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Bei dieser Nachricht belebt sich die Begeisterung aufs neue: alles auf der unermeßlichen Linie dringt vor; Ney, fünfmal seines Pferdes beraubt, nimmt den Degen in die Hand. Napoleon stellt sich an die Spitze der Reserve und stürmt in eigener Person auf der Chaussee heran. Noch immer weicht der Feind auf sein Zentrum zurück, seine erste Linie ist durchbrochen; die Garde reitet über sie hinweg und nimmt eine Batterie. Aber hier stößt sie auf eine zweite Linie, die aus einer fürchterlichen Masse gebildet ist, es sind die Trümmer der von der französischen Kavallerie zwei Stunden zuvor über den Haufen geworfenen Regimenter, die sich neu gebildet haben; es sind die englischen Gardebrigaden, das belgische Regiment von Chassé und die Division Braunschweig. Ganz gleichgültig! Die Kolonne entfaltet sich wie zu einem Manöver, aber plötzlich schleudern 10 in Batterie gestellte Feldstücke auf Pistolenschußweite Tod und Verderben und reißen ihr den ganzen Kopf weg, während 20 andere Feuerschlünde sie von der Flanke packen und sich in die um Belle-Alliance aufgehäuften Waffen einbohren, die ihre Bewegung bloßgestellt hat. Der General Friant wird verwundet; der General Michel, der General Jamin und der General Mallet werden getötet. Die Majore Augelet, Cardinal und Agnès stürzen tot nieder, General Guyot, der zum achtenmal seine schwere Kavallerie zum Angriff führt, erhält zwei Schüsse. Neys Kleider und Hut werden von Kugeln durchlöchert. Ein momentanes Schwanken wird auf der ganzen Linie fühlbar. — In diesem Augenblick ist Blücher in dem Flecken La Haie angekommen und hat die beiden Regimenter, die es verteidigen, daraus vertrieben. Diese beiden Regimenter, die sich eine halbe Stunde gegen 10 000 gehalten, treten den Rückzug an, aber Blücher zieht 6000 Mann englischer Kavallerie, die Wellingtons linken Flügel geschützt haben, zu sich, da sie dort der Preußen wegen überflüssig geworden sind. Diese 9000 Mann, die, mit den Verfolgten untermengt anlangen, machen einen ungeheuern Riß mitten ins Herz der Armee. Da wirft sich Cambronne mit dem zweiten Bataillon des ersten Jägerregiments zwischen die englische Kavallerie und die Fliehenden, schließt sich zum Viereck und deckt den Rückzug der übrigen Gardebataillone. Sein Bataillon zieht den ganzen Stoß auf sich; es ist umringt, bedrängt, von allen Seiten angegriffen. Das ist der Moment, wo Cambronne, auf die Aufforderung, sich zu ergeben antwortet, zwar nicht die blumige Phrase, die man ihm angedichtet hat, sondern ein einziges Wort, freilich ein Wachthauswort, dem jedoch der rohe Nachdruck nichts von seiner Erhabenheit nimmt, und fast sogleich von einem Haubitzenstück, das ihn in den Kopf trifft, zerschmettert vom Pferde sinkt.

Zugleich läßt Wellington das ganze Ende seines rechten Flügels vorrücken, worüber er jetzt verfügen kann, weil er infolge unserer Bewegung nicht mehr in Schach gehalten ist, und seinerseits nun die Offensive ergreifend, schleudert er ihn wie einen Waldstrom von den Höhen der Plattform herab. Diese Kavallerie umreitet die Vierecke der Garde, die sie nicht anzugreifen wagt, wendet sich rechts und kehrt zurück, um unser Zentrum unterhalb la Haie-Sainte zu durchbohren. Jetzt erfährt man, daß Bülow unsere äußerste Rechte umgeht, daß der General Duhesme gefährlich verwundet ist, endlich, daß Grouchy, auf den man zählte, nicht kommt. Flinten- und Kanonenfeuer schlägt aus einer Entfernung von nicht mehr als 500 Ellen (1000 Meter) in unsern Rücken, Bülow hat uns überflutet. Der Schrei »Rette sich, wer kann!« ertönt, die Auflösung beginnt. Die noch standhaltenden Bataillone werden von den Flüchtigen auseinander gerissen. Napoleon sprengte, als er eben umzingelt werden sollte, mit Ney, Soult, Bertrand, Drouot, Corbineau, Flahaut, Gourgaud und Labédoyère, die ohne Soldaten sind, in Cambronnes Karree. Die Kavallerie macht Angriff auf Angriff; die englische Artillerie säubert, von der Zinne ihrer Höhen herab, die ganze Ebene; die unsrige, die keine Arme mehr zur Bedienung hat, bleibt stumm. Der Kampf hört auf, die Metzelei beginnt.

In diesem Augenblick lichten sich die Wolken; Blücher und Wellington, die sich auf dem Pachthof von Belle-Alliance die Kunde gereicht haben, benutzen diesen Beistand des Himmels, um ihre Kavallerie zur Verfolgung unserer Truppen zu spornen. Die Sprungfedern, die diesen Riesenkörper bewegten, sind zerbrochen, die Armee ist zerstreut; nur einige Bataillone der Garde halten stand und sterben.

Umsonst bemüht sich Napoleon, der Verwirrung Einhalt zu tun. Er wirft sich mitten in die gelösten Glieder, findet ein Regiment der Garde und Batterien in Reserve hinter Planchenoit und versucht, die Flüchtigen zu sammeln. Unglücklicherweise hindert die Nacht, ihn zu sehen, und der Lärm, ihn zu hören. Da steigt er vom Pferd, wirft sich, den Degen in der Hand, mitten in ein Karree: Jérôme folgt ihm mit den Worten:»Du hast recht, Bruder, hier muß fallen, was den Namen Bonaparte trägt. «Aber er wird von seinen Generalen und den Offizieren des Generalstabs weggeführt und von seinen Grenadieren zurückgewiesen, die wohl selbst sterben wollen, nicht aber; daß ihr Kaiser mit ihnen sterbe. Man hebt ihn wieder aufs Pferd, ein Offizier faßt den Zügel und reißt ihn im Galopp fort. So jagt er mitten durch die Preußen, die ihn fast eine halbe Meile überholt haben. Kein Geschoß, keine Kugel will ihn treffen. Endlich langt er in Jemappes an, hält dort eine Weile, erneuert seine Sammlungsversuche, die jedoch von der Nacht, der Verwirrung, der allgemeinen Auflösung und mehr noch durch die wilde Verfolgung der Engländer vereitelt werden. Da muß er sich sagen, wie nach Moskau, daß alles zum zweitenmal vorbei ist, und daß er nur von Paris aus die Armee wieder sammeln und Frankreich retten kann. So setzt er seinen Weg fort, hält in Philippeville an und gelangt am 20. nach Laon.

Der Schreiber dieser Zeilen hat Napoleon nur zweimal in seinem Leben, und zwar im Verlauf einer Woche während der kurzen Zeit des Pferdewechselns gesehen, das erstemal, als er nach Ligny ging, das zweitemal, als er von Waterloo zurückkam; das erstemal bei den Strahlen der Sonne, das zweitemal beim Scheine einer Lampe, das erstemal mitten unter dem freudigen Zuruf der Menge, das zweitemal inmitten der Totenstille der Bevölkerung.

Jedesmal saß Napoleon in demselben Wagen, an demselben Platze, mit demselben Kleide angetan; jedesmal war es derselbe unbestimmte und verlorene Blick; jedesmal dasselbe Haupt, ruhig und leidenschaftslos; nur hatte er bei der Rückkunft die Stirn ein wenig mehr gegen die Brust geneigt als bei der Hinfahrt.

War es Mißmut darüber, daß er nicht schlafen konnte, oder war es der Schmerz, die Welt verloren zu haben?

Am 21. Juni ist Napoleon in Paris zurück. Am 22. erklären sich die Pairs- und die Deputiertenkammer für permanent und jeden als Landesverräter, der sie vertagen oder auflösen wollte. — An demselben Tage dankt Napoleon zugunsten seines Sohnes ab.

Am 6. Juli zieht Ludwig XVIII. wieder in Paris ein. Am 14. geht Napoleon, nachdem er das Anerbieten des Kapitäns Baudin, der ihn nach den Vereinigten Staaten führen will, ausgeschlagen hat, an Bord des Bellerophon, Kapitän Maitland, und schreibt an den Prinzregenten von England:

«Königliche Hoheit!

«Den Parteien, die mein Land teilen, und der Feindschaft der Großmächte Europas preisgegeben, habe ich meine politische Laufbahn vollendet. Nun komme ich, wie Themistokles, mich am Herde des britischen Volkes niederzulassen. Ich stelle mich unter den Schutz seiner Gesetze, den ich von Eurer Königlichen Hoheit beanspruche, als dem mächtigsten, dem beständigsten und edelmütigsten meiner Feinde.