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Napoleon.«

Am 16. Juli segelte der Bellerophon nach England ab. Am 24. ging er zu Torbay vor Anker, wo Napoleon erfuhr, daß General Gourgaud, der Überbringer seines Briefes, sich nicht hatte mit dem Lande in Verbindung setzen können und genötigt worden war, seine Depeschen aus den Händen zu geben.

Am 26., abends, lief der Bellerophon auf der Reede von Plymouth ein. Da verbreitete sich zuerst das Gerücht von der Deportation nach St. Helena. Napoleon wollte nicht daran glauben. Aber am 30. Juli zeigte ihm ein Kommissar den seine Deportation nach St. Helena verfügenden Beschluß. Entrüstet griff Napoleon zur Feder und schrieb:

«Ich protestiere hiermit feierlich im Angesichte des Himmels und der Menschen gegen die mir angetane Gewalt, gegen die Verletzung meiner heiligsten Rechte, da man mit Gewalt über meine Person und meine Freiheit verfügt. Ich bin freiwillig an Bord des Bellerophon gekommen, ich bin kein Gefangener, ich bin der Gast Englands. Ich bin sogar auf Veranlassung des Kapitäns dorthin gekommen, der behauptete, von der Regierung Befehle zu meiner Aufnahme zu haben und mich mit meinem Gefolge nach England geleiten zu wollen, wenn mir dies genehm wäre. Ich bin in gutem Glauben gekommen, um mich unter den Schutz der Gesetze Englands zu stellen. Sobald ich an Bord des Bellerophon saß, war ich am Herde des britischen Volkes. Wenn die Regierung, indem sie dem Kapitän des Bellerophon den Befehl gab, mich sowie mein Gefolge aufzunehmen, mir nur eine Schlinge hat legen Willen, so hat sie an ihrer Ehre gefrevelt und ihre Flagge geschändet.

«Sollte diese Handlung tatsächlich ausgeführt werden, so würden die Engländer hinfort vergeblich von ihrer Loyalität, von ihren Gesetzen und von ihrer Freiheit sprechen; die britische Treue würde in der Gastfreundschaft des Bellerophon ihr Grab gefunden haben.

«Ich rufe die Geschichte an. Sie wird sagen, daß ein Feind, der lange Zeit dem englischen Volke in offenem Kampfe gegenüberstand, freiwillig gekommen ist, in seinem Unglück ein Asyl unter seinen Gesetzen zu suchen. Welchen größeren Beweis seiner Achtung und seines Vertrauens konnte er ihm geben? Aber wie hat man in England eine solche Großherzigkeit erwidert? Man tat, als wollte man diesem Feinde eine gastfreundliche Hand reichen, und sobald er sich in gutem Glauben überliefert hatte, opferte man ihn

Napoleon.

«An Bord des Bellerophon, auf dem Meere. «Dieser Verwahrung ungeachtet, mußte Napoleon am 7. August, den Bellerophon verlassen, um an Bord des Northumberland zu steigen. Der ministerielle Befehl besagte, es solle Napoleon der Degen abgenommen werden. Der Admiral Keith schämte sich eines solchen Befehls und wollte ihn nicht vollziehen. — Montag den 7. August 1815 lichtete der Northumberland die Anker zur Fahrt nach St. Helena. — Am 16. Oktober, siebzig Tage nach seiner Abreise von England und hundert Tage, nachdem er Frankreich verlassen hatte, betrat Napoleon den Felsen, den er hinfort nicht wieder verlassen sollte.

England aber nahm die Schmach seines Verrats in ihrer ganzen Fülle auf sich, und vom 16. Oktober 1815 an hatten die Könige ihren Christus und die Völker ihren Judas.

Napoleon auf St. Helena

Der Kaiser übernachtete denselben Abend in einer Art Herberge, wo er sich sehr unwohl fühlte. Am folgenden Tag, morgens 6 Uhr, begab er sich zu Pferd mit dem Großmarschall Bertrand und dem Admiral Keith nach Longwood, zu dem Hause, das der letzere, als das angemessenste auf der Insel, zu seinem Wohnsitz bestimmt hatte. Nach seiner Zurückkunft verblieb der Kaiser in einem kleinen, zu einem Landhause gehörigen Pavillon, der einem Großhändler der Insel, namens Balcombe, gehörte. Das war seine vorläufige Wohnung, und hier sollte er so lange bleiben, bis Longwood instand gesetzt wäre, ihn aufzunehmen. Er hatte sich am Abend zuvor so übel befunden, daß er, obschon dieser kleine Pavillon fast gar nicht möbliert war, nicht in die Stadt zurückkehren wollte.

Als Napoleon sich abends niederlegen wollte, zeigte sich's, daß ein Fenster in seinem Schlafzimmer keine Scheiben, keine Läden und keine Vorhänge hatte. Herr von Las Cases und sein Sohn verhängten es, so gut sie konnten, und fanden ein Dachzimmer, wo sie sich jeder auf eine Matratze, niederlegten; die Kammerdiener warfen sich, in ihre Mäntel gehüllt, quer vor die Tür auf den Boden. Am folgenden Morgen frühstückte Napoleon ohne Tafeltuch, ohne Serviette, den Rest des Mittagessens vom vorigen Tage.

Das war nur das Vorspiel des Elends und der Entbehrungen, die seiner in Longwood warteten.

Doch verbesserte sich nach und nach diese Lage. Man ließ vom Northumberland Weißzeug und Silbergeräte kommen, und der Oberst des 53. Regiments hatte ein Zelt anbieten lassen, das man so aufschlug, daß es als Verlängerung des kaiserlichen Zimmers dienen konnte. Von da an dachte Napoleon, mit seiner gewöhnlichen Regelmäßigkeit, daran, Ordnung in seine Tageszeit zu bringen.

Um 10. Uhr ließ er Herrn von Las Cases rufen, um mit ihm zu frühstücken. Sodann fand eine halbstündige Unterhaltung statt, und hierauf las Herr von Las Cafes, was ihm den Tag vorher diktiert worden war, wieder vor. War diese Lektüre zu Ende, so fuhr Napoleon bis 4 Uhr fort zu diktieren. Um 4 Uhr kleidete er sich an und ging aus, damit man sein Zimmer in Ordnung bringen könnte. Gewöhnlich ging er dann in den Garten hinunter, der ihm sehr ans Herz gewachsen war und an dessen Ende ihm eine zeltartige, mit Leinwand bedeckte Laube wie ein Zelt Schutz gegen die Sonne bot. Regelmäßig setzte er sich unter dieses Dach, wohin man einen Tisch und Sessel gebracht hatte, und diktierte hier dem seiner Begleiter, der zum Zwecke dieser Arbeit von der Stadt kam, bis zur Stunde des Mittagessens, die auf 7 Uhr festgesetzt war. Den Rest des Abends las man entweder in Racine oder Molière, da von Corneille nichts vorhanden war; Napoleon nannte dies die Komödie oder die Tragödie besuchen. Endlich legte er sich, so spät er nur konnte, nieder, da er, wenn er früh zu Bett ging, mitten in der Nacht aufwachte und nicht mehr schlafen konnte.

In der Tat, welcher von Dantes Verdammten hätte seine Strafe gegen die schlaflosen Nächte Napoleons vertauschen wollen?

Nach Verlauf von einigen Tagen fühlte er sich müde und krank. Man hatte drei Pferde zu seiner Verfügung gestellt, und er verabredete, in der Hoffnung, daß ihm ein Spazierritt gut tun würde, mit den Generalen Gourgaud und Montholon auf den folgenden Tag einen Ausflug zu Pferd. Selbentags erfuhr er aber, daß ein englischer Offizier Befehl hatte, ihn nicht aus dem Auge zu verlieren. Sogleich schickte er die Pferde zurück, mit der Bemerkung, alles, was man im Leben tue, beruhe auf Erwägung. Sei das Übel, seinen Kerkermeister zu sehen, größer als der Gewinn aus der körperlichen Bewegung, so sei es offenbar vorteilhafter, zu Hause zu bleiben.

Anstatt dessen suchte der Kaiser hinfort Zerstreuung in nächtlichen Spaziergängen, die manchmal bis morgens zwei Uhr dauerten.

Endlich, am Sonntag den 10. Dezember, ließ der Admiral Napoleon benachrichtigen, daß sein Haus zu Longwood bereit sei, und noch am gleichen Tage begab sich Napoleon zu Pferd dahin. Der Gegenstand, der ihn in seiner neuen Einrichtung am meisten erfreute, war eine hölzerne Badewanne, die der Admiral durch einen Tischler in der Stadt hatte verfertigen lassen, und zwar nur nach seiner Zeichnung, denn eine Badewanne war zu Longwood ein unbekanntes Gerät. Noch an demselben Tage machte Napoleon Gebrauch davon. Am folgenden Tag wurde der Dienst beim Kaiser eingerichtet. Er gliederte sich in Kammer-, Livree- und Küchendienst und wurde von elf Personen versehen.

Die Hofhaltung wurde ähnlich wie auf der Insel Elba eingerichtet. Der Großmarschall Bertrand behielt die Oberhofmeisterstelle und die allgemeine Oberaufsicht, Herr von Montholon hatte die Besorgung der häuslichen Geschäfte, dem General Gourgaud lag die Sorge für den Stall ob, und Herr von Las Cases überwachte die innere Verwaltung. Der Tag wurde ungefähr ebenso eingeteilt, wie bisher. Um 10 Uhr frühstückte der Kaiser an einem Gueridon, während der Großmarschall und seine Amtsgenossen an einer Freitafel speisten, zu der sie besondere Einladung machen konnten. Da es keine bestimmte Stunde zum Spaziergang gab, weil die Hitze den Tag über sehr drückend war und es am Abend bald sehr feucht wurde, auch die Reit- und Wagenpferde, die immer vom Kap kommen sollten, nie anlangten, so arbeitete der Kaiser einen Teil des Tages bald mit Herrn von Las Cases, bald mit den Generalen Gourgaud oder Montholon. Von 8 bis 9 Uhr speiste man schnell zu Mittag, weil der Speisesaal einen für den Kaiser unerträglichen Geruch nach Farbe hatte; sodann ging man in das Gesellschaftszimmer, wo der Nachtisch bereitet stand. Hier laß man Racine, Molière oder Voltaire, wobei man Corneille immer mehr vermißte. Um 10 Uhr endlich setzte man sich zum Reversi, dem Lieblingskartenspiel des Kaisers, bei dem man in der Regel bis 1 Uhr morgens sitzenblieb.