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N a d j a: Richtig, auch in der russischen Sprache ist es so. Da gibt es z. В. ein Sprichwort: «Семеро одного не ждут» — «Sieben warten nicht auf Einen». Und noch eins: «Семь раз отмерь — один раз отрежь!» — das heißt: «Sieben Mal miß — einmal schneide!» Und was gibt es im Deutschen?

Н e r t a: Wer will gute Kuchen backen,

der muß haben sieben Sachen ...

N a d j a: Aсh, den alten Kinderreim habe ich auch einmal gelernt!

Н e r t a: Nadja, kennen Sie auch das Märchen vom taрferen Schneiderlein, das sieben Fliegen mit einem Sсhlag tötete?

N a d j a: Убил семерых одним ударом? Здорово!

Н e r t a: Здорово — Prima! Kenne ich schon. Und da sind noch die Märchen von den sieben Zwergen hinter den sieben Bergen und von den sieben Schläfern, die so lange schliefen, und von den Siebenmeilenstiefeln, mit denen man so schnell laufen kann.

N a d j a: Im Russischen gibt es das auch: идти семимильными шагами. Solche Stiefel zu haben, war der Traum der Menschheit, als es noch keine Autos und keine Flugzeuge gab. Der Ausdruck wird wohl jetzt nicht mehr gebraucht?

Н e r t a: O doch, aber meist im übertragenen Sinn 1. In den Zeitungen kann man manchmal etwa so einen Satz finden: «Mit Siebenmeilenstiefeln schreiten wir voran, dem Planziel entgegen ...»

N a d j a: Wie schön, daß Sie mir alles erklären! Ich bin im siebenten Himmel!

К u r t: Sie gebrauchen diese Redewendung schon zum zweiten Мal. Wissen Sie denn auch, woher sie stammt? — Nicht? — Das ist orientalische Mythologie. 2 In verschiedenen Religionen bestand der Glaube an sieben Himmel. Der siebente, der höchste, bedeutete die Vollendung, die Seligkeit. Das war natürlich ein primitiver Glaube, eine naive Phantasie. Aber die Redewendung ist uns geblieben.

Н e r t a: Das ist ja alles sehr interessant. Aber ich denke, wir wollen uns jetzt nicht länger aufhalten, sondern einen kleinen Spaziergang durchs Zentrum machen.

1 Im übertragenen Sinn — в переносном смысле

2 Das ist orientalische Mythotogie. — Это из восточной мифологии.

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SIND SIE IM BILDE 1?

N a d j a: Kennen Sie Moskau?

H e г t a: Ein wenig. Aus Zeitungen und Berichten von Freunden und Bekannten.

K u r t: Wir haben auch eine Karte von Moskau studiert, sind aber noch nicht ganz im Bilde.

N a d j a: Danke — für das «Bild». «Ich bin im Bilde» — Nummer 506! Nochmals vielen Dank!

H e r t a: Keine Ursache. Sie helfen uns, und wir werden uns bemühen, Ihnen zu helfen.

K u r t: Herta, du mußt sagen: Wir werden uns alle Mühe geben 2, wir werden alle Hebel in Bewegung setzen 3, um Ihnen behilflich zu sein 4.

N a d j a: Sie meinen das wohl ironisch, Herr Bruck?

K u r t: Keine Spur 5, Fräulein Nadja!

H e r t a: Genug, Kinder, los! Wir sehen uns zuerst einmal Ihre Hauptgeschäftsstraße an — die Gorkistraße. Aber wie gelangen wir dorthin?

N a d j a: Auf Schusters Rappen 6.

K u r t: Wa-a-as? Das ist ja allerhand! 7 Und wissen Sie auch, was der Ausdruck bedeutet?

N a d j a: Zu Fuß. Aber warum eigentlich? Ein Rappen ist ein schwarzes Pferd, und ein Schuster ist dasselbe wie ein Schuhmacher. Wie soll man das verstehen?

Н e r t a: Schwarze Schuhe nennt man die «Rappen des Schusters».

N a d j a: Ach so! Es ist also eine Metapher. Sehr interessant! Jetzt bin ich im Bilde.

DIE GORKISTRAßE AUF UND AB 8

Dieses Gespräch fand auf dem Swerdlowplatz statt. Herta und Kurt hatten ihre Kameras (Fotoapparate) mitgenommen. Sie fotografierten alles, was ihnen gefiel. Nadja gab die nötigen Erklärungen. Sie gingen die Gorkistraße hinauf.

1 im Bilde sein — быть в курсе дела, быть информированным

2 sich alle Mühe geben — прилагать все усилия

3 alle Hebel in Bewegung setzen — нажать на все кнопки

4 jemandem behilflich sein — помогать кому-либо

5 Keine Spur! — Ничего подобного!

6 auf Schusters Rappen — пешком, на своих двоих

7 Das ist ja allerhand! — Ну и ну! Вот это да!

8 auf und ab — вверх и вниз, туда и обратно

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N a d j a: Die drei Theater auf dem Swerdlowplatz haben Sie bereits gesehen. Hier bekommen Sie gleich ein viertes zu Gesicht 1: das Jermolowa-Theater. Herr Bruck, warum schauen Sie mich denn so sonderbar an? Habe ich einen Fehler gemacht?

K u r t: Das nicht, aber...

Н e r t a: Lieber Kurt, ich sehe, Nadjas Deutsch verschlägt dir die Sprache 2.

К u r t: Herta, ich fühle, wir werden mit dem Mädchen noch unser blaues Wunder erleben 3. Übrigens — ist das hier nicht das Gebäude des Moskauer Sowjets?

N a d j a: Richtig. Und hier sehen Sie das Juri-Dolgoruki-Denkmal, dahinter das Institut für Marxismus-Leninismus. So, und nun gehen wir weiter, zum Puschkinplatz. Bitte, richten Sie Ihre Blicke auf das Puschkindenkmal!

K u r t (lacht und weint gleichzeitig): Ja ... ich richte... meine Blicke...

N a d j a (zu Herta): Herr Bruck lacht Tränen 4. Warum? Habe ich etwas Dummes gesagt?

Н e r t a: Dummes? Nein, nein. Dumm ist das nicht, aber ...

N a d j a: Was denn? Warum lacht er denn so?

H e r t a: Übersetzen Sie genau «Richten Sie Ihre Blicke...»!

N a d j a: Устремите свои взоры...!

Н e r t a: Sagt man russisch so, im täglichen Leben?

N a d j a: Nein, Sie haben recht. Der Stil ist zu gehoben. Es klingt wahrscheinlich komisch.

Н e r t a: Sie müssen mehr moderne deutsche Prosa lesen, Nadja.

K u r t: Was ist denn dort für ein interessantes Gebäude?

N a d j a: Das ist das neue Großkino «Rossija». Gefällt Ihnen die Bauart?

Н e r t a: Ich finde sie sehr schön.

N a d j a: Nebenan in der Tchechowstraße befindet sich das Theater des Leninschen Komsomol, und hier, wenn wir weiter die Gorkistraße hinaufgehen, sehen Sie das Stanislawski-Schauspielhaus.

1 zu Gesicht bekommen — увидеть

2 das verschlägt mir die Sprache (die Rede) — я от этого теряю дар речи; у меня от этого отнимается язык

3 sein blaues Wunder erleben — насмотреться чудес, наслушаться небылиц