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Ich wandte mich zu Looskamp um, der mir gefolgt war, und sagte: »Wir sind am Ziel, Ger. Ich weiß, wo das Herz des Tores ist.«

In seinen Augen blitzte für einen Moment noch einmal der alte Kampfgeist auf, »Wo?« fragte er scharf.

Mit einem matten, erschöpften Lächeln hob ich die Hand und deutete auf den gigantischen Salzozean hinter uns. »Dort«, sagte ich. »Am Grunde dieses Meeres, Ger. Ich glaube, nicht einmal sehr weit von hier entfernt.«

Er erbleichte, denn das, was ich nicht sagte, mußte all seine Hoffnungen mit einem einzigen Schlag zunichte machen.

Vielleicht waren wir dem Herzen des Labyrinths näher gekommen als jemals ein lebender Mensch zuvor - und trotzdem schien es, als wäre alles sinnlos gewesen.

Looskamp wollte etwas sagen, aber seine Worte gingen in einem dumpfen, drohenden Grollen unter, das den Strand unter unseren Füßen erbeben ließ. Seine Augen weiteten sich, während sein Blick an mir vorbei auf den See hinausging.

Voller plötzlichem Schrecken fuhr ich herum.

Die gewaltige schwarze Fläche des Ozeans schäumte und kochte, brach plötzlich wie unter dem Hieb einer unsichtbaren Riesenfaust auseinander. Fontänen aus schaumigem Schlick erhoben sich hundert und mehr Meter in die Luft, barsten auseinander und stürzten in sich zusammen.

Und dann ...

Zuerst war es nicht mehr als ein Schatten, ein zitternder, wogender Umriß hinter dem Vorhang aus kochendem, salzigem Wasser, gigantisch groß. Er wuchs weiter, gewann an Substanz und ...

Dicht vor dem Strand, weniger als hundert Meter von der lavabesetzten Flutlinie des schwarzen Wassers entfernt, wuchs eine Insel aus dem Meer. Geboren aus kochendem Schaum erhob sie sich über uns, ein schwarzes Ungeheuer, das seinen felsgekrönten Schädel weit über das schaumige Wasser reckte.

Und es war nicht nur eine Insel ...

Aus dem schwarzen Fels wuchsen Gebäude. Titanische Stützpfeiler aus schwarzem, von Salz und Jahrmillionen zerfressenem Basalt trugen absurde Konstruktionen in der fremdartigen, unangenehmen Geometrie der GROSSEN ALTEN. Brücken und Stege reckten sich wie greifende Arme empor und endeten im Nichts ...

Ich weiß nicht, wie lange der Vorgang dauerte. Das Wasser überschüttete uns mit Schaum und Salz und Kälte, und die Insel stieg weiter aus den Wogen empor, wuchs und wuchs und wurde zu einer gigantischen Abscheulichkeit. Immer mehr und mehr Gebäude, Türme und absurd geformte Dinge wuchsen aus den Fluten empor, und endlich erhob sich vor uns, mit einem Schlag, als würde die Wasseroberfläche von einem Axthieb gespalten, ein schmaler, geländerloser Steg; eine Brücke, die sich über das tobende Wasser hinweg zu den Ufern der schwarzen Stadt spannte.

Schließlich, nach einer Ewigkeit, beruhigte sich das Meer, die Wogen wurden wieder kleiner, und der Ozean hörte auf zu toben.

Looskamps Schritte drangen wie ein Laut aus einer fremden, irrealen Welt in meine Gedanken, als er neben mich trat. Sein Gesicht hatte alle Farbe verloren; er wirkte nicht nur bleich, er war weiß vor Furcht und Entsetzen.

Und als ich seine Augen sah, erkannte ich, daß er so genau wie ich wußte, daß wir das Ziel unserer Suche erreicht hatten.

Ich hätte es wissen müssen, als ich diese Monstrosität erblickte, aber ich erkannte es erst jetzt.

Trotzdem war es Looskamp, dessen Lippen das verfluchte Wort formten, den Namen dieser Stadt, die durch die Legenden geisterte, und das niemals hätte auferstehen müssen. Seine Lippen bebten, und als er das Wort aussprach, klangs wie ein Fluch. »R’lyeh!«

Seine Unsicherheit wuchs. Die Sterblichen waren in eine Falle gegangen, wie es geplant hatte. Sie wehrten sich kaum; die wenigen Diener, die sie auf ihrem Wege vernichtet hatten, waren nicht der Rede wert. Sie waren ersetzbar. Wenn es gewollt hätte, hätte es Millionen von ihnen erschaffen können. Aber es war nicht nötig. Es war nicht einmal nötig, die Sterblichen in die Richtung zu treiben, in der es sie haben wollte; sie kamen freiwillig, näherten sich dem Zentrum seiner Macht wie Schlachtvieh der Bank und schienen es kaum erwarten zu können, ihm gegenüberzutreten, närrisch, wie sie waren.

Alles lief wie geplant.

Und doch war es anders. Etwas, das es sich nicht erklären konnte.

Es spürte die Präsenz einer weiteren, fremden Macht, noch schlafend, aber bereit und lauernd. Für einen Moment überlegte es ernsthaft, seine Pläne zu ändern und seine Diener auszuschicken, um sie zu vernichten, schnell und ehe sie seinem verwundbaren Herzen noch näher gekommen waren. Aber dann verwarf es den Gedanken wieder. Was immer dieses schlummernde Etwas war, würde das Opfer nur vergrößern, seine eigene Macht mehren.

Schweigend sah es zu, wie sich die Falle hinter den Sterblichen endgültig schloß.

Die Brücke war nicht lang, und dennoch kam mir der Weg hinüber zur Insel vor wie eine Ewigkeit; jeder Schritt schien uns weiter von ihr fort zu führen statt näher heran, und die unwirkliche Architektur der GROSSEN ALTEN gaukelte meinen Augen Dinge vor, die in krassem Gegensatz zu dem standen, was mir mein Gleichgewichtssinn und die anderen Sinne sagten.

Der Steg begann unmittelbar am Ufer, als hätte er all die Jahrmillionen unbemerkt wenige Zentimeter unter dem Sand begraben gelegen und nur darauf gewartet, wieder aufzutauchen, und führte in kühnem Schwung zu der Insel hinüber, aber er war glatt und rund und ohne Geländer, und in seiner Mitte schwang er sich mehr als hundert Yard weit in die Höhe, so daß ein Sturz ins Meer so tödlich gewesen wäre wie auf massiven Fels.

Trotzdem hatte nicht einer von Looskamps Männern auch nur gezögert, die Brücke zu betreten. Es war kein Zufall, daß die Insel ausgerechnet jetzt aus den Fluten emporgetaucht war, so wenig, wie das Auftauchen dieser Brücke zufälliger Natur sein konnte.

Sie war eine Einladung, eine stumme Aufforderung, hinüberzugehen und zu tun, weshalb wir gekommen waren.

Und gleichzeitig war es eine Warnung, bedeutete ihr Vorhandensein doch, daß die Labyrinthkreatur wußte, daß es uns gab und wo wir waren.

Mein Herz schlug langsam und schwer wie ein altes, bronzenes Läutwerk, als wir uns der abwärts geneigten Krümmung der Brücke näherten und unsere Schritte uns wieder dem Wasser entgegen brachten, gleichzeitig aber auch der Insel, auf deren Fels die verfluchte schwarze Stadt wie ein steinernes Krebsgeschwür wucherte.

R’lyeh ...

Ich wiederholte den Namen ein paarmal in Gedanken, aber er verlor nichts von seinem unheimlichen, bedrohenden Klang. Wie oft hatte ich ihn gelesen, diesen verfluchten Namen, wie viele Geschichten über den Ort gehört, wie viele düstere Prophezeiungen und Mahnungen?

R’lyeh - Stadt und Palast Cthulhus, des Schrecklichsten der furchtbaren alten Götter, die Howard und mein Vater die GROSSEN ALTEN genannt hatten. Irgendwo in den Tiefen dieser Stadt, verborgen unter dem grindigen Fels, aus dem seine Häuser und Türme und Brücken errichtet worden waren, lag sein Haus, die Thronkammer des Giganten, in der er seit hundert Ewigkeiten begraben lag, ertrunken und tot, seid R’lyeh in den Fluten des Urmeeres versunken war, und doch träumend und bereit für den Tag, an dem er sich erheben und die Herrschaft seiner furchtbaren Rasse erneut beginnen würde.

Das Meer begann zu toben und wie rasend an den steinernen Stützpfeilern zu zerren, die den Brückenbogen trugen. Obgleich sie zehn oder mehr Meter dick sein mußten, spürte ich die Erschütterungen wie Hammerschläge unter meinen Füßen, und die Brecher zerbarsten mit solcher Urgewalt an dem schwarzen Fels, daß schaumige Spritzer bis zu uns hinaufgelangten. Große, zerfließende Umrisse begannen sich unter der schwarzglitzernden Oberfläche des Wassers zu bilden, tauchten manchmal beinahe auf und versanken wieder, ehe ich genau erkennen konnte, was es war. Tangglitzernde Tentakeln wickelten sich wie Schlangen um die steinernen Stützen unseres Steges und wurden von der Wut der Brandung zurück in die chthonische Tiefe gerissen, aus der sie emporgestiegen waren, gewaltige, pupillenlose Augen, die kalt wie Stahl und ohne jedes Gefühl zu uns hinaufblickten, schrecklich gelbe Fänge, von pockennarbigen Zungen in gieriger Vorfreude auf unser Fleisch geleckt ...