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Einmal stach mich der Hafer, und ich sagte ihm: »Wir glauben zwar an die Revolution, aber die Zeit vorher war doch keine völlige Leere.«

»Doch, sie war es«, widersprach er mit einer Widerborstigkeit, die mich ärgerte.

»Es gab die Corniche schon vorher ebenso wie die Universität von Alexandria!«

»Aber die Corniche war nicht für das Volk da, und die Universität auch nicht.«

Dann fragte er mich lachend und anscheinend ohne Neid: »Sagen Sie mir doch, warum besitzen Sie allein hundert Feddan, während meine Familie nur ganze zehn Feddan ihr eigen nennt?«

Meine Wut unterdrückend, erwiderte ich: »Und warum besitzt sie zehn Feddan, während Millionen von Fellachen nicht über eine Handbreit Acker verfügen?«

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»Was du da erzählst, ich glaube sowieso nicht daran. Daß Mirved dir einen Korb gegeben hat, hat dich ganz einfach um deinen Verstand gebracht. Du glaubst doch selbst nicht an das, was heute von Gerechtigkeit und Sozialismus dahergeredet wird. Alles läßt sich in einem einzigen Wort zusammenfassen: Macht. Wer die Macht besitzt, verfügt auch über alles andere. Danach kann er ruhig dem Volk Loblieder auf Gerechtigkeit und Sozialismus singen. Oder hast du jemals gesehen, daß einer von denen fast hungrig über die Märkte gegangen wäre, wie es seinerzeit unser Herr Omar Ibn al-Khattab, der gerechte Kalif[56], getan hat?«

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Sehr schnell jedenfalls kommt mir die frohe Botschaft von der Schlägerei zwischen Machmud Abul-Abbas, dem Zeitungshändler, und Sarhan al-Buheri aus der Zwiebelregion zu Ohren. Da der aber offensichtlich nicht darüber reden will, tue ich so, als wüßte ich von nichts. Doch ich packe die Gelegenheit beim Schöpf, ihn nach seiner Meinung zu dem Projekt zu fragen, als ich einmal am Eingang zur Pension mit ihm zusammenstoße. Eifrig empfiehlt er mir: »Lassen Sie die Finger von dem Projekt mit dem Cafe und ähnlichen Dingen. Sie stammen doch aus einer guten Familie. Sie müssen sich etwas Angemesseneres suchen.«

»Zum Beispiel?«

»Ich würde sagen, eine Hühnerfarm oder eine Kälberfarm. Das bringt was ein.«

Dann, nach kurzem Nachdenken: »Vielleicht pachten wir ein Stück Land in der Region Scmucha. Dann könnte ich Ihnen auch mit meiner Erfahrung und meinen Freunden helfen. Unter Umständen beteilige ich mich sogar daran.«

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Wie klein kommt einem Alexandria vor, wenn man so ein rasantes Traumschiff hat! Ich brause in Windeseile dahin, aber es verwandelt sich in eine Sardinenbüchse. Mit alberner Beständigkeit folgt die Nacht auf den Tag, und es passiert nichts. Obwohl sich der Himmel jeden Morgen mit einem ändern Festgewand fein macht, das Wetter einem Ringkämpfer gleicht, dessen nächste Bewegung man nicht vorhersagen kann, die Frauen in unzähligen Formen gefügig sind, passiert überhaupt nichts. In Wirklichkeit ist die Welt schon tot, und dies sind nur noch ihre letzten Zuckungen vor der Leichenstarre.

Das Genevoise kommt mir in den Sinn.

Es liegt an der Corniche, trotzt dem Meer und dem Winter, aber der Eingang ist in einer schmalen Seitenstraße. Dort gibt es eine Bühne für Gesangsund Tanzvorführungen und in der Mitte eine Tanzfläche für die Gäste. Die fahlrote Farbe der Decke, der Wände und der Lampen erweckt den Eindruck, als sei es ein Gespensterschloß. Ein Blick auf die Mädchen und die Kunden gibt einem das unbestimmte Gefühl, man befinde sich in einem Bordell.

Ich sehe das Mädchen von al-Buheri einen ziemlich obszönen volkstümlichen Tanz tanzen. Ich lade sie ein, an meinen Tisch zu kommen, doch sie erkennt mich zunächst nicht. Dann entschuldigt sie sich mit dem Zustand, in dem sie an dem Tag war, an dem wir uns kennengelernt haben. Schnell sagt sie, daß sie schon seit langem auf mich warte, und ich gebe vor, wenig Zeit und viel Arbeit gehabt zu haben. Ich erfahre nun, daß sie Safejja Barakat heißt, doch wer weiß, welches ihr richtiger Name ist. Sie ist hübscher als die Lehrerin, aber ein bißchen zu fett. Sie hat den Gesichtsausdruck der Professionellen. Ich trinke bis zur Bewußtlosigkeit, dann lade ich sie ein, in mein Auto zu kommen und fahre mit ihr zur Lidostraße in Mazarita. Als ich mit ihr schlafen will, entzieht sie sich mir jedoch mit einer zwingenden Begründung. So kehre ich ebenso betrunken wie frustriert in die Pension zurück.

Auf dem Weg in mein Zimmer sehe ich Zuchra im Nachthemd aus dem Bad kommen. Ich stelle mich mit offenen Armen vor sie hin. Sie bleibt erschrocken stehen. Als ich auf sie zutrete, fordert sie mich resolut auf: »Gehen Sie weg!«

Ich weise mit dem Finger auf mein Zimmer, aber sie ruft mit drohender Stimme: »Machen Sie sofort Platz!«

Gepackt von Gier und Verlangen, stürze ich mich auf sie, doch sie versetzt mir einen erstaunlich kräftigen Faustschlag gegen die Brust, der mich unheimlich wütend macht. Halbirr vor Zorn, schlage ich sie brutal. Dann will ich über sie herfallen, da legt sich mir eine Hand auf die Schulter, und ich höre Sarhans Stimme keuchen: »Husni, sind Sie total verrückt geworden!«

Ich stoße ihn heftig zurück, aber er packt mich noch fester an der Schulter und befiehlt: »Gehen Sie sofort ins Bad, und stecken Sie den Finger in den Mund!«

Ich drehe mich zu ihm um und versetze ihm einen derben Schlag, der ihn völlig unerwartet trifft. Er tritt brüllend einen Schritt zurück und drischt dann kräftig auf mich ein.

Da plötzlich kommt Madame, zieht ihren Morgenrock um sich zusammen und fragt wütend: »Was ist denn hier los?« Sie stellt sich zwischen mich und Sarhan und schimpft: »Das geht zu weit, das ist der Ruin! Das kann ich nicht dulden!«

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Die Engel schwimmen oder tanzen an der Decke. Der Regen klopft im Takt gegen die Fenster, und das Tosen der Wellen gellt in den Ohren wie die Detonationen einer brausenden Schlacht. Unter den Schlägen meiner Kopfschmerzen schließe ich wieder die Augen. Ich seufze und verfluche alles. Dann entdecke ich, daß ich den Rest der Nacht in Anzug, Mantel und Schuhen geschlafen habe. Die Erinnerungen an diese letzte Nacht stürmen auf mich ein, und ich fluche allem und jedem.

Madame klopft an und tritt in mein Zimmer. Sie bleibt an der Tür stehen und sieht zu, wie ich schwerfällig und träge in meinem Bett höherrutsche, um mich ans Kopfende lehnen zu können.

»Nun, haben Sie Ihren Termin versäumt?« fragt sie. Dann sinkt sie in den großen Sessel und wirft mir vor: »Das kommt vom vielen Alkohol!« Unsere Blicke treffen sich, lächelnd sagt sie: »Ich mag Sie sehr, aber trinken Sie nicht noch einmal so viel!«

»Es tut mir leid«, murmle ich und hebe den Kopf zur Decke, die mit Engeln verziert ist. Dann, nach einer Weile: »Ich muß mich bei Zuchra entschuldigen!«

»Gut, aber versprechen Sie mir, daß Sie sich so benehmen, wie es sich für jemanden aus Ihrer Familie gehört!«

»Bitten Sie doch bei Zuchra für mich um Verzeihung, bevor ich selbst dazu in der Lage bin!«

Das war das Ende meiner Beziehung zu Sarhan. Mit Zuchra dagegen versöhnte ich mich nach einigem Widerstreben ihrerseits wieder. Ich leugne nicht, daß der Streit mit Sarhan eine Leere in mir hinterlassen hat. Den anderen, Mansur Bahi, kenne ich kaum. Wir wechseln höchstens ein paar flüchtige Worte am Frühstückstisch, die mir gar nicht erst im Gedächtnis bleiben. Zweifellos empfinden wir eine unausgesprochene Abneigung gegeneinander. Ich verachte seine Introvertiertheit, seinen Stolz, sein feminines Gehabe, die billige Wohlerzogenheit, in der er sich gefällt. Einmal habe ich ihn im Radio gehört, und seine Stimme — so verlogen wie er selber -, zu der man sich einen Ritter mit Rednertalent vorstellt, versetzte mich in Schrecken. Seltsam ist, daß nur der Methusalem der Journalistik sich zu ihm hingezogen fühlt, was mich zu der Vermutung treibt, der alte Junggeselle sei früher vielleicht mal Päderast gewesen.

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56

Kalif Omar: Der zweite der vier »rechtgeleiteten Kalifen«, die bis heute als ideale Herrscher gelten, regierte 634-644.