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»Ist das alles?« keuchte ich. »Erwartest du wirklich, daß ich mich damit zufrieden gebe? Du verlangst nicht, daß ich dich verstehe, und das ist alles? So einfach ist es nicht, Vater! Vielleicht verlangst du nichts, aber ich verlange etwas von dir!«

Und was? fragte er leise. Aber der Ausdruck in seinen Augen sagte mir, daß er die Antwort längst wußte.

»Ich will, daß du deinen Fluch von mir nimmst!« schrie ich. »Ich will dieses Erbe nicht! Du hast es mir gegeben, ohne mich zu fragen. Ich will nicht zusehen, wie unschuldige Menschen umgebracht werden, nur weil sie zufällig im falschen Moment am falschen Ort sind, oder weil ihr Tod in irgendwelche Pläne irgendwelcher anonymer Mächte paßt. Du hast mir nicht nur deine magische Macht und deine Zauberkraft vererbt, sondern auch deinen Fluch. Jeder Mensch, der zu lange mit mir zusammen ist, kommt zu Schaden, jeder, der mir Gutes tut, wird mit dem Tod oder Schlimmerem belohnt! Ich will das nicht mehr! Ich habe nicht die Kraft, ein Leben lang Unglück und Leid zu bringen. Nimm es von mir! Mach mich zu einem ganz normalen Menschen, mehr will ich nicht.«

Ich redete Unsinn, und ich wußte es, aber die Worte hatten sich zu lange in mir aufgestaut, als daß ich sie jetzt noch zurückhalten konnte.

Und auch Andara schwieg und blickte mich eine lange, lange Zeit nur schweigend an. Sein Körper begann zu verblassen, ganz langsam, aber stetig. Aber kurz bevor er vollends verschwand, sagte er noch etwas, das ich erst viel, viel später wirklich begreifen sollte: Es war falsch von mir, dich darum zu bitten, mich nicht zu hassen, Robert, sagte er. Bitte verzeih mir. Hasse mich, wenn du jemanden hassen mußt. Nicht dich. Niemals dich selbst.

Und damit verschwand er. Sein Körper zerstob zu dem, was er wirklich war - einer düsteren irrealen Vision -, trieb wie ein nebeliger Hauch auseinander und war fort. Nicht einmal seine Fußabdrücke waren im feuchten Sand zurückgeblieben. Wie konnten sie auch?

Trotzdem war ich nicht mehr allein.

Ich hatte das Geräusch der Kutsche und die Schritte schon lange gehört, aber sie waren nicht wirklich bis an mein Bewußtsein gedrungen, während ich mit dem Geist meines Vaters sprach.

Als ich mich umdrehte, stand ich Howard gegenüber. Und der Ausdruck in seinen Augen sagte mir, daß er alles gehört hatte. Jedes Wort.

Eine Weile sah er mich schweigend an, dann seufzte er, auf die gleiche, traurige Art wie zuvor Andara, deutete mit einer Kopfbewegung auf den noch immer bewußtlos daliegenden Shannon und wies gleichzeitig mit der Hand zur Kutsche zurück.

»Komm«, sagte er. »Wir haben keine Zeit zu verlieren. Hilf mir, ihn in die Kutsche zu tragen.«

Der Abend war gekommen, und Dunkelheit hatte sich über das Gelände der Miscatonic-Universität gesenkt. Trotz des mächtigen Feuers, das Howard im Kamin der Bibliothek entzündet hatte, machte sich die Kühle des Abends unangenehm bemerkbar.

Howard hatte Shannon und mich im Gästetrakt untergebracht. Ihn in einem kleinen, wohl seit Jahren nicht mehr benutzten Zimmer, mich in einem größeren, aus zwei Räumen und einem separaten Bad bestehenden Appartement.

Wir hatten nicht viel geredet; weder während der Kutschfahrt hierher noch später. Howard war unfreiwillig Zeuge meiner bizarren Unterhaltung geworden, und obgleich er kein Wort darüber verloren hatte, spürte ich doch überdeutlich, daß ihm nicht gefiel, was er gehört und gesehen hatte. Ich war froh gewesen, als er mir stumm mein Zimmer gezeigt und mir gesagt hatte, daß er mich bis zum Dinner alleinlassen würde.

Trotz allem, was geschehen war, holte mich meine Müdigkeit wieder ein. Ich fiel in einen unruhigen, von Alpträumen und düsteren Visionen heimgesuchten Schlummer, aus dem mich Howard kurz vor Einbruch der Dämmerung geweckt hatte.

Dann hatte mich Howard in die Bibliothek geführt und mich einem kleinwüchsigen, frühzeitig ergrauten Mann namens Lengley vorgestellt - Professor hier an der Universität für irgend etwas, das ich nicht verstand und das mich nicht interessierte.

Lengley war trotz seines griesgrämigen Äußeren ein netter alter Mann, der meine knapp angebundene Art überging und mich freundlich aufforderte, vor dem Kamin Platz zu nehmen.

Eine Zeitlang betrieben wir Konversation; anders kann man das höfliche Frage-und-Antwort-Spiel, durch das wir uns quälten, wohl kaum bezeichnen.

Schließlich - nach einer Ewigkeit, wie es mir vorkam - räusperte sich Howard übertrieben. Er beugte sich ein wenig in dem wuchtigen Ohrensessel, in dem er Platz genommen hatte, vor und kam endlich zur Sache.

»Du hast keine Zeit verloren, Robert«, sagte er. »Lengley und ich hatten kaum damit gerechnet, dich vor Ende des Monats hier zu sehen.«

»Ich habe ein schnelles Schiff bekommen«, antwortete ich. »Und ich bin sofort aufgebrochen, als dein Brief kam. Er klang dringend.«

»Das ist es auch«, sagte Howard, und seine Stimme klang deutlich besorgt dabei. »Ich hätte dir die lange Reise nicht zugemutet, wenn es nicht wichtig wäre.«

»Worum geht es?« fragte ich gerade heraus. »Um die GROSSEN ALTEN?«

Lengley schien überrascht, aber nur für einen Moment. »Sie wissen also Bescheid«, sagte er. »Das erleichtert die Sache ein wenig.«

»Ich habe einen kleinen Vorgeschmack bekommen«, antwortete ich sarkastisch. »Heute morgen in Ihrer gastfreundlichen Stadt, Professor.«

In seinen Augen erschien ein fragender Ausdruck. Offenbar hatte Howard ihm noch nicht erzählt, was mir widerfahren war, und so tat ich es.

Lengley hörte stumm und ohne mich ein einziges Mal zu unterbrechen zu, aber der Ausdruck von Sorge auf seinem Gesicht wurde immer stärker.

Als ich zu Ende gekommen war, hockte er verkrampft auf seinem Sessel und war bleich geworden. Auf seiner Stirn glitzerte Schweiß. Seine Hände zitterten.

»So schlimm ist es also schon«, murmelte er.

»So schlimm ist was!« fragte ich betont. »Ich habe das Gefühl, daß Sie mir irgend etwas verheimlichen, Professor.«

Howard sah auf, preßte die Lippen aufeinander und spielte einen Moment nervös an den Manschetten seiner Jacke, ehe er antwortete.

»Du erinnerst dich an den Tag, an dem wir Roderick ... das letzte Mal gesehen haben?« fragte er. Ein rasches, warnendes Funkeln glomm in seinem Blick auf. Lengley wußte also auch nichts von meiner unheimlichen Begegnung am Flußufer, und Howard schien wie ich der Meinung zu sein, daß es besser so bleiben sollte.

Ich nickte.

»Du erinnerst dich an die dreizehn GROSSEN ALTEN, die durch den Dimensionstunnel zu uns gelangt sind«, fuhr Howard fort. »Nicht sie selbst, aber ein Teil ihrer selbst, mächtig genug, die Tore der Zeit aufzustoßen und zu alter Macht aufzuerstehen. Wir alle ... haben gehofft, daß sie eine lange Zeit brauchen werden, sich in dieser Welt zurechtzufinden, aber ich fürchte, unsere Frist ist kürzer, als ich dachte.«

»Das heute morgen war keiner der GROSSEN ALTEN«, widersprach ich.

»Natürlich nicht«, sagte Lengley. »Wäre es so gewesen, dann wären Sie jetzt tot, mein Junge. Es war irgendeine ihrer Kreaturen. Und nicht die erste, von der wir hören.«

Plötzlich klang seine Stimme erregt. »Der Grund, aus dem Howard Sie hergebeten hat, Robert, ist das Auftauchen dieser Wesen. In den letzten Monaten erreichen uns immer wieder sonderbare Nachrichten, Gerüchte und Geschichten, an die niemand so recht glaubt.«

Er lachte rauh. »Sie täten besser daran, sie zu glauben, Robert. Sie zeigen sich jetzt immer öfter.«

»Sie?«

»Die GROSSEN ALTEN, oder ihre Kreaturen«, sagte Howard ungeduldig. »Und das Beunruhigende ist, daß sie stets in der Nähe von Arkham auftauchen. Und sie scheinen näher zu kommen.«