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Hunderte von Wissenschaftlern, Kosmonauten und Astronauten wurden für das Marsprojekt rekrutiert, dazu Tausende von Ingenieuren, Technikern, Flugkontrolleuren und Verwaltungskräften. Sie verbrachten zehn Jahre mit der Planung und drei weitere mit dem Training für die Mission, die ihrerseits zwei Jahre dauern sollte. Alles, damit fünfundzwanzig Männer und Frauen sechzig Tage auf dem Mars verbringen konnten. Acht lumpige Wochen auf dem Mars, und dann wieder ab nach Hause. Das war der Missionsplan. Das war das Ziel, für das Tausende dreizehn Jahre ihres Lebens hergaben.

Für die Welt insgesamt wuchs jedoch die Spannung in bezug auf das Marsprojekt mit jedem Monat, der verstrich, während die Auserwählten ihr Training absolvierten und die Raumschiffe auf den Startzentren in der russischen Föderation, den Vereinigten Staaten, Südamerika und Japan Gestalt annahmen.

Die Welt machte sich bereit, die Hand nach dem Roten Planeten auszustrecken. Alberto Brumado war der anerkannte geistige Führer der Marsmission, obwohl er mit nichts Konkreterem als moralischer Unterstützung betraut war. Moralische Unterstützung wurde jedoch im Lauf dieser Jahre mehr als einmal dringend benötigt, als die eine oder andere Regierung vor der jahrzehntelangen finanziellen Belastung zurückscheute und aussteigen wollte. Aber keine tat es.

Brumado war schon zu alt, um selbst ins All zu fliegen. Statt dessen sah er zu, wie seine Tochter an Bord des Raumschiffes ging, das sie zum Mars bringen würde.

Jetzt hatte er zugesehen, wie sie den Boden jener fernen Welt betreten hatte, während die Menge draußen in Sprechchören ihren und seinen Namen intonierte.

Alberto Brumado ging zu den langen, sonnenbeschienenen Fenstern hinüber und fragte sich dabei, ob er das Richtige getan hatte. Als die Menge ihn erblickte, brandete frenetischer Jubel auf.

KALININGRAD: Das Kontrollzentrum der Marsexpedition war weitaus redundanter als das Raumschiff, in dem die Forscher unterwegs waren. Bei dem Raumschiff war Redundanz aus Gründen der Sicherheit erforderlich, beim Kontrollzentrum aus politischen Gründen. Im Kontrollzentrum war jede Position doppelt besetzt; jeweils zwei Personen saßen an identischen, nebeneinanderliegenden Konsolen. Die eine war für gewöhnlich ein Russe, die andere ein Amerikaner, obwohl an ein paar Konsolen auch Japaner, Engländer, Franzosen und sogar ein Argentinier saßen – mit jeweils einem Russen an ihrer Seite.

Die Männer und Frauen im Kontrollzentrum begannen gerade zu feiern. Bis zum Augenblick der Landung hatten sie steif und angespannt vor ihren Bildschirmen gesessen, doch jetzt konnten sie sich endlich zurücklehnen, die Kopfhörer abstreifen, miteinander lachen, Champagner trinken und Siegeszigarren anzünden. Selbst einige Frauen rauchten Zigarren. In einer verglasten Mediensektion hinter den Reihen der Konsolen prosteten Reporter und Fotografen einander und den Leuten vom Kontrollzentrum mit Wodka in Pappbechern zu.

Nur der Leiter des amerikanischen Teams, ein kräftiger, hemdsärmeliger Mann mit schütterem Haar, Schweißflecken in den Achselhöhlen und einer unangezündeten Zigarre zwischen den Zähnen, machte ein unglückliches Gesicht. Er beugte sich über den Stuhl der Amerikanerin, die den archaischen Titel ›CapCom‹ trug, Captain of Communications.

»Was hat er gesagt?«

Sie blickte von ihren Bildschirmen auf. »Ich weiß nicht, was es war.«

»Jedenfalls, verdammt noch mal, nicht das, was er sagen solltet. «

»Soll ich das Band noch einmal abspielen?« fragte der Russe, der neben der jungen Frau arbeitete. Seine Stimme war sanft, aber sie schnitt durch das Stimmengewirr.

Die Frau tippte auf ihrer Tastatur, und der Bildschirm zeigte erneut die Gestalt von James Waterman, der in seinem himmelblauen Druckanzug auf dem sandigen Marsboden stand.

» Ya’aa’tey«, sagte Jamie Watermans Bild.

»Übertragungsfehler?« fragte der Leiter.

»Auf keinen Fall«, sagte die Frau.

Der Russe wandte sich von dem Bildschirm ab und sah den Leiter durchdringend an. »Was bedeutet das?«

»Der Teufel soll mich holen, wenn ich’s wüßte«, grummelte der Leiter. »Aber wir werden es garantiert rausfinden!«

Einem jungen Fernsehreporter oben in der Mediensektion fielen die beiden Männer auf, die sich über den Sitz der Cap

Com beugten. Er fragte sich, warum sie so verdutzt dreinschauten.

BERKELEY: Professor Jerome Waterman und Professor Lucille Monroe Waterman hatten ihre Kurse für diesen Tag abgesagt und waren zu Hause geblieben, um zuzusehen, wie ihr Sohn seinen Fuß auf den Boden des Mars setzte. Keine Freunde.

Keine Studenten oder Kollegen von der Fakultät. Ein Battaillon von Reportern lungerte draußen vor dem Haus herum, aber die Watermans wollten sich ihnen erst stellen, wenn sie die Landung gesehen hatten.

Sie saßen in ihrem behaglich unaufgeräumten, von Büchern gesäumten Arbeitszimmer und sahen sich die Fernsehbilder an. Die Jalousien waren ganz heruntergezogen, um die helle Morgensonne und die Reporter auszusperren, die sich drau

ßen breitgemacht hatten und sie belagerten.

»Es dauert fast zehn Minuten, bis die Signale auf der Erde eintreffen«, sagte Jerry Waterman sinnierend.

Seine Frau nickte geistesabwesend, den Blick auf die himmelblaue Gestalt unter den sechs gesichtslosen Geschöpfen auf dem Bildschirm gerichtet. Sie hielt den Atem an, als Jamie endlich an der Reihe war, sein Sprüchlein aufzusagen.

» Ya’aa’tey«, sagte ihr Sohn.

»O nein!« keuchte Lucille.

Jamies Vater grunzte vor Überraschung.

Lucille wandte sich anklagend an ihren Mann. »Jetzt fängt er schon wieder mit diesem Indianerkram an!«

SANTA FE: Der alte Al wußte immer, wie er seinen Laden gerammelt voll bekam, selbst an einem Tag wie diesem. Er hatte einfach einen Fernseher deutlich sichtbar auf ein Bord neben die Kachina-Puppen gestellt. Von überallher auf der Plaza kamen die Leute und drängten sich in seinen Laden, um Als Enkel auf dem Mars zu sehen.

» Ya’aa’tey«, sagte Jamie Waterman hundert Millionen Kilometer entfernt.

» Hee-ah! « rief der alte Al Waterman aus. »Der Junge hat’s geschafft!«

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DER MARS.

Stellen Sie sich das Death Valley in seiner schlimmsten Gestalt vor. Eine unfruchtbare Einöde. Nichts als Steine und Sand.

Entfernen Sie jede Spur von Leben: alle Kakteen, auch den klitzekleinsten Busch, sämtliche Eidechsen, Insekten und sonnengebleichten Knochen sowie alles, was auch nur den Anschein erweckt, als ob es einmal lebendig gewesen sein könnte.

Jetzt frieren Sie die ganze Landschaft ein. Lassen Sie die Temperatur auf rund 70 Grad unter Null absinken. Und saugen Sie die Luft ab, bis nicht einmal mehr soviel da ist, wie Sie auf der Erde in dreißig Kilometer Höhe vorfinden würden.

Ungefähr so ist es auf dem Mars.

Mars ist der vierte Planet, von der Sonne aus gerechnet, und er kommt nie näher als 56 Millionen Kilometer an die Erde heran. Er ist eine kleine Welt; sein Durchmesser beträgt ungefähr die Hälfte, seine Oberflächenschwerkraft etwas mehr als ein Drittel derjenigen der Erde. Hundert irdische Kilo wiegen auf dem Mars nur achtunddreißig.

Der Mars ist als der Rote Planet bekannt, weil seine Oberfläche im wesentlichen eine knochentrockene Wüste aus sandigen Eisenoxiden ist: rostiger Eisenstaub.

Trotzdem gibt es Wasser auf dem Mars. Der Planet hat helle Polarkappen, die zumindest teilweise aus gefrorenem Wasser bestehen. Den größten Teil des Jahres über sind sie von Trockeneis bedeckt, gefrorenem Kohlendioxid.

Der Mars ist nämlich eine kalte Welt. Seine Umlaufbahn ist etwa anderthalb mal so weit von der Sonne entfernt wie die der Erde. Seine Atmosphäre ist bei weitem zu dünn, als daß sie die Sonnenwärme halten könnte. An einem klaren Mittsommertag kann die höchste Mittagstemperatur am marsianischen Äquator bis auf 21 Grad Celsius steigen; in der gleichen Nacht wird sie jedoch jäh auf 70 Grad unter Null oder tiefer sinken.