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Boraas und der Schwarze Lord!

Kim stand wie gelähmt. Er starrte die beiden Erzfeinde an, unfähig, einen klaren Gedanken zu fassen. Der Schwarze Lord! Zum dritten Mal stand er dem geheimnisvollen Heerführer Morgons gegenüber. Aber es war das erste Mal, daß er ihn im Kampf erlebte, das erste Mal, daß er spürte und sah, wie unvergleichlich böse dieser kleingewachsene Mann war.

Ein Pfeilschuß streckte den Steppenreiter neben Themistokles zu Boden.

»Zurück!« befahl Themistokles abermals. Sie zogen sich ins Innere des Gebäudes zurück und verriegelten das Tor. Für einen Moment waren der Kampflärm und das Gebrüll der Angreifer ausgesperrt.

»Wohin jetzt?« fragte Kim.

»In den Thronsaal«, antwortete Themistokles und begann bereits mit langen Schritten den Gang hinunterzueilen. Als sie am Fuße der Treppe angelangt waren, die zum Thronsaal hinaufführte, erbebte das Eingangstor hinter ihnen unter einer Anzahl wuchtiger Schläge. Kim riß das Schwert aus der Scheide und versammelte mit einem kurzen Befehl seine Männer um sich. Er war entschlossen, bis zum letzten Atemzug zu kämpfen.

»Nein, Kim«, sagte Themistokles ruhig, aber bestimmt. »Der Kampf ist vorbei.« Dann wandte er sich an das Dutzend tapferer Helden, die bis jetzt ausgehalten hatten. »Flieht«, sagte er, »solange noch Zeit ist. Gorywynn ist groß, und vielleicht gelingt es euch, ein Versteck zu finden oder die Burg zu verlassen. Ich werde Boraas allein empfangen.«

Die Männer zögerten noch.

»Ja«, murmelte Kim. »Themistokles hat recht.«

Einer nach dem anderen steckten die Krieger ihre Waffen weg und wandten sich zur Flucht. Kim und der Magier blieben allein zurück.

»Und du?« sagte Themistokles. »Willst du nicht auch fliehen?«

»Wohin?« fragte Kim leise. »Boraas würde nicht eher ruhen, als bis er mich gefunden hat. Er würde Gorywynn dem Erdboden gleichmachen, und wenn es mir gelänge zu entkommen, würde er nicht zögern, ganz Märchenmond in Schutt und Asche zu legen. Er würde nicht aufgeben, ehe er mich aufgestöbert hätte. Ich werde bei dir bleiben.«

Themistokles nickte, als habe er nichts anderes erwartet. »So komm«, sagte er.

Langsam, fast gelassen, als gäbe es kein schwarzes Heer und keine Gefahr, gingen sie die Treppe hinauf und betraten den Thronsaal.

Der sonnendurchflutete Saal war leer. Die Tafel war abgeräumt, und für einen winzigen Moment gab sich Kim der Illusion von Ruhe und Geborgenheit hin. Dann hallte von unten ein berstender Schlag, gefolgt vom Getrappel stählerner Stiefel auf der Treppe. Eine Horde schwarzer Krieger drängte in den Saal. Themistokles trat ihnen mit erhobenen Armen entgegen.

»Halt! Niemand darf es wagen, Gorywynns heilige Halle zu besudeln!«

Die Worte schienen die Krieger zu beeindrucken. Sie zogen sich zwar nicht zurück, blieben aber zu beiden Seiten des Einganges stehen, abwartend, die Waffen drohend erhoben.

Und dann erschien Boraas in der Tür. An seiner Seite, klein und von täuschend harmloser Gestalt, der Schwarze Lord. Sein Anblick ließ Kim aufstöhnen.

Boraas trat einen Schritt in den Saal hinein. Er musterte nacheinander Themistokles und Kim und lachte leise.

»Bruder«, sagte er höhnisch. »Endlich sehen wir uns wieder. Wie lange habe ich auf diesen Augenblick warten müssen.« Themistokles schwieg. Boraas schien auch keine Antwort zu erwarten.

»Es war ein weiter Weg, um endlich ans Ziel meiner Wünsche zu gelangen.«

»Was willst du?« fragte Themistokles ruhig. »Du hast mich besiegt. Mußt du mich auch noch verhöhnen?«

»Aber Bruder«, Boraas schüttelte den Kopf, »nichts liegt mir ferner, als dich zu verhöhnen. Doch du wirst mir erlauben, mich über meinen Sieg zu freuen. Um so mehr, als du selbst es warst, der ihn ermöglichte. Noch ist er nicht vollkommen. Aber die Würfel sind bereits gefallen.«

»Wenn es mein Tod ist, der dir noch fehlt«, sagte Themistokles, »so töte mich. Aber tu es schnell.«

»Dein Tod? Warum sollte ich deinen Tod wollen, Bruder? Wir sind vom gleichen Blut, vergiß das nicht.«

»Was willst du dann?«

»Dich«, antwortete Boraas hart. »Deine Treue. Du wirst mir schwören, an meiner Seite zu stehen, meinen Befehlen zu gehorchen und das Land nach meinen Wünschen zu verwalten. Es ist lange her, daß ich in Morgons Mauern weilte, und das Land ist fast zu groß, um von einem einzigen Mann beherrscht zu werden. Werde mein Statthalter, und ich schenke dir und ihm«, damit deutete er auf Kim, »das Leben.«

Themistokles lachte bitter. »Du mußt verrückt sein, wenn du annimmst, ich würde mich auf einen solchen Handel einlassen«, sagte er.

»Ich verlange die Entscheidung nicht sofort«, entgegnete Boraas. »Du wirst mich begleiten. Sei mein Gast, solange es dir beliebt. Du kannst dich später entscheiden.«

»Dein Gast?« höhnte Themistokles. »In deinen Kerkern, nicht wahr?«

Boraas nickte ungerührt. »Sie werden dir die Entscheidung ein wenig erleichtern. Aber bedenke, daß es wahrscheinlich besser ist, in meinem Verlies zu leben, als hier zu sterben.«

»Darüber kann man geteilter Auffassung sein«, gab Themistokles zurück. »Ich habe für übertriebenen Heldenmut nichts übrig. Aber ich ziehe einen ehrenhaften Tod dem Leben in deiner Gefangenschaft vor.«

In den gleichmütigen Ausdruck auf Boraas' Gesicht mischte sich unterdrückte Wut. »Ist das dein letztes Wort?«

Statt einer direkten Antwort legte Themistokles seinen Stab aus der Hand, ging mit gemessenen Schritten durch den Saal und nahm ein silbernes Schwert von der Wand.

»Wie du willst«, murmelte Boraas. Er scheuchte die Krieger, die hinter ihm Aufstellung genommen hatten, auseinander und nickte dem Schwarzen Lord zu.

»Du kämpfst nicht selbst?«

»Warum sollte ich? Ich weiß, daß du mir überlegen bist, Themistokles. Verlangst du Ritterlichkeit von mir?«

Themistokles schüttelte in hilfloser Wut den Kopf. »Nein, Bruder. Von dir gewiß nicht.«

Der Schwarze Lord begann Themistokles langsam zu umkreisen. Der Magier blickte dem Feind ruhig entgegen. Kim spürte deutlich die Anspannung, die von den beiden Gegnern Besitz ergriffen hatte; nicht Angst, wohl aber gegenseitiger Respekt und das Wissen um die Stärke des anderen.

Der Schwarze Lord eröffnete den Zweikampf. Er sprang mit einem wütenden Schrei vor. Seine Klinge zuckte hoch, sauste in einer phantastisch schnellen Bewegung auf das Haupt des Magiers nieder und klirrte im letzten Moment gegen dessen Waffe. Die Wucht des Aufpralls warf beide zurück, aber der Kampf setzte sich sogleich mit ungeminderter Härte fort. Kim wurde rasch in den Bann des unglaublichen Schauspiels gezogen. Noch nie hatte er zwei Gegner wie diese gesehen. Ihre Hiebe und Konterschläge wechselten so schnell, daß das Auge dem Hin und Her nicht mehr folgen konnte und nur noch verschwommene Körperumrisse und blitzende Halbkreise wahrnahm. Themistokles wich zurück, schlug nach den Beinen des Schwarzen Lords und ließ sich mit einer Gewandtheit, die seinem scheinbaren Alter Hohn sprach, über die Tafel abrollen. Ein Hieb des Schwarzen Lords spaltete den Tisch, aber da war Themistokles schon wieder auf den Beinen. Wieder trafen ihre Schwerter funkensprühend aufeinander, und diesmal war Themistokles um eine Winzigkeit schneller als sein Gegner. Seine Klinge drehte sich in einer unnachahmlichen Kreiselbewegung um die des Schwarzen Lords, prellte diesem das Schwert aus der Hand und schlug mit unbarmherziger Wucht gegen dessen Helm. Der Schwarze Lord verlor das Gleichgewicht und fiel auf den Rücken. Sein Helm löste sich und rollte scheppernd davon.