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Mit einem Schrei fiel ich auf die Knie und begann zu graben, schaufelte und hieb den Schlamm des Flußgrundes zur Seite.

Laß es, Robert.

Eine endlose, quälende Sekunde lang blieb ich wie versteinert sitzen, gelähmt von der Stimme und den Worten. Sie waren direkt in meinen Gedanken erklungen, lautlos und wispernd wie ein Ruf aus dem Jenseits, aber das war es nicht, was mich erstarren ließ.

Es war die Tatsache, daß ich diese Stimme kannte.

Laß es, Robert, sagte sie noch einmal. Du kannst ihn nicht retten.

Langsam, mit einer erzwungen ruhigen, fast verkrampften Bewegung, wandte ich mich um und sah zum Ufer zurück.

Wenige Schritte über mir stand ein Mann. Sein Körper wirkte sonderbar düster und bedrohlich gegen den grellen Hintergrund der Sonne, zugleich aber auch beinahe transparent und flackernd, als wäre er nur ein Schatten. So, wie er stand, konnte ich sein Gesicht nicht erkennen, aber das war auch nicht nötig.

Ich wußte, daß seine Züge den meinen stark ähnelten; daß er das gleiche, scharf geschnittene Gesicht hatte wie ich, den gleichen penibel gestutzten Kinnbart und die gleichen dunklen, manchmal stechend wirkenden Augen.

Wenn ich mir die Farbe aus dem Haar wusch, mit der ich mich eigens für diese Reise getarnt hatte, würde ich sogar die gleiche, gezackte, weiße Haarsträhne über der rechten Braue haben, denn abgesehen von dreißig Jahren Altersunterschied ähnelte ich dem Mann wie ein Zwilling dem anderen.

Oder wie ein Sohn seinem Vater.

Denn der Mann, der vor mir stand, war mein Vater.

Roderick Andara. Mein Vater, den ich erst vor zwei Jahren kennengelernt hatte.

Und der kurz darauf in meinen Armen gestorben war.

»Er hat versagt!«

DeVries’ Stimme zitterte vor Wut, und sein Gesicht, das normalerweise blaß und immer irgendwie krank aussah, hatte sich vor Zorn gerötet. Seine Rechte lag auf dem kreuzförmigen Griff des Schwertes, das er am Gürtel trug. Necron hatte den sicheren Eindruck, daß der dunkelhaarige Flame sich nur mit Mühe beherrschte. Instinktiv spannte er sich und bereitete sich auf einen möglichen Angriff vor. Nicht, daß er wirklich damit rechnete; DeVries wußte sehr gut, daß Necron mit weltlichen Waffen so gut wie nicht zu verletzen und schon gar nicht zu töten war. Und daß allein ein solcher Versuch sein sicheres Todesurteil gewesen wäre.

Aber DeVries war von Sinnen vor Zorn.

»Er hat versagt, Necron!« zischte er noch einmal. »Ihr habt versagt. Er hätte ihn töten können, und statt dessen hat er Craven das Leben gerettet! Ist das die Art, in der Ihr Eure Absprachen haltet, Necron?«

Necron hielt DeVries’ Blick gelassen stand. »Ihr wißt, was geschehen ist?« fragte er in interessiertem Tonfall. »Woher?«

»Woher spielt keine Rolle!« zischte DeVries.

»Dann wißt Ihr auch, daß Shannon nicht für seinen Fehler verantwortlich zu machen ist«, entgegnete Necron ruhig. »Er wurde getäuscht. Craven steht unter dem Schutz mächtiger magischer Kräfte.«

»Die gerade dabei sind, ihn umzubringen, ja«, schnappte DeVries gehässig. »Was bedeutet das alles, Necron? Welches Spiel versucht Ihr mit mir zu spielen?«

»Spiel?« Necrons linke Augenbraue rutschte ein Stück seine Stirn hinauf. »So ... würde ich es nicht bezeichnen«, sagte er gedehnt.

DeVries machte eine zornige Handbewegung. »Es ist mir völlig egal, welche Worte Ihr dafür findet, alter Mann«, sagte er böse. »Ihr könnt die Worte verdrehen, aber nicht die Tatsachen. Was geschieht hier? Ich bin mit einem ehrlichen Angebot zu Euch gekommen, aber ich habe allmählich das Gefühl, daß Ihr vorhabt, uns zu hintergehen. Treibt es nicht zu weit, Necron!«

»Hintergehen?« Necron seufzte. »Ich wüßte nicht, wie, mein Freund. Ihr habt Euren Teil der Abmachung gehalten und uns den Erben des Magiers gebracht. Was wir mit ihm tun, ist unsere Sache.«

»O nein«, erwiderte DeVries gereizt. »Das ist es nicht. Das Abkommen lautete, daß Ihr Craven zu vernichten habt. Erst, wenn das geschehen ist, gilt unser Pakt. Oder habt Ihr es Euch anders überlegt?«

»Keineswegs«, antwortete Necron kalt. »Aber vielleicht erweitere ich meine Forderung und verlange noch Euren Kopf dazu, DeVries. Ich glaube nicht, daß Ihr wichtig genug seid, um nicht geopfert werden zu können.« Plötzlich wurde seine Stimme schneidend. »Ihr seid hier in meinem Haus, DeVries. Überlegt Euch lieber zweimal, ob Ihr mich beleidigen wollt oder nicht. Mein Wort gilt, und das wißt Ihr! Also hütet Eure Zunge, wenn Ihr nicht Gefahr laufen wollt, sie zu verlieren.«

DeVries erstarrte für einen Moment, und in die Zornesröte auf seinem Gesicht mischte sich ein Ausdruck von Schrecken. Dann flammten seine Augen in noch größerer Wut auf. »Ihr droht mir?« keuchte er. »Ihr wagt es, mir zu drohen, alter Mann?«

»Nein«, erwiderte Necron gelassen. »Ich zeige nur Möglichkeiten auf, DeVries. Seht Ihr - Ihr seid nicht der einzige, der in der Lage ist, sich Informationen zu verschaffen. Ich muß gestehen, daß Ihr mich in Erstaunen versetzt, so rasch über Shannons Schicksal Bescheid zu wissen. Aber auch ich habe mir Gedanken gemacht, wißt Ihr?«

»So?« machte DeVries. Mit einem Male wirkte er nervös.

Necron nickte erneut. »Es sind nur Überlegungen, aber Euer Zorn läßt mich gewisse Dinge in einem anderen Licht sehen als noch gestern. Ich frage mich zum Beispiel, warum es für Euch so wichtig ist, Robert Craven tot zu sehen.«

»Er ist -«, begann DeVries, wurde aber sofort wieder von Necron unterbrochen, der eine ungeduldige Geste machte.

»Er ist der Sohn Roderick Andaras, des Mannes, der am Untergang unseres Ordens die Schuld trägt und dessen Sippe zu vernichten wir geschworen haben«, sagte Necron in sonderbar hastigem, leierndem Ton, als bete er eine längst sinnlos gewordene Formel herunter. »Ich weiß das alles, DeVries - besser als Ihr. Ich frage mich nur, was er Euch getan hat.«

DeVries preßte die Lippen zusammen und schwieg, und Necron fuhr nach einer Weile fort.

»Vielleicht ist er aber auch gar nicht so bedeutungslos für Euch, wie Ihr bisher getan habt«, sagte er nachdenklich. »Wie gesagt - es sind nur Überlegungen, aber warum führen wir den Gedanken nicht einfach zu Ende - nur so zum Spaß?«

Er lächelte dünn, lehnte sich zurück und sah DeVries aus brennenden Augen an. »Möglicherweise, DeVries, ist es auch nicht Craven, sondern jemand, der sich in seiner Nähe aufhält, gerade jetzt in diesem Moment. Möglicherweise - nur möglicherweise - seid Ihr genauso am Tod dieses Jemand interessiert wie wir an dem Cravens. Und möglicherweise ist es Euch unmöglich, ihn zu vernichten, solange Craven am Leben ist und ihn mit seinem magischen Erbe schützt.«

DeVries schnaubte. »Unsinn«, sagte er.

Aber Necron ließ sich nicht beirren, sondern sprach ungerührt weiter: »Wäre es so, DeVries, müßte ich mein Angebot in der Tat noch einmal überdenken. Denn dann wärt nicht Ihr es, der uns einen Dienst erwiese, sondern es wäre gerade umgekehrt. Seht Ihr das ein?«

DeVries ballte zornig die Fäuste. »Das ist -«

»Nur ein Gedankenspiel«, unterbrach ihn Necron ruhig. »Warum erregt Ihr Euch so, DeVries?«

Der Flame starrte ihn an, atmete hörbar ein und biß sich nervös auf die Unterlippe. »Ich weiß nicht, worauf Ihr hinauswollt, alter Mann«, sagte er wütend. »Aber ich werde diese Demütigung nicht vergessen. Mein Wort darauf.«

»Das ist gut«, antwortete Necron. »Denn auch ich werde nicht vergessen, was geschehen ist. Und nun geht, DeVries. Geht in Eure Kammer und wartet dort, bis ich Euch rufen lasse, um Euch meine Entscheidung mitzuteilen.«