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Hier, unter dem Feuer der ganzen englischen Artillerie, das die unsrige nur noch schwach erwidern kann, verdichtet sich der Kampf. Drei Stunden lang ringt Ney, der die ganze Kraft seiner schönen Jahre wiedergefunden hat, blutig nach der Stellung, die er endlich erstürmt und mit feindlichen Leichnamen übersät findet. Drei schottische Regimenter schlafen dort Mann an Mann, in Reih und Glied gefallen, wie sie gekämpft haben, und die 2. belgische, die 5. und 6. englische Division haben dort ein Drittel ihrer Leute gelassen. Napoleon wirft auf die Flüchtigen Milhauds unermüdliche Kürassiere, die sie, den Säbel in ihren Rippen, bis mitten in die Reihen der feindlichen Armee verfolgen, wo sie Verwirrung anrichten. Von der Höhe, wo der Kaiser steht, sieht er den Train und die englischen Reserven vom Kampfplatze abziehen und sich nach der Straße von Brüssel drängen. Der Tag ist unser, wenn Grouchy kommt.

Beständig sind Napoleons Augen nach Saint Lambert gewendet, wo die Preußen endlich den Kampf begonnen haben, aber trotz ihrer Überzahl von den 2500 Reitern Domons und Subervics und von Lobaus 7000 Mann aufgehalten werden. Wie würden ihm letztere in dieser Stunde zustatten kommen, um seinen Angriff auf das Zentrum zu unterstützen, wohin er aufs neue seine Blicke richtet, indes er nichts hört und nichts sieht, was ihm die so ersehnte Ankunft Grouchys verkündet.

Jetzt schickt Napoleon dem Marschall den Befehl, sich um jeden Preis in seiner Stellung zu halten. Er muß einen Augenblick klar sein Schachbrett übersehen.

Auf der äußersten Linken hat Jérôme einen Teil des Gehölzes und das Schloß von Goumont gewonnen, wovon nichts mehr sichtbar ist, als die vier nackten Mauern, da alle Dächer von den Haubitzen zerstört sind, aber die Engländer halten sich dauernd in dem Hohlweg längs dem Obstgarten hin. Auf dieser Seite ist es also nur ein halber Sieg.

Vorn und gegen das Zentrum hin hat der Marschall la Haie-Sainte erstürmt und hält sich darin, trotz der Artillerie Wellingtons und seiner Reiterangriffe, die vor unserem fürchterlichen Musketenfeuer zurückprallen. Hier ist es ein vollständiger Sieg.

Rechts von der Chaussee kämpft der General Durutte um die Pachthöfe von la Papelotte und la Haie; und hier — kann man siegen.

Endlich auf der äußersten Rechten haben sich Bülows Preußen, nachdem sie sich in die Schlacht begeben, senkrecht zu unserer Rechten aufgestellt. 30 000 Mann und 60 Feuerschlünde rücken gegen die Divisionen der Generale Domon, Subervic und Lobau vor; hier also ist für den Augenblick die wahre Gefahr.

Die Gefahr wächst noch durch die anlangenden Berichte; Domons Streifpatrouillen sind zurückgekehrt, ohne Grouchy bemerkt zu haben. Bald erhält man eine Depesche des Marschalls selbst. Statt mit Tagesanbruch von Gembloux aufzubrechen, wie er in seinem gestrigen Briefe versprochen hatte, hat er es erst um 9 ½ Uhr getan. Jetzt ist es schon 4 ½ nachmittags, schon fünf Stunden dauert das Feuer der Kanonen; noch hofft Napoleon, daß er, dem ersten Kriegsgebote gehorsam, dem Kanonendonner nachziehen werde. Um 7 ½ Uhr kann er auf dem Schlachtfelde sein; bis dahin muß man die Anstrengungen verdoppeln und zumal den Fortschritt der 30 000 Mann Bülows aufhalten, die sich, wenn Grouchy endlich anrückt, in einem Kreuzfeuer befinden werden.

Napoleon befiehlt dem General Duhesme, der die beiden Divisionen der jungen Garde kommandiert, auf Planchenoit zu gehen, wohin Lobau, von den Preußen gedrängt, einen regelmäßigen Rückzug ausführt. Duhesme nimmt 8000 Mann und 24 Kanonen, die in starkem Galopp ankommen, sich in Batterie stellen und in dem Augenblick ihr Feuer beginnen, wo die preußische Artillerie mit ihren Kartätschen die Brüsseler Straße bearbeitet. Diese Verstärkung hemmt den Fortschritt der Preußen und scheint sie einen Augenblick sogar zum Weichen zu bringen. Napoleon benutzt diesen Wechsel. Ney erhält Befehl, im Sturmschritt gegen das Zentrum der englisch-holländischen Armee zu marschieren und sie zu durchbrechen. Er zieht Milhauds Kürassiere an sich, die vorn angreifen, um ein Loch zu bohren. Der Marschall folgt ihnen, und bald steht er mit seinen Truppen auf der Plattform. Da entflammt sich die ganze englische Linie und speit ihm Tod ins Gesicht, zugleich wirft Wellington alles, was ihm von Reiterei übrig ist, gegen Ney, während sein Fußvolk sich in Vierecke zusammenschließt. Napoleon fühlt die Notwendigkeit, den Angriff zu unterstützen, und schickt dem Grafen Valmy den Befehl, mit seinen zwei Kürassierdivisionen auf die Plattform zu rücken, um den Divisionen Milhaud und Lefèvre-Desnouettes beizuspringen. Im gleichen Augenblick läßt Marschall Ney die schwere Kavallerie des Generals Guyot vorrücken. Zu ihr stoßen die Divisionen Milhaud und Lefèvre-Desnouettes und stürzen sich in den Kampf, 3000 Kürassiere und 3000 Gardedragoner, das heißt die ersten Soldaten der Welt, sprengen, so stark ihre Pferde laufen können, heran und stoßen sich an den englischen Vierecken, die sich öffnen, ihre Kartätschen speien lassen und sich wieder schließen. Aber nichts hält den fürchterlichen Sturm unserer Soldaten auf. Die englische Kavallerie zieht sich, zurückgeworfen, den langen Säbel unserer Kürassiere und Dragoner in den Rippen, inzwischen zurück und schließt sich hinten unter dem Schutze ihrer Artillerie wieder. Urplötzlich stürmen Kürassiere und Dragoner auf die Vierecke, von denen sich einige endlich auflösen; aber sterben, ohne einen Schritt zu weichen. Jetzt beginnt ein gräßliches Schlachten, von Zeit zu Zeit durch verzweifelte Reiterangriffe unterbrochen, gegen die unsere Soldaten sich wenden müssen, und während deren die englischen Vierecke wieder Atem schöpfen und sich neu bilden, um abermals zerrissen zu werden. Wellington, von Viereck zu Viereck verfolgt, vergießt Tränen der Wut, wie er so 12 000 Mann seiner besten Truppen unter seinen Augen niedermetzeln lassen muß; aber er weiß, daß sie keinen Schuh breit weichen werden. Er berechnet die Zeit, die noch verfließen muß, bevor die Zerstörung vollendet ist, zieht seine Uhr und sagt zu seiner Umgebung:»Noch zwei Stunden reicht es aus, und bevor eine verrinnt, ist die Nacht gekommen oder Blücher. «So geht es 5/4 Stunden fort.

Jetzt sieht Napoleon von der Höhe, von der er das ganze Schlachtfeld beherrscht, eine dichte Masse auf dem Wege von Wavre vorrücken… Endlich langt Grouchy, den er so lange erwartet an, spät zwar, aber noch zeitig genug, um den Sieg zu vervollständigen! Beim Anblick dieser Verstärkung schickt er Adjutanten, um nach allen Richtungen zu melden, daß Grouchy erscheint und in die Linie einrückt. In der Tat entwickeln sich Massen auf Massen und stellen sich in Schlachtordnung. Unsere Soldaten verdoppeln den Eifer, denn sie glauben nur noch einen letzten Schlag tun zu dürfen. Da donnert plötzlich eine furchtbare Artillerie den Neuangekommenen voraus, und die Kugeln, statt gegen die Preußen gerichtet zu werden, reihen ganze Glieder der Unsrigen nieder. Alle starren einander an: der Kaiser schlägt sich vor die Stirn: es ist nicht Grouchy, es ist Blücher!

Napoleon übersieht auf den ersten Blick seine Lage. Sie ist schrecklich, 60 000 Mann frischer Truppen, auf die er nicht rechnete, sind nacheinander über seine durch achtstündigen Kampf zermalmten Truppen hergefallen. Im Zentrum ist er immer noch im Vorteil, aber er hat keinen rechten Flügel mehr. Die Fortsetzung der Blutarbeit, um den Feind entzweizuschneiden, wäre nunmehr unnütz und sogar gefährlich. Da ersinnt und befiehlt der Kaiser eines der schönsten Manöver, die er je in seinen kühnsten strategischen Kombinationen erdacht hat: es ist ein großer schräger Frontwechsel auf dem Zentrum, mittels dessen er beiden Armeen die Stirn bieten kann. Zudem verfließt die Zeit, und die Nacht, die für die Engländer kommen sollte, sie wird auch für ihn kommen.

Sofort gibt er seinem linken Flügel Befehl, das Gehölz von Goumont und die wenigen Engländer, die noch unter dem Schutze der mit Schießscharten versehenen Mauern des Schlosses standhalten, hinter sich zu lassen und das erste und zweite Korps, die schwer gelitten, zu ersetzen, während er zugleich Kellermanns und Milhauds Reiter, die auf der Plattform des Mont St. Jean zu hart bedrängt werden, befreien soll. Er befiehlt Lobau und Duhesme, den Rückzug fortzusetzen und sich in Reih und Glied oberhalb Planchenoit aufzustellen, dem General Pelet, in diesem Dorfe zum Schutze der Bewegung tapfer auszuharren. Das Zentrum soll und kann für sich selber stehen. Zugleich erhält ein Adjutant Befehl, die Linie zu durchreiten und die Ankunft des Marschalls Grouchy zu melden.