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Dafür schnappte seine Hand nach meiner Kehle. Ich warf mich zurück, fühlte, wie seine Finger an meinem Hals entlangschrammten und dabei einen Teil meiner Haut mitnahmen, warf mich verzweifelt aus der Reichweite seiner schrecklichen Hände und griff blindlings um mich. Meine Finger ertasteten etwas Hartes, Schweres und klammerten sich darum. Es war ein Eisenstück; ein zollstarker, mehr als armlanger Stab, der aus der zerborstenen Bank herausschaute und an einem Ende mit den scharkantigen Resten abgebrochener Bolzen versehen war.

Blind vor Angst schlug ich zu.

Eisenzahn versuchte den Hieb abzuwehren, aber er war nicht schnell genug. Meine improvisierte Stachelkeule traf seinen Schädel mit vernichtender Wucht, schmetterte ihn abermals zu Boden und wurde mir durch die schiere Wucht meines eigenen Schlages aus der Hand geprellt.

Und im gleichen Moment zuckte Eisenzahns Hand nach vorne und schloß sich wie eine stählerne Klammer um meinen Unterarm!

Noch einmal bäumte ich mich auf. Aber diesmal versuchte ich nicht mehr, seinen Griff mit Gewalt zu sprengen, sondern warf mich im Gegenteil in die Richtung, in die er mich zu zerren versuchte, drehte mich gleichzeitig um meine eigene Achse - und brachte ihn mit einem plötzlichen Ruck in die entgegengesetzte Richtung aus der Balance.

Eisenzahns eigene Kraft wurde ihm zum Verhängnis. Den Zug seiner eigenen übermenschlich starken Muskeln ausnutzend, hebelte ich ihn über meinen Rücken hinweg, half der Entwicklung noch durch einen kräftigen Stoß nach - und schleuderte ihn quer durch das Abteil gegen die Außenwand!

Die Tür schien wie von einer Kanonenkugel getroffen und zerschmettert zu werden. Eisenzahns Gewicht zermalmte das massive Blech wie Papier, ließ die Fensterscheibe in einem Hagel von Glassplittern explodieren und beulte die halbe Abteilwand ein. Er griff mit hilflos rudernden Armen um sich, klammerte sich am Türrahmen fest - und verlor abermals das Gleichgewicht, als seine Finger das Eisenblech wie Pergament zerfetzten.

Sein Gesicht verzerrte sich zu einer Grimasse, aber über seine Lippen kam nicht der geringste Laut, als er in einer grotesken Bewegung weiter nach hinten kippte und aus dem fahrenden Zug fiel.

Dunkelheit und die Geräusche zahlreicher Menschen waren um ihn herum, als sich seine Sinne klärten. Eine Hand machte sich an seiner Schläfe zu schaffen und linderte geschickt den quälenden Schmerz, der dort tobte, und eine Stimme redete auf ihn ein. Er verstand die Worte nicht, aber sie beruhigten ihn irgendwie. Nach einer Weile hörte auch der irre Veitstanz auf, den seine Gedanken aufführten, und Sarim de Laurec tastete sich langsam in die Wirklichkeit zurück.

Das erste, was er sah, als er die Augen aufschlug, war das faltenzerfurchte Gesicht Jean Balestranos. Seine Lippen waren zu einem Lächeln verzogen, aber de Laurec sah trotzdem den Ausdruck von Sorge, der in den Augen des alten Mannes geschrieben stand.

»Was ... ist geschehen?« fragte de Laurec mühsam. Er wollte die Hand heben, um nach der Schläfe zu tasten, aber Balestrano drückte seinen Arm mit sanfter Gewalt herunter.

»Es ist alles in Ordnung, Bruder«, sagte er. »Du hast uns alle gerettet.«

»Ich?« De Laurec versuchte zu lächeln, aber es mißlang; Schmerz und Schock ließen nur eine Grimasse daraus werden. Verwirrt stemmte er sich auf die Ellbogen hoch, fuhr plötzlich zusammen und drehte mit einem erschrockenen Laut den Kopf, um zum Altarstein und dem Kristallgehirn zu blicken.

Der schwarze Steintisch stand unberührt da, aber das Kristallgehirn war zur Seite gefallen und halb von der Platte heruntergerutscht. De Laurec sah deutlich die Stelle, an der sein Schwert eine Scharte in den diamantharten Kristall geschlagen hatte. »Was ist passiert?« murmelte er. »Ich ... erinnere mich kaum.«

Balestrano lächelte. »Das ist normal«, sagte er. »Ich fürchte, du hast eine schwere Gehirnerschütterung, Bruder Laurec.« Er schwieg einen Moment, und als er weitersprach, waren seine Augen dunkel vor Sorge.

»Es ist meine Schuld«, sagte er. »Ich hätte diesen Versuch niemals zulassen dürfen.«

De Laurec hörte seine Worte kaum. Es fiel ihm schwer, sich auf den alten Mann zu konzentrieren. Seine Gedanken begannen sich zu verwirren, und für einen ganz kurzen Moment fragte er sich vollen Ernstes, wer er überhaupt war, und wie er hierher kam.

Verwirrt hob er die Hand an den Kopf und tastete mit den Fingerspitzen über die Schläfe. Warum hatte er plötzlich das Gefühl, eine lautlose Stimme in seinem Schädel flüstern zu hören?

»... unterschätzt«, sagte Balestrano. De Laurec fuhr zusammen und sah den Großmeister schuldbewußt an. Er begriff erst jetzt, daß Balestrano die ganze Zeit mit ihm gesprochen hatte. Er hatte die Worte nicht einmal gehört!

»Deine Befürchtungen waren nur zu berechtigt«, fuhr Balestrano fort. »Dieses Ding« - er verzog angewidert das Gesicht und deutete auf das beschädigte Kristallgehirn - »ist Teufelswerk. Wir hätten es niemals berühren dürfen!«

De Laurec schwieg. Was hätte er auch sagen sollen? Sie waren zusammengekommen, um das Kristallgehirn, das seinem Besitzer Gewalt über die magischen Tore der GROSSEN ALTEN gab, unter ihre Kontrolle zu bringen. Aber das Geschehen bewies, daß sich das magische Artefakt sehr wohl zu schützen vermochte, selbst gegen eine Loge der Tempelritter.

»Um ein Haar wären wir alle gestorben«, fuhr Balestrano fort, »hättest du es nicht zerschlagen.«

De Laurec blickte unsicher an Balestrano vorbei auf das schimmernde Kristallgebilde. »Ist es ... zerstört?« fragte er.

Balestrano schwieg einen Moment, dann zuckte er mit den Achseln. »Ich weiß es nicht«, gestand er. »Zumindest ist es im Augenblick ungefährlich. Und ich werde dafür sorgen, daß es so bleibt.« Er schürzte entschlossen die Lippen. »Wir haben an Kräften gerührt, die nicht für Menschen sind«, sagte er bestimmt. »Um ein Haar hätten wir den Preis dafür gezahlt.«

»Was wollt ihr tun?« fragte de Laurec. »Es ... vernichten?« Warum erschrak er so sehr bei diesem Gedanken? Bei der Vorstellung, das kristallene Gebilde zu zerstören, verspürte er eine beinahe körperliche Angst.

Balestrano schüttelte den Kopf. »Nein«, sagte er, »denn dazu ist es zu wertvoll. Ich bezweifle auch, daß wir es könnten. Aber ich werde es an einen sicheren Ort bringen und dafür sorgen, daß niemand seine Kräfte weckt, ehe wir nicht genau wissen, womit wir es zu tun haben.« Er stand auf, wartete, bis auch de Laurec sich erhoben hatte, und deutete mit einer befehlenden Geste zur Tür.

»Geht«, sagte er. »Geht alle hinaus, laßt mich allein. Was zu tun ist, muß ich allein tun.«

De Laurec starrte den weißhaarigen Tempelritter sekundenlang an. Seine Verwirrung wuchs mit jeder Sekunde. Er hatte plötzlich eine absurde Angst davor, daß Balestrano trotz seiner gegenteiligen Worte das Gehirn zerstören würde, und sei es nur aus Angst vor dessen Macht.

Aber er sprach nichts davon aus, sondern drehte sich schließlich ebenso wie die anderen um und wollte den Kellerraum verlassen. Doch diesmal war es Balestrano selbst, der ihn zurückhielt.

»Noch einen Moment, Bruder Laurec«, sagte er. De Laurec blieb gehorsam unter der Tür stehen und wandte sich noch einmal um. Balestrano war dicht an den Tisch mit dem kristallenen Gehirn herangetreten, und auf seinem Gesicht lag ein angespannter, konzentrierter Ausdruck. »Fühlst du dich wieder kräftig genug, einen Moment mit mir zu reden?« fragte er.

De Laurec nickte. »Natürlich.«

»Dann warte draußen auf mich«, sagte Balestrano. »Wir müssen noch bereden, was mit Bruder Howard geschieht. Du weißt, daß er in Paris ist?«