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Das ganze Zeug mu noch mal gesetzt werden! Ist doch unerhrt! Mein Name ist schon wieder falsch geschrieben! Kann ich denn nicht einmal hier im Hause durchsetzen, da man mir meinen richtigen Namen gibt? Ich heie nicht Henrik! Dabei warf er zornig das Papier zu Boden. Ich heie Hendrik - merkt es euch doch endlich: Hendrik Hfgen!!

Der junge Mann aus dem Bro duckte den Kopf und murmelte etwas ber einen neuen Setzer, dessen Ahnungs-losigkeit den unverzeihlichen Fehler verschuldet habe. Von den Girls kam ein leises Kichern, das silbrig klang, als bewegte man vorsichtig mehrere Glckchen. Hendrik reckte sich und brachte das zarte Luten mit einem frchterlichen Blick zum Verstummen.

VI Es ist doch nicht zu schildern

Hendrik Hfgen litt, wenn er im H. K. die Berliner Zeitungen las; sein Herz zog sich zusammen und schmerzte vor Neid und Eifersucht. Triumphaler Erfolg der Martin! Neuinszenierung des Hamlet am Staatstheater, sensationelle literarische Premiere am Schiffbauerdamm Und er sa in der Provinz! Die Hauptstadt kam ohne ihn aus! Die Filmgesellschaften, die groen Theater - sie bedurften nicht seiner. Ihn rief man nicht. Seinen Namen kannte man nicht in Berlin. Wurde er einmal erwhnt, von dem Hamburger Korrespondenten eines Berliner Blattes, dann war er gewi falsch geschrieben: In der Rolle des unheimlichen Intriganten fiel ein Herr Henrik Hpfgen auf Ein Herr Henrik Hpfgen! Ihm sank die Stirne nach vorn. Die Sucht nach dem Ruhm - dem groen, eigentlichen Ruhm, dem Ruhm in der Kapitale - nagte an ihm wie ein physischer Schmerz. Hendrik griff sich an die Wange, als htte er Zahnweh. Erster zu sein in Hamburg - das ist schon was Rechtes! beklagte er sich bei Frau von Herzfeld, die sich nach dem Grund seines blen Aussehens teilnahmsvoll erkundigt hatte und nun versuchte, ihn zu beruhigen mittels kluger Schmeicheleien. Liebling eines provinziellen Publikums zu sein - ich bedanke mich schn. Lieber fange ich in Berlin noch mal von vorne an, als da ich diesen Betrieb hier lnger mitmache.

Frau von Herzfeld erschrak. Sie wollen doch nicht wirklich weg von hier, Hendrik? Dabei ffnete sie klagend die goldbraunen, sanften Augen, und ber die groe Flche ihres weichen, flaumig gepuderten Gesichtes lief ein Zucken.

Es ist alles ganz unentschieden. Hendrik blickte streng an Frau von Herzfeld vorbei und rckte enerviert die Schulter. Zunchst gastiere ich einmal in Wien. Er sagte es nachlssig, als erwhnte er eine Tatsache, welche Hedcia lngst bekannt sein mute. Indessen hatte sie - sowenig wie irgend jemand sonst im Theater: sowenig wie Kroge, Ulrichs oder selbst Barbara - eine Ahnung davon gehabt, da Hendrik in Wien gastieren wollte.

Der Professor hat mich aufgefordert, sagte er und putzte sein Monokel mit dem Seidentuch. Eine ganz nette Rolle. Eigentlich wollte ich ablehnen, wegen der schlechten Saison: wer ist schon in Wien, jetzt im Juni? Aber schlielich habe ich mich doch entschlossen, anzunehmen. Man wei ja nie, was fr Folgen so ein Gastspiel heim Professor haben kann brigens wird die Martin meine Partnerin sein, bemerkte er noch, whrend er sich das Monokel wieder vors Auge klemmte.

Der Professor war jener Regisseur und Theaterleiter von legendrem Ruhm und ungeheurem internationalem Ansehen, der mehrere Theater in Berlin und Wien beherrschte. Wirklich hatte sein Sekretariat dem Schauspieler Hfgen eine mittlere Rolle in der Altwiener Posse angeboten, die der Professor whrend der Sommermonate mit Dora Martin in einem seiner Wiener Huser spielen lassen wollte. Jedoch war diese Einladung keineswegs von selbst und ungefhr zustande gekommen; vielmehr hatte Hfgen einen Protektor gefunden, und zwar in der Person des Dramatikers Theophil Marder.

Dieser war zwar mit dem Professor, wie mit aller Welt, bitterbse; der berhmte Regisseur aber bewahrte dem Satiriker, dessen Stcke er frher mit erheblichem. Erfolg herausgebracht hatte, ein Wohlwollen, in dem Ironie und Respekt sich vermischten.

Niemandem, auch Barbara nicht, gestand Hendrik, da er des Professors ehrenvolles Angebot Theophil zu verdanken habe; niemand wute, da er mit dem Gatten Nicolettas in Beziehung stand. Hendrik behandelte die Angelegenheit seines Wiener Gastspiels - das er doch mit so viel Energie und List arrangiert und vorbereitet hatte - mit einer blasierten Nachlssigkeit. Ich mu geschwind mal nach Wien reisen, beim Professor gastieren, erklrte er nebenbei; lchelte aasig und bestellte sich beim besten Schneider einen Sommeranzug: Da er schon so viele Schulden hatte - bei Frau Konsul Mnkeberg, bei Vterchen Hansemann, beim Kolonialwaren - und beim Weinhndler -, kam es auf vierhundert Mark mehr oder weniger nicht mehr an.

Hendrik hinterlie, bei seiner pltzlichen Abreise, manche bestrzten Gesichter in der guten Stadt Hamburg, wo sein Charme ihm so viele Herzen erobert hatte. Vielleicht bestrzter noch als die Damen Siebert und Herzfeld war der Direktor Schmilz: denn Hfgen hatte sich, unter allerlei koketten Ausflchten, geweigert, seinen Vertrag mit dem Knstlertheater fr die nchste Spielzeit zu erneuern.

Hendrik reiste nach Wien; Barbara inzwischen fuhr zu ihrem Vater und zur Generalin aufs Gut. Hfgen hatte es verstanden, aus dem Abschied von seiner jungen Frau eine schne, wirkungsvolle Szene zu machen. Wir werden uns im Herbst wiedersehen, mein Liebling, sprach er und stand in einer Haltung, die zugleich Stolz und Demut ausdrckte, gesenkten Hauptes vor Barbara. Wir werden uns wiedersehen, und dann bin ich vielleicht schon ein anderer als heute. Ich mu mich durchsetzen, ich mu߅ Und du weit ja, mein Liebling, fr wen ich ehrgeizig bin; du weit es ja, vor wem ich mich bewhren mchte Seine Stimme, die sowohl sieghafte als auch klagende Tne hatte, verklang. Hendrik neigte sein ergriffenes, fahles Gesicht ber Barbaras brunliche Hand.

War diese Szene nur Komdie gewesen, oder hatte sie auch Echtes enthalten? Barbara sann darber nach: auf den Spazierritten am Morgen, und nachmittags, im Garten, wenn ihr das schwere Buch auf die Knie sank. Wo begann bei diesem Menschen das Falsche, und wo hrte es auf? So grbelte Barbara, und sie sprach darber mit ihrem Vater, mit der Generalin, mit ihrem klugen und ergebenen Freund Sebastian. Ich glaube ihn zu kennen, sagte Sebastian. Er lgt immer, und er lgt nie. Seine Falschheit ist seine Echtheit - es klingt kompliziert, aber es ist vllig einfach. Er glaubt alles, und er glaubt nichts. Er ist ein Schauspieler. Aber du bist noch nicht fertig mit ihm. Er beschftigt dich noch. Noch immer bist du neugierig auf ihn. Du mut noch bei ihm bleiben, Barbara. -

Das Wiener Publikum war begeistert von Dora Martin, die in der berhmten Posse abwechselnd als zartes Mdchen und als Schusterbub auf die Bhne kam. Ihr Erfolg war so gro, da kein anderer neben ihr aufkommen konnte. Die Zeitungskritiken - lange Hymnen auf ihr Genie - erwhnten ihre Partner nur flchtig. Hendrik aber, der einen geckenhaft grotesken Kavalier zu geben hatte, wurde sogar getadelt. Man warf ihm bertreibungen und Manieriertheit vor.

Sie sind reingefallen, mein Lieber! girrte die Martin und winkte ihm tckisch mit den Zeitungsausschnitten. Das ist ein richtiger Mierfolg. Und was das Schlimmste ist: Sie werden berall Henrik genannt - das rgert Sie doch besonders. Tut mir so leid! Sie versuchte, ein betrbtes Gesicht zu machen; aber ihre schnen Augen 'chelten unter der hohen Stirn, die sie in ernste Falten legte. Tut mir so leid, wirklich. Aber Sie sind ja auch miserabel in der Rolle, sagte sie beinah zrtlich. Vor lauter Nervositt zappeln Sie auf der Bhne wie ein Harlekin - tut mir ja so furchtbar leid. Natrlich merke ich trotzdem, da Sie enorm yiel Talent haben. Ich werde dem Professor sagen, da er Sie in Berlin spielen lassen mu. Schon am nchsten lge wurde Hfgen zum Professor befohlen. Der groe Mann betrachtete ihn aus seinen nahe beieinanderliegenden, versonnenen und dabei scharfen Augen; lie die Zunge in den Backen spielen; machte, die Arme auf dem Rcken verschrnkt, groe Schritte durchs Zimmer; brachte ein paar knarrende Laute hervor, die etwa wie: Na - aha - das ist also dieser Hfgen klangen, und sagte schlielich -wobei er, den Kopf gesenkt, in napoleonischer Haltung vor seinem Schreibtisch stehenblieb -: Sie haben Freunde, Herr Hfgen. Einige Leute, die etwas vom Theater verstehen, weisen mich auf Sie hin. Dieser Marder zum Beispiel Dabei hatte er ein kurzes, knarrendes Lachen. Ja, dieser Marder, wiederholte er, schon wieder ernst; um dann, mit respektvoll hochgezogenen Brauen, hinzuzufgen: Auch Ihr Herr Schwiegervater, der Geheimrat, hat mir von Ihnen gesprochen, als ich ihn neulich beim Kultusminister getroffen habe. Und nun auch noch Dora Martin Der Professor versank wieder in Schweigen, das er einige Minuten lang nur ab und zu durch einen knarrenden Laut unterbrach. Hfgen wurde abwechselnd bleich und rot; das Lcheln auf seiner Miene verzerrte sich. Der nachdenkliche und kalte, zugleich verhangene und durchdringende Blick dieses fleischigen, untersetzten Herrn war nicht leicht zu ertragen. Hendrik begriff pltzlich, warum der Professor, der so gewaltig zu schauen verstand, von seinen Verehrern der Magier genannt wurde.