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Bubnow: Hör, was ich sage: den Alten hat jemand kaltgemacht … Der Lärm auf der Bühne verlöscht gleichsam wie ein Feuer, auf das man Wasser gießt. Man vernimmt einzelne halblaute Ausrufe: »Ist's wirklich wahr?«, »Da haben wir's!«, »Nanu?«, »Wollen uns lieber drücken, Bruder!«, »Teufel noch eins!«, »Jetzt heißt es Kopf oben!«, »Reißt aus, ehe die Polizei kommt!« Die Menge wird kleiner. Bubnow und der Tatar entfernen sich. Nastja und Kwaschnja stürzen zu Kostylews Leichnam.

Wassilissa  erhebt sich vom Boden und ruft laut, in triumphierendem Ton: Erschlagen haben sie ihn … meinen Mann! Und wer hat's getan? Der da! Wasjka hat ihn erschlagen! Ich hab's gesehen, meine Lieben! Ich hab's gesehen! Na, Wasjka? Heda, Polizei!

Pepel  entfernt sich von Natascha: Laß mich mal … Platz da!

Starrt auf den Leichnam. Zu Wassilissa: Na? Jetzt bist du wohl froh? Stößt den Leichnam mit dem Fuße. Ist wirklich krepiert. … der alte Hund! Nu hast du deinen Willen … Soll ich dir nicht auch gleich … 's Genick umdrehen? Stürzt auf sie zu, doch fassen ihn Satin und Schiefkopf rasch. Wassilissa versteckt sich in der Seitengasse.

Satin: Komm doch zur Besinnung!

Schiefkopf: Prrr! Wohin springst du denn?

Wassilissa  erscheint wieder auf dem Platze: Na, Wasjka, mein Herzensfreund? Niemand entgeht seinem Schicksal … Die Polizei! Abram … so pfeif doch!

Medwedew: Sie haben mir ja die Pfeife weggenommen, die Teufelskerle …

Aljoschka: Da ist sie! Er pfeift. Medwedew läuft hinter ihm her.

Satin  geleitet Pepel zu Natascha zurück: Hab keine Angst, Wasjka! Totschlag bei 'ner Prügelei … Lappalie! Da gibt's nicht viel …

Wassilissa: Haltet ihn nur fest! Wasjka hat ihn erschlagen … ich hab's gesehen!

Satin: Ich hab ihm auch ein paar Hiebe versetzt … Was braucht denn so 'n alter Mann viel! Gib mich nur als Zeugen an, Wasjka …

Pepeclass="underline"  Ich brauch mich nicht zu rechtfertigen … Aber die Wassilissa … die will ich 'reinlegen! Sie wollte es habe … sie hat mich dazu angestiftet, ihren Mann totzuschlagen … jawohl, sie hat mich angestiftet …

Natascha  plötzlich einfallend, mit lauter Stimme: Ah! … jetzt versteh ich! So steht's, Wassilij?! Hört doch, ihr guten Leute: 's war alles besprochen! Er und meine Schwester … sie haben es eingefädelt, haben's drauf angelegt! Sieh doch, Wassilij! Darum hast du vorhin … mit mir so geredet … damit sie alles hörte?! Ihr guten Leute, sie ist seine Liebste … Ihr wißt ja … alle wissen es … sie sind einig miteinander! Sie … sie hat ihn angestiftet, ihren Mann zu erschlagen … er war ihnen im Wege … und auch ich war ihnen im Wege … Darum hat sie mich … so zugerichtet …

Pepeclass="underline"  Natalja! Was sprichst du da … was sprichst du?!

Satin: Ist ja dummes Zeug!

Wassilissa: Sie lügt! Alles Lüge … ich weiß von nichts … Wasjka hat ihn erschlagen … er ganz allein!

Natascha: Sie haben's besprochen! Verflucht sollt ihr sein … alle beide …

Satin: Das wird 'n verzwicktes Spiel … Jetzt heißt es: Kopf oben, Wassilij, sonst kriegen sie dich unter!

Schiefkopf: Kann's nicht begreifen! … Ach … sind das Geschichten!

Pepeclass="underline"  Natalja! Sprichst du … im Ernst? Kannst du wirklich glauben, daß ich … mit ihr …

Satin: Bei Gott, Natascha … nimm doch Vernunft an!

Wassilissa  in der Seitengasse: Meinen Mann haben sie erschlagen … Euer Wohlgeboren … Wasjka Pepel, der Dieb … hat ihn erschlagen, Herr Kommissar! Ich hab's gesehen, alle haben es gesehen …

Natascha  wälzt sich halb besinnungslos hin und her: Ihr guten Leute … meine Schwester und Wasjka … die haben ihn erschlagen! Herr Polizeimann … hören sie doch mal … diese da, meine Schwester, hat ihn verleitet … ihren Liebsten … hat sie angestiftet … da ist er, der Verfluchte - die beiden haben's getan! Nehmt sie fest … stellt sie vor Gericht … Auch mich nehmt mit … ins Gefängnis mit mir! Um Christi willen … ins Gefängnis …

Vierter Aufzug

Bühneneinrichtung des ersten Aufzugs. Nur Pepels Kammer ist nicht mehr da, die Verschläge sind beseitigt. Auch der Amboß fehlt an der Stelle, wo Kleschtsch früher saß. In der Ecke, in der früher Pepels Kammer war, liegt der Tatar; er wälzt sich hin und her und stöhnt ab und zu. Am Tische sitzt Kleschtsch; er bessert eine Harmonika aus und probiert dann und wann die Akkorde. Am anderen Ende des Tisches sitzen Satin, der Baron und Nastja. Vor ihnen eine Flache Branntwein, drei Flaschen Bier, ein großes Stück Schwarzbrot. Auf dem Ofen der Schauspieler, er rückt unruhig hin und her und hustet. Es ist Nacht. Die Bühne wird durch eine Lampe erhellt, die mitten auf dem Tisch steht. Draußen heult der Wind.

Kleschtsch: J-ja … mitten in dem Lärm damals ist er verschwunden …

Der Baron: Geflüchtet ist er vor der Polizei … wie der Nebel vor der Sonne flieht …

Satin: So fliehen die Sünder vor dem Antlitz des Gerechten!

Nastja: Ein prächtiger alter Mann war 's! Und ihr … seid überhaupt keine Menschen … ihr seid Gesindel …

Der Baron  trinkt: Auf Ihr Wohl, Lady!

Satin: Ein interessanter Greis … ja! Unsere Nastenjka hat sich in ihn verliebt …

Nastja: Das hab ich auch … recht liebgewonnen hab ich ihn! Er hatte für alles ein Auge … für alles Verständnis …

Satin  lachend: Und war überhaupt für viele … was eine Mehlsuppe für zahnlose Leute ist …

Der Baron  lachend: Oder ein Zugpflaster für 'n Geschwür.

Kleschtsch: Er hatte ein mitleidiges Herz … ihr hier … kennt kein Mitleid …

Satin: Was hast du davon, daß ich dich bemitleide?

Kleschtsch: Brauchst mich nicht zu bemitleiden … aber wenigstens kränken … sollst du mich nicht …

Der Tatar  richtet sich auf der Pritsche auf und wiegt seine kranke Hand wie ein kleines Kind hin und her: Der Alte war gut … trug das Gesetz im Herzen! Wer's Gesetz im Herzen trägt - der ist gut! Wer's Gesetz nicht in sich hat - der ist verloren! …

Der Baron: Was für ein Gesetz, Fürst?

Der Tatar: Na, eben - das Gesetz … je nachdem … du verstehst mich schon!

Der Baron: Rede weiter!

Der Tatar: Tritt keinem Menschen zu nahe - da hast du schon das Gesetz …

Satin: Bei uns in Rußland nennt man das »Sammlung der Verordnungen über die Kriminal- und Korrektionsstrafen« …

Der Baron: Nebst einem Anhang: »Bestimmungen über die Strafen, die von den Friedensrichtern verhängt werden können« …

Der Tatar: Bei uns heißt es Koran … Euer Koran sind eure Gesetze … seinen Koran muß der Mensch im Herzen tragen … ja!

Kleschtsch  probiert die Harmonika: Zischt noch immer, das Biest! Was der Tatar sagt, ist richtig … man muß nach den Gesetzen leben … nach dem Evangelium …

Satin: Leb doch danach …

Der Baron: Versuch's doch …

Der Tatar: Mohammed hat den Koran gegeben, er sagte: Da habt ihr Euer Gesetz! Tut, was darin geschrieben steht! Dann wird eine Zeit kommen - da reicht der Koran nicht mehr zu … diese Zeit wird sich ein eignes Gesetz geben, ein neues … Jede Zeit gibt sich ihr eignes Gesetz …

Satin: Na ja … unsre Zeit hat sich eben die »Sammlung der Strafverordnungen« gegeben. Ein strammes Gesetz … wird sich so leicht nicht abnutzen!

Nastja  klopft mit ihrem Glas auf den Tisch: Nu möchte ich bloß wissen … warum leb ich eigentlich … hier bei euch? Ich will fort von hier … irgendwohin will ich gehen … bis ans Ende der Welt!

Der Baron: Ohne Schuhe, Lady?

Nastja: Ganz nackt meinetwegen! Auf allen vieren will ich kriechen!

Der Baron: Das wird ja sehr spaßig aussehen, Lady … auf allen vieren …

Nastja: Jawohl, das tu ich! Wenn ich nur deine Fratze nicht mehr zu sehen brauche … Ach, wie mir alles zuwider ist! Das ganze Leben … alle Menschen! …