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»Ach ja? Und was ist mit Pewter? Ich hab sie schon einen Dough­nut futtern sehen. Allerdings, Spargel hab ich sie auch schon essen sehen.« Tucker staunte über den gigantischen Appetit von Market Shifletts Katze. Da sie in dem Lebensmittelgeschäft neben dem Post­amt tätig war, wurde das graue Tier ständig verwöhnt. Pewter sah aus wie eine pelzige Kanonenkugel mit Beinen.

Mrs. Murphy sprang auf das Trittbrett des alten Vehikels, während Harry den platten Reifen in Augenschein nahm.

»Das zählt nicht. Die Katze frißt einfach alles.«

»Ich wette mit dir, daß sie mampfend am Fenster sitzt, wenn wir am Laden vorbeikommen.«

»Hältst du mich für blöd?« Mrs. Murphy ging nicht auf die Wette ein.»Aber ich wette mit dir, daß ich schneller auf den Baum da vorn geklettert bin, als du hinlaufen kannst.« Damit war sie auf und da­von. Tucker zögerte eine Sekunde, dann stürmte sie zu dem Baum, den Mrs. Murphy schon halb erklommen hatte. »Ich hab dir ja ge­sagt, ich gewinne.«

»Jetzt mußt du rückwärts wieder runter.« Tucker wartete unten, die Schnauze weit aufgerissen, um die Wirkung ihrer Worte zu verstär­ken. Ihre weißen Fangzähne blitzten.

»Oh!.« Mrs. Murphy riß die Augen auf. Ihre Schnurrhaare zuckten vor und zurück. Sie machte ein ängstliches Gesicht, und der Hund triumphierte. Im Nu sprang Mrs. Murphy kopfüber vom Baum, sie machte einen Satz über den Rücken des Hundes hinweg und raste zu dem Transporter. Tucker, die das Nachsehen hatte, bellte sich die Seele aus dem Leib.

»Tucker, jetzt reicht's«, schimpfte Harry und setzte ihren Weg zum Postamt fort, während sie sich im Kopf notierte, Herb zu Hause an­zurufen.

»Du bist schuld, daß ich Scherereien kriege Du hast angefangen«, warf der Hund der Katze vor.»Schrei mich nicht an«, sagte Tucker winselnd zu Harry.

»Hunde sind doof doof, doof, doof«, verkündete die Katze mit lau­ter Stimme, den Schwanz hochgereckt, dann rannte sie vor Tucker her, die natürlich die Verfolgung aufnahm.

Mrs. Murphy sprang in die Luft und setzte hinter Tucker auf. Harry mußte so lachen, daß sie nicht weitergehen konnte. »Ihr seid ver­rückt, ihr zwei.«

»Sie ist verrückt. Ich bin vollkommen normal.« Tucker setzte sich beleidigt hin.

»Ha!« Mrs. Murphy machte einen weiteren Luftsprung. Sie hatte Frühlingsgefühle und war erfüllt von der Hoffnung, die diese Jahres­zeit stets begleitet.

Harry putzte sich am Haupteingang des Postamts die Füße ab, nahm den Messingschlüssel aus ihrer Tasche und schloß auf, wäh­rend Mrs. Hogendobber gleichzeitig dasselbe Ritual am Hinterein­gang vollzog.

»Schönen guten Morgen«, riefen sie sich gegenseitig zu, als sie auf der jeweils anderen Seite des kleinen Fachwerkhauses die Tür zuge­hen hörten.

»Punkt halb acht«, rief Miranda, erfreut über ihre Pünktlichkeit. Mirandas Ehemann war jahrzehntelang Posthalter von Crozet gewe­sen. Nach seinem Tod hatte Harry die Stelle bekommen.

Obwohl keine Staatsangestellte, war Miranda George seit dem 7. August 1952, dem Tag, als er seine Stellung angetreten hatte, zur Hand gegangen. Als er starb, trauerte sie zunächst um ihn, was natür­lich war. Dann erklärte sie, der Ruhestand gefalle ihr. Am Ende gab sie zu, sich zu Tode zu langweilen, weswegen Harry sie aus Höflich­keit einlud, ab und zu vorbeizukommen. Harry hatte nicht geahnt, daß Miranda hartnäckig jeden Morgen um halb acht vorbeikommen würde. Mit der Zeit und nach einigem Murren entdeckten die zwei, daß es ganz angenehm war, Gesellschaft zu haben.

Draußen hupte das Postauto Rob Collier tippte an seine Orioles- Baseballkappe und warf die Säcke durch den Vordereingang. Er brachte die Post vom Hauptpostamt am Seminole Trail in Charlot­tesville. »Spät dran«, sagte er nur.

»Rob verspätet sich selten«, bemerkte Miranda. »Schön, packen wir's an.« Sie öffnete einen Leinensack und begann, die Post in die Fächer zu sortieren.

Auch Harry sichtete den Morast aus Gedrucktem, eine Flut von Versuchungen zum Geldausgeben, denn die Hälfte von dem, was sie aus ihrem Sack zog, waren Versandhauskataloge.

»Ihh!« kreischte Miranda und zog die Hand aus einem Postfach.

Mrs. Murphy eilte sofort herbei, um das anstößige Fach zu inspizie­ren. Sie angelte mit der Pfote darin herum.

»Was gefunden?« fragte Tucker.

»O ja!« Mrs. Murphy warf eine dicke Spinne auf den Boden. Tu­cker sprang zurück, die zwei Menschen ebenso, dann bellte sie, was die Menschen tunlichst unterließen.

»Gummi«, sagte Mrs. Murphy und lachte.

»Wessen Fach war das?« wollte Harry wissen.

»Das von Ned Tucker.« Mrs. Hogendobber runzelte die Stirn. »Das war bestimmt Danny Tucker. Ich sage Ihnen, die jungen Leute heut­zutage haben keinen Respekt. Meine Güte, ich hätte einen Schlagan­fall bekommen oder zumindest mit meiner Atmung aus dem Takt geraten können. Wenn ich den Jungen zu fassen kriege!«

»Jungen sind eben Jungen.« Harry hob die Spinne auf und wedelte damit vor Tucker herum, die Gleichgültigkeit vortäuschte. »Huch, der erste Kunde, und wir sind noch nicht halb fertig.«

Mim Sanburne stürmte durch die Tür. Ein blaßgelber Kaschmir­schal vervollständigte ihr Bergdorf-Goodman-Ensemble.

»Mim, wir sind noch nicht soweit«, informierte Miranda sie.

»Oh, ich weiß«, sagte Mim affektiert. »Ich habe Rob auf dem Weg in die Stadt überholt. Ich wollte nur hören, wie ihr die Feier in Mon­ticello fandet. Ja, ja, ihr habt mir gesagt, daß sie euch gefallen hat, aber mal ganz unter uns, wie fandet ihr sie wirklich?«

Harry und Miranda mußten sich nicht durch Blicke verständigen. Sie wußten, daß Mim beides brauchte, Lob und Klatsch. Miranda beherrschte letzteres besser als ersteres, was sie auch jetzt bewies. »Du hast eine gute Rede gehalten. Ich glaube, Oliver Zeve und Kim­ball Haynes waren schlankweg begeistert, jawohl, begeistert. Ich hatte allerdings den Eindruck, daß Lucinda Coles eingeschnappt war, wenn ich mir auch absolut nicht denken kann, warum.«

Mim schnappte nach dem Köder wie ein Klippenbarsch und senkte die Stimme. »Sie hat sich so hochnäsig benommen. Es ist ja nicht so, daß ich sie nicht in mein Komitee eingeladen hätte, Miranda. Sie war die zweite, die ich gefragt habe. Zuerst habe ich Wesley Randolph gefragt. Aber er ist einfach zu alt, der Ärmste. Als ich dann Lucinda fragte, hat sie gesagt, sie hätte genug davon, sich für gute Zwecke zu engagieren, auch wenn es darum ginge, den Ruf der Vorfahren rein­zuwaschen. Ich mußte mich schwer beherrschen, ihrem Mann nichts davon zu sagen. Ihr kennt ja Samson Coles. Je öfter sein Name in die Zeitung kommt, desto mehr Leute werden in seine Immobilienagen­tur gelockt, auch wenn sich im Moment nicht viel verkaufen läßt, stimmt's?«

»Wir haben gute Zeiten gesehen, und wir haben schlechte Zeiten gesehen. Das geht vorüber«, erklärte Miranda weise.

»Da bin ich nicht so sicher«, warf Harry ein. »Ich glaube, wir wer­den eine sehr, sehr lange Zeit für die achtziger Jahre bezahlen müs­sen.«

»Blödsinn«, widersprach Mim knapp.

Harry ließ das Thema wohlweislich fallen und kam wieder auf Lu­cinda Payne Coles zu sprechen, die auf keine besondere Abstam­mung verweisen konnte, außer daß sie mit Samson Coles verheiratet war, einem Nachkommen von Jane Randolph, der Mutter von Tho­mas Jefferson. »Wie bedauerlich, daß Lucinda aus Ihrem großartigen Projekt ausgestiegen ist. Es gehört sicher zum Besten, was Sie je getan haben, Mrs. Sanburne, und Sie haben in unserer Gemeinde schon so viel getan.« Obwohl Harry eine leichte Abneigung gegen die snobistische ältere Frau hegte, meinte sie dieses Lob ernst.