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»Der Mars«, hauchte Joanna Brumado. Ihr Helm lag praktisch an seinem, als sie durch das Fenster spähten.

»Der Mars«, pflichtete Jamie ihr bei.

»Es sieht so trostlos aus.« Ilona Malater klang enttäuscht, als hätte sie ein Empfangskomitee oder zumindest einen Grashalm erwartet.

»Genau wie auf den Fotos«, sagte Antony Reed.

Für Jamie sah die rote Wüstenwelt draußen vor dem Fenster genauso aus, wie er es erwartet hatte, nämlich wie daheim.

Das erste Mitglied des Teams, das die Landefähre verließ, war der stämmige Bauroboter. Jamie, der sich mit den drei anderen Wissenschaftlern an dem kleinen Beobachtungsfenster drängte, sah zu, wie das knollige Fahrzeug aus blaugrauem Metall auf seinen sechs weich gefederten Rädern über den staubigen roten Sand rollte und ungefähr fünfzig Meter vom Standort ihres Landers entfernt abrupt anhielt.

Während Jamie die eckige Maschine mit den unförmigen Flüssigsauerstofftanks darauf beobachtete, dachte er im stillen: russische Konstruktion, japanische Elektronik und amerikanische Software. Genau wie alles andere auf dieser Expedition.

Zwei glänzende Metallarme entfalteten sich wie die Beine einer aufstehenden Giraffe aus der Vorderseite des Fahrzeugs und entnahmen einen formlosen Plastikhaufen aus dem großen Transportbehälter an der Seite. Der Roboter legte das Kunststoffgebilde so präzise auf dem Sand aus wie eine Großmutter, die ein Picknick-Tischtuch ausbreitet. Dann schien er innezuhalten, als wollte er das glänzende, gummiartig aussehende Material inspizieren. Langsam begann sich der leblose Kunststoff zu regen, füllte sich mit Luft aus den großen Tanks auf der Oberseite des Roboters. Der Plastikhaufen wuchs und nahm Gestalt an: eine Blase, ein Ballon, schließlich eine steife, halbkugelförmige Kuppel, die den Roboter vollständig vor ihren Blicken verbarg.

Ilona Malater drängte sich dicht an Jamie und sagte leise:

»Unser Zuhause auf dem Mars.«

Tony Reed erwiderte: »Sofern es nicht leckt.«

Über eine Stunde lang sahen sie zu, wie der geschäftige kleine Roboter ihre aufblasbare Kuppel errichtete, den Rand fest im staubigen marsianischen Boden verankerte und durch eine mannshohe Klappe hinein und heraus rollte, um metallene Verstrebungen und eine komplette Luftschleusenanlage aus der Ladebucht des Landefahrzeugs zu holen und dann an der richtigen Stelle zu verschweißen.

Sie konnten es alle kaum erwarten, hinauszugehen und ihre gestiefelten Füße auf den rostroten Boden des Mars zu setzen, aber Wosnesenski bestand darauf, daß sie sich bis ins kleinste an den Missionsplan hielten. »Die Stützkonstruktion muß abkühlen«, rief er aus dem Cockpit zu ihnen herunter, um seine Entscheidung zu begründen. »Der Kuppelbau muß erst fertiggestellt und vollständig auf Normaldruck gebracht sein.«

Wosnesenski war natürlich zu beschäftigt, als daß er mit ihnen an der Aussichtsluke hätte stehen und zuschauen können.

Als Kommandant des Bodenteams war er oben im Cockpit und überprüfte sämtliche Systeme des Landers, während er dem Leiter der Mission in einem der Raumschiffe, die sich über ihnen in der Umlaufbahn befanden, und durch ihn den Flugkontrolleuren auf der über hundert Millionen Kilometer entfernten Erde Bericht erstattete.

Pete Connors, der amerikanische Astronaut und Copilot des Landers, saß neben Wosnesenski und überwachte den Bauroboter sowie die Sensoren, die Proben der dünnen Luft draußen nahmen. Nur die vier Wissenschaftler hatten Zeit, der Maschine dabei zuzusehen, wie sie das erste Wohngebäude für Menschen auf der Oberfläche des Mars errichtete.

»Wir sollten unsere Tornister umschnallen«, sagte Joanna Brumado.

»Dafür haben wir noch jede Menge Zeit«, sagte Tony Reed.

Ilona Malater gab ein boshaftes kleines Lachen von sich. »Du willst doch nicht, daß er wütend auf uns wird, nicht wahr, Tony?« Sie zeigte nach oben zum Cockpit.

Reed zog eine Augenbraue hoch und lächelte ihr zu. »Ich glaube, es wäre nicht ratsam, ihn gleich am ersten Tag zu verstimmen, oder?«

Jamie löste seinen Blick von dem hart arbeitenden Roboter, der jetzt eine zweite schwere Luftschleuse aus Metall in die gewölbte Kuppelkonstruktion einsetzte. Wortlos drängte er sich an den drei anderen vorbei und griff nach dem Tornistergerät seines Druckanzugs, das an seinem Gestell am gegenüberliegenden Schott hing. Wie die Anzüge waren auch die Tornister farbig codiert: Der von Jamie war himmelblau. Er trat rücklings davor und spürte, wie die Verschlüsse am Rücken seines Raumanzugs einrasteten. Der Anzug selbst fühlte sich steif an, wie eine neue Jeans, nur schlimmer. Es kostete echte Anstrengung, die Schultergelenke zu bewegen.

Im Jargon des Marsprojekts trug ihre Fähre die Bezeichnung L/AV: landing/ascent vehicle, Abstiegs- und Aufstiegsfahrzeug. Sie war unter dem Gesichtspunkt der Funktionalität konstruiert, nicht unter dem der Bequemlichkeit. Sie war groß, aber der Platz wurde größtenteils von geräumigen Ladebuchten eingenommen, die Ausrüstungsgegenstände und Vorräte für die sechs Forscher beherbergten. Auf der Luftschleusen-Ebene oberhalb der Ladebuchten waren die Raumanzüge und die Tornistergeräte für die Arbeit draußen untergebracht. Auf dieser Ebene gab es vier Klappsitze, aber das Abteil war Jamie schrecklich eng vorgekommen, als er zusammen mit den drei anderen Wissenschaftler darin saß, erst recht, weil sie in ihren beschwerlichen hartschaligen Anzügen steckten. Über der Luftschleusen-Ebene befand sich das Cockpit mit dem Kosmonauten-Kommandanten und seinem Astronauten-Stellvertreter.

Wenn es sein mußte, konnten die sechs Männer und Frauen tagelang in diesem Landefahrzeug bleiben. Der Missionsplan sah zwar vor, daß sie ihre Basis in der aufblasbaren Kuppel einrichteten, die der Roboter gerade baute, aber falls es darauf ankam, konnten sie im Lander überleben.

Vielleicht. Wenn sie nur noch ein paar Stunden länger in diesem engen, klaustrophobischen Abteil eingesperrt blieben, dachte Jamie, würde jemand einen Mord begehen. Auf dem neunmonatigen Flug von der Erde in den viel geräumigeren Modulen der Mutterschiffe war es schon schlimm genug gewesen. Dieses kleine Landefahrzeug würde sich rasch in ein Irrenhaus verwandeln, wenn sie mehrere Tage darin verbringen mußten.

Sie legten die Tornister im Buddy-System an, wie man es ihnen beigebracht hatte, wobei ein Wissenschaftler dem anderen half, alle Verbindungen zu den Batterien, der Heizung und dem Luftaufbereiter des Anzugs zu prüfen. Erst einmal und dann noch ein zweites Mal. Die Tornistergeräte waren so konstruiert, daß sie sich automatisch mit Anschlußbuchsen am Druckanzug verbanden, aber schon ein einziger winziger Fehler konnte draußen auf der Marsoberfläche den sicheren Tod bedeuten.

Dann überprüften sie die Anzüge selbst, von den schweren Stiefeln bis zu den erstaunlich dünnen und flexiblen Handschuhen. Was dort draußen als Luft galt, war dünner als in den höchsten Stratosphärenschichten auf der Erde, eine nicht atembare Mixtur, die hauptsächlich aus Kohlendioxid bestand.

Ein ungeschützter Mensch würde bei solch einem niedrigen Druck geradezu explodieren; seine Lungen würden zerreißen, und sein Blut würde buchstäblich kochen.

»Was! Noch nicht fertig!«

Wosnesenskis tiefe Stimme knarrte. Der Russe versuchte, ihr einen halbwegs humorvollen Klang zu verleihen, aber es war klar, daß er keine Geduld mit seinen wissenschaftlichen Untergebenen hatte. Von Kopf bis Fuß von seinem flammend roten Anzug umhüllt, den Tornister wie einen Buckel hinter den Schultern, kam er mit schweren Schritten die Leiter aus dem Cockpit herunter, bereit, den Lander zu verlassen. Connors, der ihm dichtauf folgte, trug ebenfalls seinen sauberen weißen Raumanzug samt Tornister. Jamie fragte sich, welches Genie unter den Verwaltern und Psychologen daheim dem schwarzen Astronauten einen strahlend weißen Anzug zugeteilt hatte.

Jamie hatte Tony Reed geholfen, und nun wandte sich der Engländer von ihm ab und drehte sich zu ihrem Flugkommandanten um.