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Der Salon hatte sich verändert. War er mir beim ersten Mal schon alt und heruntergekommen erschienen, so bot er sich unseren Blicken jetzt als Ruine dar - die Möbel waren zusammengebrochen, ihre Stoffbezüge verfault und vermodert, und von den Gardinen und Teppichen waren nur noch graue, unansehnliche Fetzen geblieben. Die Holzvertäfelung war überall herabgebrochen, so daß man die feuchte, von Schwamm und Moder zerfressenen Wände dahinter sehen konnte. Ein nahezu unerträglicher Fäulnisgestank lag in der Luft. In den Ritzen des aufgequollenen, überall eingesackten Fußbodens schwappte brackiges Wasser.

»Mein Gott!« entfuhr es mir. »Was ist das?«

Looskamp senkte sein Schwert, das er kampfbereit erhoben hatte, als wir den Salon stürmten, drehte sich sichernd noch einmal um seine Achse und verzog das Gesicht zu einer Grimasse.

»Das Labyrinth«, sagte er. »So, wie es wirklich aussieht. Was du gesehen hast, war nichts als Schein. Täuschung und Illusion sind Satans mächtigste Waffen, Robert.«

»Satan?«

»Satan, der Teufel, Beelzebub - nenn ihn, wie du willst«, grollte Looskamp. »Alles nur verschiedene Namen für das gleiche Ding.«

Ich verzichtete auf eine Antwort. Jetzt war nicht der Moment, mich auf eine theologische Diskussion einzulassen.

Nach und nach kamen auch die anderen Templer zu uns in den Salon. Sie hatten das Haus untersucht, waren aber nirgends auf Widerstand oder auch nur ein Zeichen von Leben gestoßen.

Ger hörte sich ihre Berichte der Reihe nach an, reagierte aber mit keiner Miene darauf, sondern wartete stumm, bis auch der letzte zu uns gestoßen war. Dann deutete er auf die Tür am anderen Ende des Salons.

»Dort entlang.«

»Das ist nicht der Weg, den ich gegangen bin«, sagte ich.

Looskamp verzog ungeduldig die Lippen, während zwei seiner Männer sich bereits in Bewegung setzten, die Tür kurzerhand aufbrachen und geduckt in den angrenzenden Raum verschwanden. »Ich sagte dir doch, daß wir nicht den Weg nehmen, den du kennst«, sagte er. »Keine Sorge - wir finden schon, wonach wir suchen.«

»Und was ist das?« fragte ich.

Looskamp lächelte. »Sein Herz«, sagte er. »Das Ding, das dieses Labyrinth geschaffen hat und beherrscht.« Dann wandte er sich um und ging. Aber ich hatte das sichere Gefühl, daß seine Antwort nicht die volle Wahrheit war. Er belog mich nicht - das hätte ich unweigerlich gespürt -, aber er verschwieg mir etwas.

Und ich würde herausfinden, was. Irgend etwas sagte mir, daß es wichtig für mich sein konnte, es in Erfahrung zu bringen.

Lebenswichtig.

Sie kamen näher. Mißtrauisch beobachtete und belauerte es jede ihrer Bewegungen, hielt sich aber noch weiter im Hintergrund und schickte nur dann und wann einige seiner Kreaturen aus, damit ihr Vormarsch nicht zu leicht wurde und so ihr Mißtrauen erwachte.

Es wäre ihm ein leichtes gewesen, sie zu vernichten, jetzt, da sie in seinem Einflußbereich waren, dort, wo seine Macht am größten war.

Aber es wartete. Es wartete und lauerte und spann geduldig sein Netz. Die Falle, in die die Sterblichen mit offenen Augen hineinliefen.

Manche der Räume und Gänge, durch die wir kamen, erkannte ich wieder. Andere waren mir fremd, und bei einigen glaubte ich eine vage Ähnlichkeit zu erkennen, war mir aber nicht sicher, denn alles war alt und verfallen und von grauem und grünem Schimmel und von wuchernden Pilzkolonien überzogen.

Mehr als einmal brach der Boden unter den Schritten der Männer ein, zerbarst Stein oder zerfiel Holz zu krumigem Staub, um jäh aufklaffenden Abgründen Platz zu machen, und es glich mehr und mehr einem Wunder, daß niemand dabei zu Schaden kam.

Ich wußte nicht, wie lange ich schon hinter Looskamp und den drei Männern, die die Spitze unseres kleinen Stoßtrupps bildeten, durch die finsteren, von dräuendem grauem Licht erfüllten Gänge und Treppenfluchten des Labyrinths ging. Meine Uhr war stehengeblieben, im gleichen Augenblick, in dem wir das Labyrinth betreten hatten, als hätte die Zeit hier drinnen ihre Bedeutung verloren.

Der Weg schien meistenteils nach unten zu führen; Treppen, schräge Rampen oder Gänge, deren Böden sich in absurden Winkeln vor uns abwärts neigten, aber nicht einmal dessen war ich mir sicher. Ich hatte die bizarre Geometrie der GROSSEN ALTEN zur Genüge kennengelernt, um zu wissen, wie schnell sie die Sinne eines Menschen narren und in die Irre führen konnte.

Ein paarmal waren wir angegriffen worden - meistens von dürren, im Grunde bedauernswerten Kreaturen, die scheinbar aus dem Nichts auftauchten und unter den Klingen der Tempelritter ein rasches Ende fanden -, aber nicht einer der Männer war verwundet oder gar getötet worden.

Aber die scheinbare Leichtigkeit unseres Vormarsches beunruhigte mich eher, und auch der Ausdruck auf Gers Zügen wurde von Minute zu Minute ernster. Die Angriffe waren nicht wirklich ernst gemeint gewesen; es waren nicht mehr als Nadelstiche, die uns eher in Sicherheit wiegen als wirklich schaden sollten.

Das Gefühl, in eine Falle zu laufen, wurde von Augenblick zu Augenblick stärker in mir.

Irgendwann - draußen über dem Labyrinth mußte längst die Sonne untergegangen sein - erreichten wir eine niedrige, von Spinnweben und grauen Staubvorhängen beherrschte Gruft. Ihre Decke war gewölbt und aus massigen, tonnenschweren Steinquadern zusammengesetzt, und auf dem Boden standen rechteckige, geborstene Kästen aus porös gewordenem Stein.

Ich blieb stehen, sah mich stirnrunzelnd um und wandte mich an Ger, der ebenfalls mitten im Schritt verharrt war.

»Ich kenne diese Gruft«, murmelte ich. »Ich ... war schon einmal hier.« Ich deutete auf die niedrige Tür, die am Ende einer kurzen Steintreppe auf der anderen Seite aus dem Gewölbe hinausführte. »Dahinter liegt die Kirche.«

Ger nickte. Seine Zunge fuhr nervös über die aufgeplatzten, rissig gewordenen Lippen, während sein Blick unstet hierhin und dorthin tastete, als hätte er Angst, die Schatten könnten plötzlich lebendig werden und sich auf uns stürzen.

»Ich ... weiß«, sagte er stockend. Das niedrige Gewölbe warf seine Worte vielfach gebrochen und verzerrt zurück und verlieh ihnen einen unheimlichen Klang.

»Wir ... nähern uns dem ursprünglichen Labyrinth.« Die Spitze seiner Waffe deutete nach oben, zur Decke. »Wir sind schon unter der Erde, Robert. Tief unter der Erde.«

Seine Worte berührten mich unangenehm. Plötzlich hatte ich das Gefühl, das Gewicht der Erd- und Steinmassen, das auf dem steinernen Gewölbe lastete, wie einen unerträglichen Druck zu spüren, einen Druck, der mir langsam die Brust zusammendrückte und mich am Atmen hindern wollte.

Irgend etwas war hier. Ich war auf irgend etwas - oder jemanden - getroffen, hier oder in der Nähe dieses Gewölbes, als ich das erste Mal hiergewesen war, aber ich vermochte mich nicht zu erinnern, was es gewesen war. Es war zu viel geschehen, nachdem ich in dieses Labyrinth eingedrungen war.

Wir gingen weiter. Die Tür am anderen Ende war diesmal nicht verschlossen, und nachdem Looskamp zwei Männer vorausgeschickt hatte und sie zurückgekommen waren und gemeldet hatten, daß alles in Ordnung sei, traten auch wir hindurch.

Vor uns erstreckte sich das Schiff einer uralten, sehr großen Kirche; das gleiche Gotteshaus, durch das ich meine verzweifelte Flucht vor Croff und seinen beiden Begleitern fortgesetzt hatte.

Aber wie hatte es sich verändert!

Beim ersten Mal hatte es nur leicht angestaubt gewirkt, eine Kirche, die vielleicht ein wenig vernachlässigt, aber durchaus noch lebendig war.

Jetzt war es eine Ruine. Die Fenster waren zerschlagen, schwarze leere Augenhöhlen, hinter denen wesenlose Finsternis wallte. Ein Teil des Daches war herabgestürzt und hatte mit seinen Trümmern die Bankreihen zermalmt. Das große Holzkreuz, das an der Wand über dem Altar gehangen hatte, lag zerbrochen auf dem Boden; darunter das Skelett eines Menschen, den es erschlagen hatte. Vermutlich den Priester.