Es war ein schöner Morgen in der Mitte Augusts, als sich diese Leute in einem Wiesentale gelagert hatten, das der Grenze von Baden zunächst gelegen war. Die riesigen, schwarzen Tannen und Föhren, die das Tal auf drei Seiten einschlossen, gehörten noch dem Schwarzwald an, und das Flüßchen, das durch das Tal eilte, war die Würm. Halb überschattet vom Wald, halb in den Weidenbüschen des Tales versteckt, lag das kleine Heer in wunderlichen Gruppen und pflegte der Ruhe. In der Entfernung von zweihundert Schritten sah man Posten aufgestellt, deren blitzende Lanzen oder rotglühende Lunden schon von weitem Furcht einjagten. In der Mitte des Tales im Schatten einer Eiche saßen fünf Männer um einen ausgespannten Mantel, den sie als Tisch gebrauchten, um ein Spiel auf ihm zu spielen, das heute noch den Namen Landsknecht führt. Diese Männer zeichneten sich vor ihren übrigen Genossen durch breite, rote Binden aus, die sie über die Schulter und Brust herabhängen hatten, sonst aber hatte ihre Bekleidung auch das zerrissene und morsche Aussehen, wie das der übrigen Soldateska. Einige hatten Sturmhauben auf, andere große Filzhüte mit eisernen Bändern beschlagen, dazu Lederkoller, welche von Regen, Staub und Biwaks alle mögliche Schattierungen erhalten hatten.
Bei näherem Blick erkannte man übrigens noch zwei Dinge, durch welche sie sich von ihren Kameraden unterschieden. Sie führten nämlich keine Donnerbüchsen oder Spieße, wie sie die Landsknechte gewöhnlich trugen, sondern Raufdegen von ungemeiner Länge und Breite. Auch hatten sie, wie es damals die Edelleute und Anführer trugen, auf ihren Hüten und Sturmhauben, bunte, wallende Federbüsche aus Hahnenschwänzen, um sich ein ritterliches Ansehen zu geben.
Die fünf Männer schienen große Geschicklichkeit im Spiel zu besitzen, vorzüglich aber einer, der sich mit dem Rücken an die Eiche lehnte. Es war dies ein langer wohlbeleibter Mann. Er hatte einen Hut auf, dessen Rand sich wie ein bedeutender Mühlstein um den Kopf zog; der Hut war mit einer Goldtresse besetzt, auf der Stirnseite war er mit dem goldenen Bild des heiligen Petrus geschmückt, aus welchem zwei ungeheure rote Hahnenfedern hervorragten. Dieser Mann mußte weit in der Welt herumgekommen sein, denn er konnte auf französisch, italienisch, ungarisch fluchen, seinen Bart aber trug er ungarisch, er hatte ihn nämlich mit Pech so zusammengedreht, daß er wie zwei eiserne Stacheln auf beiden Seiten der Nase eine Spanne in die Luft hinausstarrte.
»Canto cacramento!« rief dieser große Mann mit einem dröhnenden Baß, »der kleine Wenzel ist mein; drauf! ich stech ihn mit dem Eichelkönig.«
»Mein ist er, mit Verlaub«, rief sein Nebenmann, »und der König dazu; da liegt die Eichelsau!«
»Mord de ma Vich, zagt der Franzoz; Hauptmann Löffler, Ihr wollt Eurem Oberst diesen Stich abjagen? Schämt Euch, schämt Euch; daz ist ein Rebeller, der daz tut; Gott straf mein Zeel, Ihr wollt mich vom Regiment absetzen?« Der große Mann funkelte zu diesen Worten gräßlich mit den Augen, schob seinen großen Hut auf das Ohr, daß seine überhängenden Augenbrau'n und eine mächtige rote Narbe auf der Stirne sichtbar wurden, die ihm ein ungemein kriegerisches Ansehen gaben.
»Beim Spiel, Herr Oberst Peter, gilt keine Kriegsordnung«, antwortete der andere Spieler. »Ihr könnet uns Hauptleuten befehlen, ein Städtchen zu blockieren und zu brandschatzen, aber beim Spiel ist jeder Landsknecht so gut wie wir.«
»Ihr zeid ein Meuter, ein Rebeller gegen die Obrigkeit, Gott straf mein Zeel, und wäre es nicht gegen meine Würde, ich wollt Euch in Kochstücke mazakerieren; aber spielt weiter.«
»Da liegt ein Daus« – »drauf der Quater« – »den stech ich mit dem Zinken«, – »Schellenwenzel, wer sticht den? –«
»Ich«, sprach der Große, »da liegt der Schellenkönig, Mordblei! der Stich ist mein.«
»Wie bringst du den Schellenkönig rauf?« rief ein kleines, dürres Männchen mit spitzigem Gesicht und kleinen, giftigen Äuglein und heiserer Stimme, »hab ich nicht gesehen als du ausgabst, daß er unten liegt? Er hat betrogen, der lange Peter hat schändlich betrogen.«
»Muckerle, Hauptmann vom achten Fähnlein! ich rat Euch, haltet Euer Maul«, sagte der Oberst, »Bassa manelka, ich versteh keinen Spaß; die Mauz zoll den Löwen nicht erzürnen.«
»Und ich sag's noch einmal; wo hättest du sonst den König her? Vor dem Papst und dem König von Frankreich will ich's beweisen; du falscher Spieler!«
»Muckerle«, erwiderte der Oberst, und zog kaltblütig seinen Degen aus der Scheide, »bete noch ein Ave Maria und ein Gratias, denn ich schlage dich tot, zo wie daz Spiel auz ist«
Die übrigen drei Männer wurden durch diese Streitigkeiten aus ihrer Ruhe aufgeschreckt. Sie erklärten sich für den kleinen Hauptmann, und gaben nicht undeutlich zu verstehen, daß man dem Obersten wohl dergleichen zutrauen könnte; dieser aber vermaß sich hoch und teuer, er habe nicht betrogen. »Wenn der heilige Petruz, mein gnädiger Herr Patron, den ich auf dem Hut trage, sprechen könnte, der würde mir, zo wahr er ein christlicher Landsknecht war, bezeugen, daß ich nicht betrogen!«
»Er hat nicht betrogen«, sagte eine tiefe Stimme, die aus dem Baum zu kommen schien. Die Männer erschraken und schlugen Kreuze wie vor einem bösen Spuk, selbst der tapfere Oberst erbleichte und ließ die Karte fallen, aber hinter dem Baum hervor trat ein Bauersmann, der mit einem Dolch bewaffnet war, und eine Zither an einem ledernen Riemen auf der Schulter hängen hatte. Er sah die Männer mit unerschrockenen Blicken an und sagte: »Es ist wie ich sagte, dieser Herr da hat nicht betrogen, er bekam schon beim Ausgeben, Schellen und Eichelkönig, Fünfe und Vier von Laub und den Schippenunter in die Hand.«
»Ha! du bist ein wackerer Kerl«, rief der Oberst vergnügt, »zo wahr ich ein ehrlicher Landsknecht – will zagen Oberst bin, ez ist all wahr waz du gezagt hast.«
»Was ist denn das?« rief der kleine Hauptmann Muckerle mit giftigen Blicken, »wie hat sich der Bauer daher eingeschlichen, ohne daß unsere Wachen ihn meldeten? Das ist ein Spion, man muß ihn hängen!«
»Zei nicht wunderlich, Muckerle; daz ist kein Spioner; komm, zez dich zu mir. Bist ein Spielmann, daß du die Cittarra umhängst, wie ein Spanier, wenn er zu zeinem Schätzerl geht?«
»Ja Herr! ich bin ein armer Spielmann; Eure Wachen haben mich nicht angehalten, als ich aus dem Wald kam. Ich sah Euch spielen, und wagte es den Herren zuzusehen.«
Die Hauptleute dieses Freikorps waren nicht gewohnt so höflich mit sich sprechen zu hören, daher faßten sie Zuneigung zu dem Spielmann, und luden ihn sehr herablassend ein, sich zu ihnen zu setzen, denn sie hatten in fremden Kriegsdiensten gelernt, daß große Könige und Feldherren sehr vertraulich mit den Meistern des Gesanges umgehen.
Der Oberste tat einen Trunk aus einer zinnernen Flasche, bot sie dem kleinen Hauptmann und sprach mit heiterer Miene: »Muckerle, daz zoll mein Tod zein, waz ich getrunken, wenn ich nicht allez vergesse; Hader und Zank haben ein Ende; wir wollen nicht weiterspielen, ihr Herren; ich liebe Gezang und Lautenspiel, wie wäre ez, wenn wir uns aufspielen ließen?«
Die Männer willigten ein, und warfen die Karten zusammen; der Spielmann stimmte seine Zither, und fragte was er singen solle?
»Sing ein Lied vom Spiel!« rief einer; »weil wir gerade dran sind.«
Der Spielmann sann ein wenig nach und hub an:
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Dieses Lied führte auch Lessing in der Sammlung auf, die den Namen trägt: »Altdeutscher Witz und Verstand.«