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»Finden Sie? Oh, das freut mich aber.« Big Marilyn verschränkte die Hände wie ein Geburtstagskind, das über die vielen ausgepackten Geschenke aus dem Häuschen gerät. »Ich arbeite gern, wirklich.«

Dabei fiel Mrs. Hogendobber eine Bibelstelle ein:»>So wird eines jeglichen Werk offenbar werden: der Tag wird's klar machen. Denn es wird durchs Feuer offenbar werden; und welcherlei eines jegli­chen Werk sei, wird das Feuer bewähren. Wird jemandes Werk blei­ben, das er daraufgebaut hat, so wird er Lohn empfangen. <« Sie nickte weise und fügte hinzu: »1. Korinther, 3,13-14.«

Mim liebte die äußeren Erscheinungsformen des Christentums, die Inhalte dagegen besaßen für sie weit weniger Reiz. Besonderes Un­behagen bereitete ihr der Spruch, daß ein Kamel leichter durch ein Nadelöhr gehe, als daß ein Reicher ins Himmelreich komme. Im­merhin war Mim so reich wie Krösus.

»Miranda, deine Bibelkenntnisse erstaunen mich immer wieder!« Mim hätte lieber »langweilen« statt »erstaunen« gesagt, aber sie hielt sich zurück. »Und das Zitat paßt genau, wenn man daran denkt, daß Kimball die Fundamente der Dienstbotenquartiere ausgraben wird. Ich bin ja so aufgeregt. Es gibt so viel zu entdecken. Ach, ich wünschte, ich hätte im achtzehnten Jahrhundert gelebt und Jefferson gekannt.«

»Ich hätte lieber seine Katze gekannt«, mischte Mrs. Murphy sich ein.

»Jefferson war Hundeliebhaber«, fügte Tee Tucker rasch hinzu.

»Und woher willst du das wissen?« Die Tigerkatze schlug mit dem Schwanz und spazierte auf Zehenspitzen über das Sims unter den Schließfächern.

»Das sagt die Vernunft. Er war ein vernünftiger Mensch. Intuitive Menschen bevorzugen Katzen.«

»Tucker!« Mrs. Murphy war so sprachlos angesichts des Scharf­blicks der Corgihündin, daß sie nur noch ihren Namen ausrufen konnte.

Die Menschen redeten unbekümmert weiter, ohne etwas vom Ge­spräch der Tiere mitzubekommen, das viel interessanter war als ihr eigenes.

»Vielleicht haben Sie ihn ja wirklich gekannt. Vielleicht stammt daher Ihre Leidenschaft für Monticello.« Harry hätte um ein Haar einen Haufen Versandhauskataloge zum Abfall geworfen, aber dann besann sie sich.

»Den Unsinn glauben Sie doch selber nicht.« Mrs. Hogendobber rümpfte die Nase.

»Ich schon, ausnahmsweise.« Mim verzog keine Miene.

»Du?« Miranda konnte es anscheinend nicht fassen.

»Ja. Hast du das noch nie erlebt, daß du etwas wußtest, ohne daß man es dir erzählt hatte, oder daß du in Europa in ein Zimmer ge­kommen bist und das sichere Gefühl hattest, da bist du schon mal gewesen?«

»Ich war noch nie in Europa«, lautete die trockene Antwort.

»Dann wird es höchste Zeit, Miranda, wirklich allerhöchste Zeit«, hielt Mim ihr vor.

»Ich bin in meinem ersten Collegejahr mit dem Rucksack durch Europa gewandert.« Harry lächelte in Erinnerung an die netten Leu­te, die sie in Deutschland kennengelernt hatte, und wie aufregend es war, in ein damals kommunistisches Land zu kommen, nach Ungarn. Sie hatte sich der Zeichensprache bedient, und irgendwie hatte die Verständigung immer geklappt. Wohin sie auch kam, überall waren die Menschen freundlich und hilfsbereit gewesen. Sie nahm sich vor, eines Tages dorthin zurückzukehren, um alte Freunde wiederzuse­hen, mit denen sie sich noch schrieb.

»Wie abenteuerlich«, sagte Big Marilyn trocken. Sie konnte sich nicht vorstellen, zu wandern oder, schlimmer noch, in Jugendherber­gen zu übernachten. Als sie ihre Tochter in die>Alte Welt< geschickt hatte, hatte Little Marilyn eine große Luxusrundreise gemacht, ob­wohl sie alles darum gegeben hätte, mit Harry und ihrer Freundin Susan Tucker auf Rucksackwanderschaft zu gehen.

»Wirst du bei den Ausgrabungen dabeisein?« fragte Miranda.

»Wenn Kimball mich läßt. Wißt ihr, wie sie das machen? Sie sind äußerst genau, geradezu pingelig. Sie stecken Raster ab, sie fotogra­fieren alles, sie zeichnen es sogar auf Millimeterpapier - um sicher­zugehen. Dann durchforsten sie gewissenhaft Raster für Raster, und alles, absolut alles, was sich bergen läßt, das wird auch geborgen. Tonscherben, Gürtelschnallen, verrostete Nägel. Oh, ich kann's noch gar nicht glauben, daß ich dabeisein werde. Wißt ihr, das Leben ist damals besser gewesen als heute, davon bin ich überzeugt.«

»Ich auch«, tönten Harry und Miranda wie im Chor.

»Ha!« maunzte Mrs. Murphy.»Ist dir das schon mal aufgefallen? Immer, wenn die Menschen sich in die Geschichte zurückversetzen, bilden sie sich ein, damals wären sie reich und gesund gewesen. Die sollten mal rausfinden, wie das war, wenn man im achtzehnten Jahr­hundert Zahnschmerzen hatte.« Sie sah zu Tucker hinunter.»Na, ist das etwa kein vernünftiger Gedanke?«

»Manchmal bist du 'ne richtige Kratzbürste. Bloß weil ich gesagt habe, daß Jefferson Hunde lieber mochte als Katzen.«

»Aber das weißt du doch gar nicht.«

»So? Hast du irgendwelche Hinweise auf Katzen gelesen? Alles, was der Mann je geschrieben oder gesagt hat, kennt hier jeder aus­wendig. Da kommt kein Pieps über Katzen vor.«

»Du hältst dich wohl für überschlau. Hast du vielleicht zufällig ei­ne Liste von seinen Lieblingshunden?«

Tucker senkte verlegen den Kopf.»Hm, das nicht gerade - aber Thomas Jefferson hat Pferde geliebt, vor allem große Füchse.«

»Schön, das kannst du zu Hause Tomahawk und Gin Fizz erzählen. Sie werden sich vor Stolz nicht einkriegen können.« Mrs. Murphy sprach von Harrys Pferden, die sie sehr gern hatte. Sie behauptete steif und fest, daß Katzen und Pferde wesensverwandt seien.

»Glauben Sie, daß wir die Ausgrabungsstätte von Zeit zu Zeit be­sichtigen können?« Harry beugte sich über den Schalter.

»Warum nicht?« erwiderte Mim. »Ich rufe Oliver Zeve an und fra­ge ihn, ob das in Ordnung geht. Ihr jungen Leute müßt euch unbe­dingt engagieren.«

»Was gäbe ich darum, noch mal in Ihrem Alter zu sein, Harry.« Miranda wurde wehmütig. »Dann würde mein George noch Haare haben.«

»George hatte mal Haare?« Harry mußte kichern.

»Werden Sie nicht frech«, warnte Miranda, aber ihr Tonfall drückte Zuneigung aus.

»Willst du einen Mann mit einem Kopf voll Haare? Dann nimm meinen.« Mim trommelte mit den Fingern auf den Schalter. »Alle anderen hatten ihn schon.«

»Na hör mal, Mim.«

»Ach, Miranda, ich gräme mich nicht mal mehr deswegen. All die Jahre meiner Ehe habe ich gute Miene zum bösen Spiel gemacht - jetzt ist es mir einfach egal. Ist mir zu anstrengend. Ich habe be­schlossen, für mich zu leben. Es lebe Monticello!« Damit winkte sie und ging.

»Ich muß schon sagen, ich muß schon sagen.« Miranda schüttelte den Kopf. »Was ist bloß in sie gefahren?«

»Wer ist bloß in sie gefahren?«

»Harry, das ist ungezogen.«

»Ich weiß.« Harry bemühte sich, in Mrs. Hogendobbers Gegenwart den Mund zu halten, aber manchmal entschlüpfte ihr doch eine Be­merkung. »Da muß was vorgefallen sein. Oder vielleicht ist sie schon als Kind so gewesen.«

»Sie war nie ein Kind.« Miranda senkte die Stimme. »Ihre Mutter hat sie auf eine öffentliche Schule geschickt, aber Mim wäre lieber auf Miss Porters Privatschule gegangen. Sie trug jeden Tag Klamot­ten, die so teuer waren, daß sie einen Durchschnittsmann bankrott gemacht hätten, und das war wohlgemerkt am Ende der Depression und am Beginn des Zweiten Weltkriegs. Als wir die Crozet High School besuchten, gab es zwei Klassen von Schülern. Marilyn und den Rest.«

»Sagen Sie - haben Sie eine Ahnung, was es sein könnte?«

»Nicht die leiseste.«»Ich weiß, was es ist«, bellte Tucker. Die Menschen sahen sie an.