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Die Falle war zugeschnappt, wie es es geplant hatte; seine Diener hatten die Sterblichen angegriffen, um sie dorthin zu treiben, wo es sie hatte haben wollen, um sie vollends zu vernichten.

Und plötzlich war etwas Neues, Fremdes dagewesen, ein Quell solch unglaublicher magischer Macht, wie es niemals einem begegnet war.

Erst nach Sekunden hatte es begriffen, wem es da gegenüberstand. In seinem Zorn und seiner Wut hätte es beinahe einen Fehler begangen und sich dem verhaßten Feind zum Kampf gestellt, einem Kampf, den es nicht verlieren konnte und nicht gewinnen durfte.

Ohne es zu ahnen, hatten die Sterblichen selbst es vor einem furchtbaren Fehler bewahrt, als sie sich einmischten und den Kampf verhinderten.

Hastig hatte es sich zurückgezogen, zurück in die Tiefen seines chthonischen Palastes, wo es unangreifbar und sicher war. Wo es Zeit hatte, zu überlegen und sich auf die neue Situation einzustellen.

Neue Pläne zu schmieden.

Das Auftauchen dieser neuen, unerwarteten Macht veränderte die Lage vollkommen. Es empfand keine wirkliche Furcht, denn es wußte um seine Unangreifbarkeit.

Aber es erkannte die Möglichkeit, die sich ihm plötzlich bot. Wenn es ihm gelang, die furchtbare Macht, die es gespürt hatte, mit seiner eigenen zu vereinen, würde es stärker und unbesiegbarer sein als jemals zuvor, mächtiger, als es sich in seinen kühnsten Träumen vorzustellen gewagt hatte.

Schließlich, nach einer Weile, streckte es behutsam seine gedanklichen Fühler aus, um erneut nach seinem Feind zu tasten, nicht um ihn anzugreifen, sondern nur suchend, sondierend.

Es mußte vorsichtig vorgehen, anders als sonst nicht mit seiner ganzen magischen Macht kämpfen, sondern mit List und Verschlagenheit. Es wußte, daß es den anderen dort, wo er jetzt war, wohl vernichten, sich aber seine Kräfte nicht nutzbar machen konnte, doch gerade das war es ja, was es wollte.

Behutsam begann es ein neues, raffiniertes Netz zu spinnen ...

Ein dumpfer Schmerz pulsierte in meinem Schädel, als ich erwachte. Ich stöhnte, versuchte den Kopf zu heben und biß mit einem neuerlichen Stöhnen die Zähne zusammen, als eine dünne weißglühende Nadel in meinen Nacken zu stechen schien.

Dann tastete eine Hand nach meinem Hals, suchte mit kundigen Bewegungen nach einer bestimmten Stelle und drückte kurz und heftig zu. Der Schmerz flammte noch einmal zu grausamer Wut auf und erlosch. Ich öffnete die Augen.

Das erste, was ich registrierte, war, daß wir nicht mehr in dem zerfallenen Kirchenschiff waren, sondern uns unter dem gewaltigen, steinernen Dach einer Höhle aufhielten, das eine Meile oder mehr über mir zu schweben schien. Eine unangenehme, gläserne Kälte hing in der Luft, und es roch nach Meer und fauligem Tang.

»Alles wieder in Ordnung?« fragte eine wohlbekannte Stimme neben mir.

Ich wandte den Kopf, begegnete Looskamps ernstem Blick und nickte. »Was ... ist passiert?« fragte ich mit schwerer Zunge.

Looskamps Augen wurden dunkel vor Sorge. »Das wollte ich gerade dich fragen«, sagte er. Er versuchte zu lächeln, aber der bebende Unterton in seiner Stimme machte den Effekt zunichte.

Allmählich begann ich mich zu erinnern. »Du ... hast mich niedergeschlagen«, sagte ich, während ich mich unsicher auf die Ellbogen hochstemmte und mich umsah.

Die Höhle war so gewaltig, daß ihre Wände irgendwo im Ungewissen Dunst der Entfernung verschwammen. Ich lag auf einem Untergrund aus grobem, dunkelbraunem Sand, der mit schwarzen Lavaklumpen durchsetzt war. Linker Hand, sehr weit entfernt, glaubte ich die dünne, schwarzglänzende Uferlinie eines Sees oder Flusses zu erkennen.

Die Templer hatten einen weiten, lockeren Kreis um Looskamp und mich gebildet. Hier und da brannte ein Feuer und versuchte vergeblich, die unangenehme Kälte zu vertreiben, die unseren Atem zu grauem Dunst machte. Ich war mir nicht sicher, aber es schien mir, als wäre es kein Zufall, daß sie alle so weit von Looskamp und mir fortgerückt waren. Keiner von ihnen sah in meine Richtung.

»Du hast mich niedergeschlagen«, sagte ich noch einmal und sah Looskamp an.

Auch er wich meinem Blick aus. »Ja«, sagte er. »Du warst auf dem besten Wege, dich umzubringen.« Er schüttelte den Kopf, setzte dazu an, noch etwas zu sagen, zog aber dann nur mit einem stummen Seufzer die Knie an den Körper und starrte an mir vorbei.

»Was war das?« murmelte ich. »Dieses ... Ding, Ger - was war das?«

Ger starrte mich an. »Weißt du das wirklich nicht?« fragte er.

Ich schüttelte zornig den Kopf. »Verdammt, wozu sollte ich fragen, wenn ich es wüßte?« schnappte ich. »Ich -«

»Es war die Kreatur«, unterbrach mich Ger. »Die Kreatur des Labyrinths, Robert.«

Ich schwieg, gleichermaßen verwirrt wie erschrocken. Ein eisiges, lähmendes Gefühl des Unglaubens machte sich in mir breit. »Du ... du meinst, dieses ... dieses Ding war ...«

»Die Verkörperung des Labyrinthwesens«, bestätigte er. »Und du hast sie gerufen, Robert.« Seine Lippen preßten sich zu einem dünnen, blutleeren Strich zusammen.

»Wer bist du?« flüsterte er plötzlich. »Wer bist du, daß du solche Macht hast, die Kreaturen der Hölle heraufzubeschwören, Robert Craven?«

Unter allen anderen Umständen hätten seine Worte - und vor allem die Art, in der er sie aussprach - theatralisch und albern gewirkt. Jetzt ließen sie mich innerlich erschauern.

Denn ich begriff plötzlich, warum die Templer so weit von mir fortgerückt waren. Warum keiner von ihnen in meine Richtung sah und selbst Looskamp meinem Blick nur mit äußerster Mühe standhielt.

Sie hatten Angst.

Angst vor mir.

»Das ... das war nicht ich«, antwortete ich stockend. »Ich weiß ... selbst nicht, was es war, Ger. Bitte glaub mir. Ich ... bin ebenso erschrocken wie du. Es war ... plötzlich in mir.«

Der Blick seiner dunklen Augen schien sich in den meinen zu bohren. Eine endlose Sekunde lang starrte er mich an, dann senkte er mit einer erschöpft wirkenden Bewegung den Kopf und nickte.

»Ich glaube dir«, sagte er einfach. Er atmete scharf ein, schloß einen Moment die Augen und schüttelte plötzlich den Kopf. Seine Hand grub in dem groben Sand unter uns, ohne daß er es überhaupt zu bemerken schien.

»Du bist nicht nur irgendein Magier, nicht?« flüsterte er, ohne mich anzusehen. »Ich meine, du ... du bist nicht einer wie ... wie ich und die anderen, die gelernt haben, mit Magie umzugehen. Du bist ...«

»Ich bin Roderick Andaras Sohn«, sagte ich leise, als er nicht weitersprach. »Und was du gesehen hast, war sein Erbe, Ger. Aber ich will es nicht. Ich ... habe versucht, es zu vertreiben. Ich wollte es irgendwo in mir vergraben und für immer vergessen.«

»Andara«, murmelte Ger, als hätte er meine letzten Worte gar nicht gehört. »Der Hexer.«

Ich nickte. Plötzlich fühlte ich mich niedergeschlagen und elend. Es war nicht das erste Mal. Ich hatte versucht, mit diesem Erbe zu leben, aber es hatte sich mehr und mehr als Fluch erwiesen, eine Macht, die eher mich beherrschte als umgekehrt.

»Bruder Balstrano muß es gewußt haben«, murmelte Ger. Seine Stimme klang flach; tonlos. »Er hat gewußt, daß du ein wirklicher Magier bist. Vielleicht der letzte, den es gibt. Deshalb wollte er, daß du uns begleitest.«

Einen Moment blickte ich ihn an, dann wandte auch ich mich um und sah dorthin, wo ich den See zu erkennen geglaubt hatte. Ein schwacher Salzwassergeruch schlich sich unter der Kälte heran. Eine Erinnerung blitzte hinter meiner Stirn auf und verging wieder, ehe ich sie fassen konnte.

»Natürlich hat er es gewußt«, sagte ich leise. »Glaubst du wirklich, er hätte mich nur deswegen mitgeschickt?« Ich hielt den Stockdegen mit dem Kristallknauf in die Höhe und lachte rauh. »Eine Waffe wie diese mag mächtig sein, aber gegen die Labyrinthkreatur nutzt sie nicht viel. Nicht viel mehr als eure Schwerter.« Ich schüttelte den Kopf, ließ den Degen wieder sinken und starrte Ger so lange an, bis er meinen Blick spürte und den Kopf wandte.