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Ihr wurde bewußt, daß alle sie verwundert und besorgt anstarrten. »Ich mußte an Detwiler denken«, erklärte sie. »Daran, daß es doch nicht umsonst war, daß er sein Leben für ein Funksignal von drei Minuten Länge geopfert hat.«

»Nein - es war nicht umsonst«, versicherte Marko. »Ganz sicher nicht, meine liebe Mrs. Pollifax! Denn hätte uns Cyrus nicht aus unserer Lethargie gerissen, wäre Detwilers Verzweiflungstat die einzige Chance gewesen, Sie und Alec doch noch zu retten. Das Signal wurde tatsächlich aufgefangen und das Gebäude gefunden. Wir hatten soeben die Vorhut der Terroristen im Turm überwältigt, als die Besatzung des Funkortungswagens Verstärkung anforderte, doch Duncan versicherte ihnen, wir hätten die Situation bereits unter Kontrolle. Sie hatten die Anweisung, Ihnen und dem VW-Bus in sicherer Distanz zum Gipfel zu folgen. Detwilers Tat war also keinesfalls umsonst.«

Mrs. Pollifax suchte Alecs Blick. »Vielleicht fällt es Ihnen nun leichter, ihm zu vergeben?«

»Vergeben - ja. Aber nicht vergessen«, erwiderte Alec verbittert. »Er war es ja nicht, der meinen Vater erschossen hat. Es war Mr. Feng... Mr. Feng hat...« Alecs Stimme versagte.

»Feng ist tot«, versuchte ihn Marko zu beschwichtigen.

»Er hat sich nach dem ersten Verhör erschossen.«

»Dann erklären Sie mir doch endlich, aus welchem Grund er diesen ganzen Wahnsinn angezettelt hat!«

Marko seufzte. »Sobald die Terroristen Hongkong in ihre Gewalt gebracht hatten, sollten sie die sofortige Einstellung aller Verhandlungsgespräche zwischen Großbritannien und Peking und eine Berücksichtigung Taiwans bei der Aufteilung der ehemaligen Kronkolonie fordern... Das sind Fengs eigene Worte...«

»War der Mann verrückt?« fuhr Alec auf.

»Alle Fanatiker sind mehr oder weniger verrückt«, stellte Marko trocken fest. »Er hat sein ganzes Leben der Rückeroberung Chinas durch die Nationalchinesen geopfert und ist damit gescheitert. Er war entschlossen, wenigstens zu verhindern, daß 1997 auch Hongkong an Rotchina fällt«, erklärte Marko. »Der Erwerb von Häusern in den verschiedensten Stadtvierteln Hongkongs, in denen Waffen und Munition versteckt und gelagert werden konnten... Wir nehmen sehr stark an, daß ihn dabei sein Bruder und andere Sympathisanten von Taiwan aus unterstützt haben. Den Kontakt mit der >Befreiungsfront 80'< hat sein Neffe Xian Pi hergestellt. Dann folgten die Überfälle auf die Diamantenkuriere, um die Operation zu finanzieren, und schließlich die methodische Verteilung der Diamanten, um Waffen und Schweigen zu kaufen.«

>Und die allmähliche Versklavung Detwilers<, dachte Mrs. Pollifax.

»Genau betrachtet«, fügte Marko freudlos hinzu, »waren seine Motive am Ende dann nicht mehr von denen der >Befreiungsfront 8o'< zu unterscheiden: Er wollte Hongkong in Schutt und Asche legen und seine Wut und seinen Haß gegen die ganze Welt befriedigen. Ihm kann nicht entgangen sein, daß es für seinen Traum von der Rückkehr der nationalistischen Regierung auf das Festland längst keine reale Grundlage mehr gibt. Doch er hatte sein ganzes Leben dieser Vorstellung gewidmet, und konnte offenbar nicht mehr zurück.«

»Das war Fengs Beweggrund«, warf Robin ein. »Der der >Befreiungsfront 8o'< war etwas profaner: Sie hatte die Absicht, zehn Millionen Dollar in Gold und freien Abzug auf Hongkong - vermutlich nach Libyen - zu fordern.«

Mrs. Pollifax schüttelte den Kopf angesichts dieses Wahnsinns. »Und was ist mit Eric dem Roten?«

»Tot«, erwiderte Robin ausdruckslos. »Er und zwei andere starben im Kugelhagel vor dem Aufzug. Die überlebenden Terroristen waren geständig und zeigten der Polizei, wo die Bomben deponiert waren - übrigens eine ganze Menge -, sicherlich in der Hoffnung auf ein milderes Urteil... Die Gerüchteküche in Hongkong produziert immer neue Variationen der Ereignisse. Um eine Panik zu vermeiden, hat der Gouverneur eine Nachrichtensperre verhängt, bis alle Bomben gefunden sind.«

»Natürlich war eines der Hauptmotive für die >Befrei-ungsfront 8o'< die Macht, die sie mit einemmal besitzen würde«, erinnerte Marko. »Mr. Fengs teufischer Plan war für sie eine verlockende Möglichkeit, einen vernichtenden Schlag gegen Recht und Ordnung, gegen die Regierungen der gesamten zivilisierten Welt zu führen. Zweifellos spielte in der Gruppe auch der Zwang, immer wieder neue Aktionen durchzuführen, eine gewisse Rolle; doch das zentrale Motiv war wohl das berauschende Gefühl der Macht, mit einer Schar von Geiseln im Gipfelturm zu sitzen und uns alle nach ihrer Pfeife tanzen zu lassen.«

»Doch das ist Gott sei Dank nicht eingetreten«, sagte Cyrus.

»Dieses Mal nicht - nein«, erwiderte Marko. »Nicht hier, nicht in Hongkong.«

Sie dachten über diese Bemerkung Markos nach, und nach einer Weile hob Mr. Hitchens sein Glas. »Dann schage ich vor, wir trinken auf das, was nicht geschehen ist... Vielleicht hat Mrs. Pollifax dem noch einiges hinzuzufügen?«

Sie lächelte ihm zu. »Ja - ja, ich denke schon«, sagte sie und ließ ihren Blick über die Gesichter ihrer Freunde schweifen: von Marko, mit seinen klugen, empfindsamen Augen, zu Robin, mit dem sie nun ein zweites gemeisames Abenteuer verband, zu Sheng Ti, der zusammen mit Lotus in die Vereingten Staaten gehen würde - Carstairs' Zusage war vor knapp einer Stunde eingetroffen - und zu Alec, der seinen Vater verloren, doch sein Leben neu gewonnen hatte.

Ihr Blick wanderte weiter zu Mr. Hitchens, dessen Leben wohl um einige Erfahrungen reicher geworden war, und schließlich zu Ruthie, die auf einer Pauschalreise ihr individuelles Glück gefunden hatte... Sie dachte an das Telegramm Bishops, das am frühen Abend eingetroffen war: »TUN SIE SO ETWAS NIE - NIE WIEDER STOP CARSTAIRS KONSUM AN BERUHIGUNGSMITTELN ERSCHRECKEND GESTIEGEN STOP ERBITTEN ANKUNFTSZEIT IN NEW YORK STOP BEREITEN SIE CYRUS AUF ÜBERSCHWENGLICHE DANKESBEZEIGUNGEN VOR STOP ALLES LIEBE BISHOP.

Schließlich fand ihr Blick Cyrus' Augen... Cyrus, der Mann, mit dem sie ihr Leben und die kleinen kostbaren Freuden der Gemeinsamkeit teilen konnte...

Sie erhob ihr Glas und lächelte ihm glücklich zui Dann sagte sie: »Auf alle Amateure - auf alle besorgten, zornigen und entschlossenen Amateure... Und darauf, daß das, was in Hongkong hätte geschehen können, niemals geschehen wird.«