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Der Baron  sinkt, ganz erschöpft vor zorniger Erregung, auf die Bank zurück: Satin, sag ihr doch … der Schlumpe … was - auch du lachst? Auch du … willst mir nicht glauben? Schreit voll Verzweiflung, indem er mit der Faust auf den Tisch schlägt. Hol euch der Teufel … es war so, wie ich es sage!

Nastja  in triumphierendem Ton: Aha, siehst du, wie du aufgeschrien hast? Jetzt weißt du, wie einem Menschen zumute ist, wenn man ihm nicht glauben will!

Kleschtsch  kehrt an den Tisch zurück: Ich dachte schon, es gibt 'ne Prügelei …

Der Tatar: Ist das 'n dummes Volk! Zu läppisch!

Der Baron: Ich … laß mich nicht so foppen! Ich habe Beweise … Dokumente hab ich, zum Kuckuck!

Satin: Wirf sie in 'n Ofen! Und vergiß die Kutschen deines Großvaters … In der Kutsche der Vergangenheit kommt der Mensch nicht vom Fleck …

Der Baron: Wie kann sie es aber wagen …

Nastja: Nun sag einer! Wie ich's wagen kann …

Satin: Du siehst doch, sie wagt es! Ist sie etwa schlechter als du! Wenn sie auch in ihrer Vergangenheit ganz sicher keine Kutschen und keinen Großvater  … vielleicht nicht mal Vater und Mutter aufzuweisen hat …

Der Baron  sich beruhigend: Hol dich der Teufel … du urteilst über alles so kaltblütig, während ich gleich … Ich glaube, ich hab keinen Charakter …

Satin: Schaff dir einen an. Ist 'ne nützliche Sache … Pause. Sag mal, Nastja - gehst du nicht öfters ins Krankenhaus?

Nastja: Weshalb?

Satin: Zu Natascha?

Nastja: Jetzt fragst du? Die ist längst heraus … heraus und verschwunden! Nirgends ist sie zu finden …

Satin: Also spurlos verschwunden …

Kleschtsch: Bin neugierig, ob Wasjka die Wassilissa, oder Wassilissa den Wasjka gründlicher reinlegt …

Nastja: Wassilissa? Die wird sich rausschwindeln! Die ist schlau. Den Wasjka werden sie wohl in die Zwangsarbeit schicken …

Satin: Für Totschlag bei 'ner Schlägerei gibt's nur Gefängnis …

Nastja: Schade. Zwangsarbeit wäre besser. Euch alle sollte man in die Zwangsarbeit schicken … Wegfegen sollte man euch, wie einen Haufen Schmutz … in 'ne Grube irgendwohin!

Satin  verdutzt: Was fällt dir ein? Bist wohl verrückt geworden?

Der Baron: Ich hau dir gleich eine 'runter … freches Ding!

Nastja: Versuch's mal! Rühr mich nur an!

Der Baron: Gewiß versuch ich's!

Satin: Laß sie, rühr sie nicht an! »Beleidige den Menschen nicht in ihr!« … Immer wieder fällt mir dieser Alte ein! Lacht laut. Beleidige den Menschen nicht in ihr! Und wenn man mich beleidigt hat - so, daß ich fürs ganze Leben genug habe -, was soll ich dann tun? Verzeihen? Nie und nimmer!

Der Baron  zu Nastja: Merk dir's, du: Ich bin nicht deinesgleichen! Du … Dirne!

Nastja: Ach, du … Unglücklicher ! Du lebst doch von mir, wie die Made vom Apfel … Die Männer lachen verständnisvoll.

Kleschtsch: Dumme Gans! Ein schöner Apfel bist du …

Der Baron: Soll man sich ärgern … über solch eine … Idiotin?

Nastja: Ihr lacht? Verstellt euch doch nicht! Euch ist's nicht zum Lachen …

Der Schauspieler  finster: Gib's ihnen gehörig!

Nastja: Wenn ich nur … könnte! Ich würde euch alle … Nimmt eine Tasse vom Tisch und wirft sie auf den Boden. So!

Der Tatar: Was zerschlägst du das Geschirr? He, du verdrehte Schraube?

Der Baron  erhebt sich: Nein, ich muß ihr doch mal … Manieren beibringen!

Nastja  läuft fort: Hol euch der Teufel!

Satin  ruft hinter ihr her: Hör endlich auf! Was soll das? Wem willst du hier bange machen?

Nastja: Ihr Wölfe! Krepieren sollt ihr! Wölfe!

Der Schauspieler  finster: Amen!

Der Tatar: Uh! Böses Volk - diese russischen Weiber! Zu frech … zu zügellos! Die Tatarin - die ist nicht so! Die Tatarin kennt das Gesetz!

Kleschtsch: 'nen Denkzettel müßte sie kriegen …

Der Baron: So 'ne gern - meine Person!

Kleschtsch  probiert die Harmonika: Fertig! Und ihr Besitzer läßt sich nicht sehen … Der Junge treibt's toll …

Satin: Nun trink mal!

Kleschtsch  trinkt: Danke! 's ist Zeit, sich aufs Ohr zu legen …

Satin: Gewöhnst dich nach und nach an uns ?

Kleschtsch  trinkt und geht in die Ecke zur Pritsche: Es macht sich … Überall - sind schließlich Menschen … Anfangs sieht man das nicht so … aber später, wenn man genauer zuschaut, zeigt sich's, daß überall Menschen sind … Es macht sich alles … Der Tatar breitet irgend etwas auf der Pritsche aus, kniet nieder und betet.

Der Baron  zu Satin, auf den Tataren zeigend: Sieh doch!

Satin: Laß ihn … 's ist ein guter Kerl … stör ihn nicht! Lacht laut. Ich bin heut so weichherzig … weiß der Teufel, wie das kommt!

Der Baron: Du bist immer weichherzig, wenn du angeheitert bist … und so verständig bist du dann …

Satin: Wenn ich angeheitert bin … gefällt mir alles. Hm - ja … Er betet? Sehr schön von ihm! Der Mensch kann glauben oder nicht glauben … das ist seine Sache! Der Mensch - ist frei! … Der Mensch - ist die Wahrheit! was heißt überhaupt »Mensch«? Das bist nicht du, und nicht ich bin's, und nicht sie sind es … nein! Sondern du, ich, sie, der alte Luka, Napoleon, Mohammed … alle miteinander sind es! Zeichnet in der Luft die Umrisse einer menschlichen Gestalt. Verstanden! Das ist - etwas ganz Großes! Das ist etwas, worin alle Anfänge stecken und alle Enden … Alles im Menschen, alles für den Menschen. Nur der Mensch allein existiert, alles übrige - ist das Werk seiner Hände und seines Gehirns! Der M-ensch! Einfach großartig! So erhaben klingt das! M-men-nsch! Man soll den Menschen respektieren! Nicht bemitleiden … nicht durch Mitleid erniedrigen soll man ihn … sondern respektieren! Trinken wir auf das Wohl des Menschen, Baron! Wie schön ist's doch - sich als Mensch zu fühlen! Ich … bin ein ehemaliger Sträfling, ein Totschläger, ein Falschspieler … na ja! Wenn ich auf die Straße gehe, gucken die Leute mich an, als wäre ich der ärgste Spitzbube … sie gehen mir aus dem Wege, sie starren hinter mir her …und öfters sagen sie zu mir: Halunke! Windbeutel! Warum arbeitest du nicht? … Arbeiten? Wozu? Um satt zu werden? Lacht laut auf. Ich habe die Menschen immer verachtet, die um das Sattwerden gar zu besorgt sind. Nicht darauf kommt's an, Baron! Nicht darauf! ^Der Mensch ist die Hauptsache! Der Mensch steht höher als der satte Magen! Erhebt sich von seinem Platz.

Der Baron  schüttelt den Kopf: Du denkst nach über die Dinge … Das ist vernünftig … das wärmt dir das Herz … Mir ist's nicht gegeben. Sieht sich vorsichtig um und fährt leise fort. Ich fürchte mich manchmal, Bruder … verstehst du! Ich verlier den Mut, denn ich sage mir: Was weiter?

Satin  geht auf und ab: Dummes Zeug! Vor wem soll der Mensch sich fürchten?

Der Baron: Soweit ich zurückdenken kann, siehst du … war's mir immer, als ob ein Nebel auf meinem Gehirn läge. ich wußte nie recht, was mit mir los war … fühlte mich immer, als ob ich mein Leben lang mich nur an- und ausgezogen hätte … warum? Keine Ahnung! Ich habe gelernt … habe die Uniform einer adeligen Erziehungsanstalt getragen … aber was ich gelernt habe? Keine Ahnung … Ich habe geheiratet - zog einen Frack an, dann einen Schlafrock … nahm mir ein Scheusal von Weib - warum? Keine Ahnung … Ich hab alles durchgebracht, was da war - und trug ein schäbiges graues Jackett und fuchsige Hosen … aber wie ich eigentlich auf den Hund gekommen bin? Nicht die blasseste Ahnung … Ich wurde beim Kameralhof angestellt … bekam eine Uniform, eine Mütze mit Kokarde … ich unterschlug amtliche Gelder … zog den Sträflingskittel an … dann - zog ich das hier an … Und alles … geschah wie im Traum … lächerlich, was?

Satin: Nicht sehr … Ich find's eher dumm …

Der Baron: Ja … auch mir scheint es dumm … Aber irgendeinen Zweck muß es doch haben, daß ich geboren wurde … wie?