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Satin: Bist du neugierig, Alterchen! Alles möchtest du wissen … warum denn?

Luka: Möchte gern verstehen, was so … menschliche Angelegenheiten sin d… Und dich versteh ich nicht, Konstantin, wenn ich dich so anseh! Ein so lieber Mensch … und so gescheit … und mit einemmal …

Satin: das Gefängnis, Großvater! Vier Jahre sieben Monate hab ich abgemacht, und wie ich herauskam, als entlassener Sträfling - fand ich meinen Weg versperrt …

Luka: Oh, oh, oh! Warum hast du denn gesessen?

Satin: wegen eines Schurken … den ich im Jähzorn erschlagen hatte … Im Gefängnis hab ich auch meine Kartenkunststücke gelernt …

Luka: Und warum hast du ihn erschlagen? Wegen eines Weibes?

Satin: Wegen meiner eignen Schwester … Aber geh mir jetzt vom Halse - ich liebe es nicht, wenn man mich aushorcht … Es sind … alte Geschichten … meine Schwester ist tot … neun Jahre schon ist's her … Ein prächtiges Geschöpf war sie, meine Schwester …

Luka: Nimmst das Leben nicht schwer! Andern fällt's weniger leicht … Wie hat hier zum Beispiel der Schlosser hier vorhin aufgeschrien - oh, oh!

Satin: der Kleschtsch?

Luka: Derselbige. Keine Arbeit, schrie er … kein gar nichts …

Satin: Wird sich dran gewöhnen … Sag, was soll ich nun anfangen?

Luka  leise: Guck! Da kommt er … Kleschtsch kommt langsam, mit gesenktem Kopf, herein.

Satin: Heda, junger Witwer! Was läßt du den Kopf so hängen? Worüber grübelst du?

Kleschtsch: Ich zerbrech mir den Schädel darüber … was ich jetzt tun soll! Mein Werkzeug ist hin … alles hat das Begräbnis aufgefressen …

Satin: Ich will dir 'nen Rat geben: Tu gar nichts! Belaste die Erde mit deinem Gewicht - ganz einfach!

Kleschtsch: Du hast gut reden … Ich - habe noch Scham vor den Leuten.

Satin: Lege sie ab, deine Scham! Haben die Leute vielleicht Scham darüber, daß du schlechter lebst als ein Hund? Wenn du nicht arbeitest und ich nicht arbeite … und noch hundert, tausend andere nicht arbeiten … und schließlich alle - begreifst du wohl? - alle die Arbeit hinwerfen und kein Mensch mehr was tut - was, meinst du, wird dann wohl geschehen?

Kleschtsch: Dann werden alle verhungern …

Luka  zu Satin: Es gibt eine solche Sekte, »Flüchtlinge« nennen sie sich … die reden ganz so wie du …

Satin: Ich kenne sie … Die sind gar nicht so dumm, Alterchen! Aus Kostylews Fenster hört man Natascha schreien: »Was tust du? Hör doch auf … was hab ich denn getan?«

Luka  unruhig: Wer schrie da? War's nicht Natascha? Ach, du … Aus Kostylews Wohnung vernimmt man lauten Lärm und das Klirren von zerschlagenem Geschirr. Dazwischen ruft Kostylew mit kreischender Stimme: »A-ah … du Ketzerin … du Aas!«

Wassilissa:  hinter der Bühne: Halt … wart mal … ich will sie … so … und so …

Natascha: Hilfe! Sie schlagen mich tot!

Satin  schreit ins Fenster hinein: Head! Was fällt euch ein?

Luka  läuft besorgt hin und her: Den Wasjka … muß man rufen … den Wassilij … O Gott! … Kinder, meine Lieben …

Der Schauspieler  eilt fort: Ich hol ihn … sofort …

Bubnow: Die setzen dem armen Mädel was zu …

Satin: Komm, Alter … wir werden Zeugen sein …

Luka  ab hinter Satin: Warum Zeugen? Was bin ich schon für 'n Zeuge ? Wenn nur Wasjka bald käme … o weh!

Natascha  hinter der Bühne: Schwester … liebe Schwester … Wa-a-a …

Bubnow: Jetzt haben sie ihr den Mund verstopft … will gleich mal sehen … Der Lärm in Kostylews Wohnung wird schwächer, er verzieht sich offenbar aus der Wohnstube in den Hausflur. Man hört Kostrufen: »Halt!« Eine Tür wird zugeschlagen, wodurch der ganze Lärm gleichsam wie mit einem Beil abgeschnitten wird. Auf der Bühne ist es still. Abenddämmerung.

Kleschtsch  sitzt teilnahmslos auf dem Holzhaufen und reibt sich heftig die Hände. Dann beginnt er etwas vor sich hin zu murmeln, erst undeutlich, dann lauter: Ja, was tun? … Leben muß man … Lauter. Wenigstens ein Obdach … aber nein, nicht mal das … nicht mal 'nen Winkel, wo man sich niederlassen könnte … Nichts als der nackte Mensch … ganz hilflos - und verlassen … Geht langsam, in gebeugter Haltung ab. Ein paar Sekunden unheimliche Stille. Dann erhebt sich irgendwo in dem Durchgang ein wirrer Lärm, ein Chaos von Tönen, das immer lauter wird und immer näher kommt. Man hört einzelne Stimmen.

Wassilissa  hinter der Bühne: Ich bin ihre Schwester! Laßt mich los!

Kostylew  hinter der Bühne: Wie kommst du dazu, dich einzumischen?

Wassilissa  hinter der Bühne: Du Zuchthäusler …

Satin  hinter der Bühne: Den Wasjka holt! … macht rasch! … Schiefkopf, schlag zu! Eine Polizistenpfeife ertönt.

Der Tatar  stürzt auf die Bühne; seine rechte Hand ist verbunden: Was ist das für 'n Gesetz - am hellen Tage zu morden? Schiefkopf kommt eilig herbei, hinter ihm Medwedew.

Schiefkopf: Na, der hat's von mir gekriegt!

Medwedew: Wie kommst du dazu, ihn zu schlagen?

Der Tatar: Und du - weißt du nicht, was deine Pflicht ist?

Medwedew  läuft hinter Schiefkopf her: Halt! Gib meine Pfeife zurück …

Kostylew  stürzt auf die Bühne: Abram! Fang ihn … halt ihn fest! Er hat mich geschlagen … Hinter der Ecke hervor kommen Kwaschnja und Nastja - sie führen Natascha, die ganz zerzaust und über zugerichtet ist, unter den Armen. Satin weicht hinter das Haus zurück, wobei er Wassilissa zurückstößt, die mit den Armen herumfuchtelt und ihre Schwester zu schlagen versucht. Um sie herum springt wie ein Besessener Aljoschka, er pfeift ihr die Ohren voll, schreit und heult. Noch ein paar weitere zerlumpte Gestalten, Männer und Frauen, erscheinen.

Satin  zu Wassilissa: Wohin denn, verdammte Eule?

Wassilissa: Weg, Sträfling! Und wenn mich's das Leben kostet - ich reiße sie in Stücke …

Kwaschnja  führt Natascha auf die Seite: So hör doch auf, Karpowna … Schäm dich! Wie kann man so unmenschlich sein?

Medwedew  nimmt Satin beim Kragen: Aha … jetzt hab ich dich!

Satin: Schiefkopf! Schlag zu! … Wasjka … Wasjka! Alle drängen sich im Haufen an den Durchgang neben der roten Wand. Natascha wird nach rechts geführt und dort auf den Holzhaufen gesetzt.

Pepel  springt aus der Gasse vor und treibt schweigend, mit kräftigen Stößen, alle auseinander: Wo ist Natascha? Du …

Kostylew  versteckt sich hinter der Ecke: Abram! Fang den Wasjka … Brüder, helft den Wasjka fangen! Den Dieb … den Räuber …

Pepeclass="underline"  Da … du alter Wüstling! Schlägt mit kräftigen Hieben auf Kostylew los. Dieser stürzt so hin, daß hinter der Ecke nur sein Oberkörper sichtbar ist. Pepel eilt zu Natascha hin.

Wassilissa: Haut den Wasjka! Ihr Täubchen … haut den Dieb!

Medwedew  zu Satin: Hast dich nicht einzumischen … das ist hier - 'ne Familienangelegenheit! Sie sind miteinander verwandt … Und wer bist du!

Pepel  zu Natascha: Was hat sie dir getan? Hat sie dich gestochen?

Kwaschnja: Sieh doch, was für Bestien! Mit kochendem Wasser haben sie ihr die Beine verbrüht …

Nastja: Den Samowar haben sie umgestoßen …

Der Tatar: Kann zufällig gewesen sein … wenn man's nicht genau weiß, soll man nicht reden …

Natascha  halb ohnmächtig: Wassilij … nimm mich weg von hier … versteck mich …

Wassilissa: Seht nur, meine Lieben! Guckt doch her! Erschlagen haben sie ihn! Alle sammeln sich an dem Durchgang um Kostylew. Von der Menge sondert sich Bubnow ab, der an Pepel herantritt.

Bubnow  leise: Wasjka! Der Alte … hat genug!

Pepel  sieht ihn an, als ob er seine Worte nicht begriffe: Geh, hol eine Droschke … sie muß ins Krankenhaus … na, mit denen will ich abrechnen