufbrachen, nahm der Truchseß den Stadion bei der Hand; ›Herr Bruder‹, sagte er, ›in Eurem Keller ist ein guter Wein, lasset uns bald ein, daß wir ihn trinken.‹ Jener aber lachte darüber, schüttelte ihm die Hand und sagte: ›Kommt Zeit, kommt Rat.‹ Wie ich nun sah, daß die Sachen also stehen, beschloß ich mit Gott mein Leben dranzusetzen, und in die Burg zu den Verrätern zu gehen. Ich ging hinaus bis in die Grafenhalde, wo der kleinere, unterirdische Gang beginnt. Ungesehen stieg ich hinab und drang bis in die Mitte. Dort hatten sie das Fallgatter herabgelassen und einen Knecht hingestellt; er legte an auf mich, als er mich durch die Finsternis kommen hörte, und fragte nach der Losung. Ich sprach, wie Ihr befohlen, das Losungswort Eures tapfern Ahnherrn Eberhards im Bart ›Atempto‹; der Kerl machte große Augen, zog aber das Gatter auf und ließ mich durch. Jetzt ging ich schnellen Schrittes weiter vor, und kam heraus im Keller. Ich schöpfte einige Augenblicke Luft, denn der Atem war mir schier ausgeblieben in dem engen Gang.«

вернуться

36

»Der Tüfell gsegen in allen«, sind die Worte des Chronisten Stumphardt, die ihm unwillkürlich entschlüpfen, indem er die Unterhandlung der Ritter »beim kielen Wein« beschreibt.