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Es dauerte einen Moment, bis ich dem Gedankensprung zu folgen imstande war. »Ja«, antwortete ich. »Ich ... bin heute morgen angekommen. Wie kommen Sie darauf?«

»Ich habe Ihr Gepäck gesehen«, antwortete der junge Mann. »Aber ich frage mich, warum Sie nicht in ein Hotel ziehen. Ihrer Kleidung nach zu schließen dürften Sie es kaum nötig haben, in einem Abbruchhaus zu schlafen. Oder verstecken Sie sich?«

»Aber ich bin in einem Ho-«, begann ich, sprach dann aber nicht weiter, sondern blickte mich voller plötzlichem Schrecken um. Ich war bisher viel zu verstört und benommen gewesen, um wirklich auf meine Umgebung zu achten.

Ich war in meinem Hotelzimmer, wie ich behauptet hatte - und auch wieder nicht. Der Raum, in dem wir uns befanden, war derselbe.

Aber wie hatte er sich verändert! Die Wände waren grau und verfallen; überall lösten sich die Tapeten. Da und dort sah der nackte Putz oder graues, von Schwamm zerfressenes Mauerwerk hervor. Der Boden war eingefallen, die Bohlen verquollen und vom Alter geborsten, und durch das glaslose Fenster pfiff der Wind herein. Das Bett, auf dem ich erwacht war, war ein einziges Trümmerstück, schräg wie ein gestrandetes Schiff auf nur drei Beinen stehend und mit vermoderten, grauen Fetzen bedeckt.

Verstört sah ich meinen Retter an. »Das ist doch ... unmöglich«, murmelte ich. »Dieses Zimmer war ... war vollkommen in Ordnung, als ich heraufgekommen bin.«

»Sie müssen ein schlimmes Zeug geschluckt haben, heute nacht«, erwiderte er lächelnd, wurde aber dann sofort wieder ernst. »Ich kenne dieses Haus nicht«, sagte er, »aber so, wie es hier überall aussieht, muß es schon seit mindestens zehn Jahren leerstehen.«

»Aber es war vollkommen intakt, als ich gekommen bin!« protestierte ich. »Ich habe mich an der Rezeption eingetragen und vom Portier den Schlüssel zu diesem Zimmer bekommen, und ...«

Ich sprach nicht weiter, als ich den Ausdruck in seinen Augen sah. »Sie ... glauben mir kein Wort, wie?« fragte ich leise.

Der andere zögerte. Sein Blick huschte nervös über die Tür zum Bad und kehrte zurück. »Ich weiß nicht, was ich glauben soll«, sagte er schließlich. »Nach dem, was ich da drinnen gesehen habe, scheint hier alles möglich zu sein.«

Seine Worte erinnerten mich an etwas. Ich ging rasch zur Tür, hob den kleinen, fünfzackigen Stein auf, den ich als Schutz vor die Schwelle gelegt hatte, und steckte ihn in meine Rocktasche. Dann wandte ich mich um und ging zum Fenster, um den zweiten Stein zu suchen, fand ihn aber nicht.

»Wenn Sie Ihren Shoggotenstern suchen«, sagte der Fremde ruhig, »dann muß ich Sie enttäuschen.«

Ich erstarrte. Seine Stimme hatte sich nicht verändert, sondern klang noch immer so freundlich und sanft wie bisher, aber ich glaubte trotzdem einen mißtrauischen, beinahe lauernden Ton in ihr zu hören.

Mit betont langsamen Bewegungen drehte ich mich zu ihm herum und starrte ihn an. »Was ... meinen Sie damit?« fragte ich gedehnt.

Der Junge lächelte. »Ich fürchte, er ist verloren«, sagte er ruhig. »Ich mußte ihn opfern, um Ihr Leben zu retten.«

Ich schwieg einen Moment, starrte ihn an und suchte vergeblich nach einer passenden Ausflucht. Plötzlich erinnerte ich mich wieder, daß er irgend etwas in die Tiefe geschleudert hatte, Sekunden, ehe das Ungeheuer verging.

»Sie ... kennen das Geheimnis dieser Steine?« fragte ich vorsichtig.

»Natürlich«, antwortete er. »Wäre es nicht so, hätte ich Sie kaum retten können, nicht wahr?« Ein mißtrauisches Funkeln blitzte in den dunklen Augen meines Retters auf. »Wer sind Sie, daß Sie sechs Shoggotensterne und ein ganzes Sammelsurium magischer Utensilien mit sich herumschleppen?«

»Sie haben -« Mein Blick fiel auf die Koffer, die aufgeklappt am Fußende des Bettes standen. Ihr Inhalt war durchwühlt und zum Teil auf dem Fußboden verteilt. »Sie haben mein Gepäck durchsucht?«

Der andere nickte. »Sicher. Ich weiß immer gerne, mit wem ich es zu tun habe. Sie nicht?«

»Doch«, antwortete ich, weitaus weniger freundlich als bisher. »Wer sind Sie, zum Beispiel?«

Der Junge lächelte. »Jemand, der Ihnen das Leben gerettet hat«, antwortete er. »Und falls Ihnen das noch nicht genügt, nennen Sie mich Shannon.«

»Shannon?« wiederholte ich. »Ist das Ihr Vor- oder Nachname?«

»Shannon reicht«, antwortete er. »Und jetzt hören Sie mit dem Unsinn auf. Ich bin nicht Ihr Feind. Es sieht eher so aus, als hätten wir gemeinsame Gegner.« Er deutete mit einer Kopfbewegung zum Bad und stand auf. Ich bemerkte, daß er ein gutes Stück kleiner war als ich. Aber seine Bewegungen waren ungleich geschmeidiger und kraftvoller. Seine schmale Gestalt und die Zartheit seines Gesichtes täuschten.

»Wie heißen Sie eigentlich?« fragte er plötzlich. »Ich habe keinerlei Papiere bei Ihnen gefunden.«

Ich wollte ihm geradeheraus Antwort geben, als sich irgend etwas in meinem Innern sträubte, ihm meinen richtigen Namen zu nennen. »Jeff«, sagte ich, »Jeff Williams.«

»Wir sollten zusehen, daß wir aus diesem Haus verschwinden, Jeff«, sagte er. »Jemand könnte Ihre Schreie gehört haben. Und ich bin nicht sicher, daß es wirklich vernichtet ist. Solange wir in dieser Stadt bleiben, sind wir in Gefahr.«

»Es?« wiederholte ich. »Wovon reden Sie?«

Shannons Lippen zuckten unwillig. »Hören Sie auf!« sagte er zornig. »Ich fand Notizen über die GROSSEN ALTEN in Ihrem Koffer. Sie haben magische Steine und sind gerade dabei, sich von einem Shoggoten auffressen zu lassen, als ich Sie finde - und Sie wollen mir erklären, Sie wüßten nicht, wovon ich rede?«

Einen Moment lang blickte ich ihn noch unentschlossen an, dann verscheuchte ich meine Bedenken und lächelte verlegen. »Sie haben recht, Shannon«, sagte ich. »Tut mir leid. Ich ... bin es nicht gewohnt, mit irgend jemandem so offen über dieses Thema reden zu können, wissen Sie? Ich bin auf dem Weg zur Miscatonic-Universität. Ich treffe dort jemanden.«

»Die Universität?« Shannon überlegte einen Moment. »Warum nicht?« sagte er schließlich. »So wie die Dinge liegen, ist das möglicherweise der einzige Ort, an dem wir sicher sind. Es wird zurückkommen, wenn wir hier in der Stadt bleiben. Würde es Ihnen etwas ausmachen, wenn ich Sie begleite, Jeff?«

»Nicht im mindesten«, antwortete ich impulsiv.

Shannon nickte. »Gut«, sagte er. »Es scheint, als hätten wir nicht nur gemeinsame Feinde, sondern auch gemeinsame Interessen. Ich ... bin nämlich aus dem gleichen Grunde hier in der Stadt wie Sie. Ich suche jemanden.«

»So?« sagte ich, ging an ihm vorbei und begann meine Kleider zusammenzuraffen und in einen Koffer zu stopfen. »Und wen?«

Shannon ging neben mir in die Hocke und räumte den zweiten Koffer ein. »Einen Freund«, sagte er. »Aber Sie werden ihn nicht kennen, wenn Sie nicht aus Arkham sind.«

»Vielleicht kann ich Ihnen trotzdem helfen«, sagte ich. »Ich kenne einige einflußreiche Leute von der Universität. Sie könnten Erkundigungen einziehen. Wie ist der Name Ihres Freundes?«

Shannon hielt für einen Moment in seinem Tun inne, sah mich an und lächelte erneut. »Craven«, sagte er. »Robert Craven.«

»Ihr habt Nachricht von Shannon?«

DeVries’ Stimme klang unangenehm und schneidend wie immer, und es war ein ungeduldiger, fordernder Ton darin, den Necron nicht gewohnt war und der seinen Zorn weckte. DeVries hatte seine Kammer betreten, ohne anzuklopfen, und dabei hatte Necron die beiden Männer aus seiner Leibgarde bemerkt, die draußen auf dem Gang Aufstellung genommen hatten. Zudem trug er sein Schwert offen am Gürtel.