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Der Doppelgänger blickte ihn einen Moment erschrocken an, dann gab er sich einen sichtlichen Ruck und faßte seine Waffe fester. »Möglich«, sagte er. »Aber das spielt jetzt keine Rolle mehr. Ich will das Buch. Wenn Sie mich dazu zwingen, werde ich Gewalt anwenden, um es zu bekommen. Necrons Hiersein ändert nichts an meinem Entschluß, im Gegenteil. Es ist ein Grund mehr, den Band in meinen Besitz zu bringen.«

»Idiot«, sagte Howard freundlich.

In den Augen des anderen blitzte es auf, aber Howards Lächeln wurde eher noch breiter.

»Glauben Sie wirklich, wir würden das NECRONOMICON einfach so mit uns herumschleppen?« fragte er.

»Mister Craven wird so freundlich sein, uns zu seinem Versteck zu führen.«

»Den Teufel werde ich tun«, versetzte ich.

»Wenn nicht«, fuhr der Mann fort, »sehe ich mich leider gezwungen, zuerst Rowlf und dann Mister Lovecraft zu erschießen, Robert. Und wenn das noch nicht ausreichen sollte, Ihre kleine Freundin oben unter dem Dach.«

Seine Worte ließen eine Welle heißer, mörderischer Wut in mir aufsteigen. Ich ballte die Fäuste und machte einen Schritt auf ihn zu, aber Howard riß mich im letzten Augenblick zurück.

»Laß das, Robert«, sagte er ruhig. »Er meint es ernst.«

»Glauben Sie ihm lieber, Robert«, fügte sein Doppelgänger schneidend hinzu. »Ich hasse es, jemanden unter Druck setzen zu müssen, aber ich schwöre Ihnen, daß ich das Buch bekommen werde.« Er lächelte dünn, hob die Waffe und richtete ihre beiden Läufe auf Rowlf. »Nun?«

»Selbst, wenn ich es Ihnen sagen würde, würde es Ihnen nichts nutzen«, sagte ich hastig und nur, um Zeit zu gewinnen. »Es ist ... geschützt. Es würde sie töten, wenn Sie versuchten, es zu berühren.«

Der Mann lachte häßlich. »Vielleicht lassen Sie das unsere Sorge sein, Craven«, sagte er. »Also?«

Im gleichen Moment erbebte das Haus wie unter einem Schlag.

Es war keine Erschütterung wie ein Erdstoß oder der Hieb eines Orkans, sondern ein trockener, unglaublich harter Stoß, der das Gebäude wie ein Hammerschlag traf und bis in die Grundfesten erschütterte.

Der Boden hob sich wie ein bockendes Pferd. Die Fensterscheiben explodierten und überschütteten den Raum mit einem Hagel kleiner scharfkantiger Geschosse. Die Decke barst, als einer der Balken brach und durch den Putz stieß. Ein gewaltiger, gezackter Riß spaltete die Südwand.

Und im gleichen Moment wurde die Tür aus den Angeln gerissen.

Ein widerliches, grünes Licht tauchte den Raum für Sekunden in grelle Helligkeit. Ich schrie und schlug die Hände vor meine Augen, aber der Glanz war so intensiv, daß ich trotzdem sah, wie Gray von der zerberstenden Tür getroffen und durch den Raum geschmettert wurde, Stühle und Tische dabei niederreißend, und wie er schließlich mit Wucht gegen die Wand neben dem Fenster prallte.

Rowlf sprang mit einem wütenden Knurren vor, packte den Howard-Doppelgänger und schlug ihn nieder.

Als das Licht erlosch, sah ich die Gestalt. Sie kam mir wie eine jener umrißlosen Bestien vor, die uns manchmal in Fieberträumen heimsuchen: groß, bizarr verzerrt und mit stampfenden, plumpen Elefantenbeinen, einem alptraumhaften Kopf und peitschenden Tentakeln anstelle von Armen, dann zerfloß sie und wurde für Sekunden zu einer Karikatur menschlichen Lebens, ein Ding mit noch immer zu vielen Armen und peitschenden dünnen Fühlern.

Dann verwandelte sie sich abermals, und ich erkannte sie.

»Priscylla!«

Es war Priscylla - und auch wieder nicht, denn sie hatte sich auf fürchterliche Weise verändert!

Sie trug ein weißes, seidenes Nachthemd, aber der Stoff war mit Blut besudelt. Ihr Gesicht flammte und in ihren Augen brannte ein unheimliches, verzehrendes Feuer.

Langsam, mit stockenden, taumelnden Schritten, als hätte sie kaum mehr die Kraft, sich auf den Beinen zu halten, kam sie auf mich zu und streckte dabei die Arme aus. Ihre Hände waren verkrümmt wie Krallen. Die Lippen öffneten sich wie zu einem Schrei, aber alles, was sie hervorbekam, war ein gräßliches Keuchen. Ihre Fingernägel wuchsen, wurden zu Dolchen, und ihre Arme breiteten sich zu einer tödlichen Umarmung aus.

Etwas traf meine Schulter und schleuderte mich zu Boden. Priscyllas Hände schlossen sich mit einem sonderbaren, metallisch-schnappenden Laut, genau dort, wo meine Kehle gewesen wäre.

Und trotzdem sprang ich, wie von einem fremden Willen beseelt, sofort wieder auf die Füße und versuchte zu Priscylla zu gelangen.

Rowlf sprang mich ein zweites Mal an und riß mich zurück, und diesmal spürte ich die ganze ungeheure Kraft seiner gewaltigen Hände. Ich versuchte seinen Griff zu sprengen, aber seine Pranken hielten mich wie Fesseln. Priscylla kreischte. Ihre Hände vollführten sinnlose, wirbelnde Bewegungen.

»Das ist nicht Priscylla, Robert!« brüllte Howard. »Denk an Arkham! Es ist ein Shoggote!« Sie versuchen es wieder!

Priscyllas Augen loderten.

Und dann begann sie sich zu verändern, langsam, aber auf fürchterliche Weise. Langsam zogen sich ihre Lippen zu einem gemeinen, wölfischen Grinsen zurück, und ich sah, daß ihre Zähne plötzlich lang und spitz und nach hinten gebogen waren.

Ein heller, knisternder Laut erscholl. Irgend etwas Unsichtbares huschte an mir vorüber und traf Rowlfs Körper wie ein Hammerschlag. Seine Hände lösten sich von meinen Schultern. Mit einem Seufzen sank er hinterher und blieb reglos liegen. Auch Howard stürzte getroffen zu Boden.

Aber sein Schrei hatte den Bann gebrochen, und plötzlich wußte ich, welchem Wesen ich wirklich gegenüberstand - einem Shoggoten. Einem Shoggoten wie dem, der mich schon einmal in Priscyllas Gestalt angegriffen hatte, in der Gestalt des Menschen, den ich am meisten liebte und dessen Anblick mich am meisten treffen mußte. Und endlich sah ich ihn, wie er wirklich war: eine furchtbare Persiflage Priscyllas; größer, knochiger, mit zerfurchter brauner Pergamenthaut, übersät von Warzen und Pusteln, aus denen schwarze Borsten wuchsen. Die Hände waren gewaltige Fänge, die mich zerreißen würden, und in den Augen flammte eine Bosheit, die nicht von dieser Welt war.

»Du wirst sterben, Craven«, sagte sie. Ihre Stimme hatte jede Ähnlichkeit mit der eines Menschen verloren - ein heiseres Krächzen, als hätte sie eine Kehle aus Stein -, und für einen Moment glaubte ich durch ihren Körper hindurch einen zweiten, aufgedunsenen Leib zu erkennen, das Bild des Shoggoten, wie er wirklich aussah: gigantisch, mit stampfenden Säulenbeinen, Augen wie Blut und peitschenden, schleimigen Tentakeln, übersät mit Dornen und Saugnäpfen. Dann verschmolzen die beiden Bilder zu einem neuen, grauenerregenden Wesen, einem Ding, das jeder Beschreibung spottete.

»Du wirst sterben, Craven«, keuchte das Ding. »Du bist der letzte Erbe des Hexers, und du wirst sterben und den Weg freimachen für die wahren Herren. Ich töte dich!« Das Ding kicherte. Die Schrunden und Runzeln in seiner Haut wurden tiefer, und plötzlich zuckte etwas wie ein schwarzer, öliger Nervenfaden über sein Gesicht, zog eine glitzernde Schleimspur über die Wange und verschwand in seinem Mund.

Mit einem entsetzten Keuchen wich ich vor der näherkommenden Alptraumgestalt zurück. Das Ding folgte mir, mit schleppenden, schwerfälligen Schritten, unablässig vor sich hin kichernd und fürchterliche Laute ausstoßend. Ich sah, daß sich seine Füße in Drachenklauen verwandelt hatten. Der Teppich begann zu schwelen, wo es ihn berührte.

»Robert!« Howards Stöhnen drang wie durch Watte an meine Sinne. Er wollte aufstehen, aber seine Beine gaben unter dem Gewicht seines Körpers nach. »Das Tor ...«, keuchte er. »Flieh. Benutze ... das Tor ...«

Noch einmal sammelte er alle Kräfte. Seine Hand vollführte eine rasche, ausholende Bewegung. Etwas Dunkles, Schlankes flog auf mich zu. Instinktiv griff ich danach, bekam es zu fassen und erkannte den Stockdegen, den ich vorhin am Kaminsims abgestellt hatte.