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»Und Necron?« fragte Howard wütend. »Was ist mit seinen Drachenkriegern? Welche Rolle spielen sie?«

Sein Gefangener setzte zu einer Antwort an, sog dann aber nur erschrocken die Luft zwischen den Zähnen ein und starrte auf einen Punkt dicht hinter Howard.

»Warum fragen Sie sie nicht selbst?« sagte er leise.

Howard erstarrte.

Unter der zerborstenen Tür waren zwei hochgewachsene, schlanke Schatten erschienen. Männer in schwarzen, bis auf den Boden reichenden Mänteln, mit maskierten Gesichtern und langen, zweischneidig geschliffenen Schwertern in den Händen, auf deren Griffstücken ein goldener, feuerspeiender Drache prangte ...

Zuerst war nichts als Dunkelheit um mich herum, eine Schwärze, die sich wie ein erstickender Mantel um meinen Körper und meine Erinnerungen schmiegte. Es dauerte nicht lange - nur einen kurzen, schrecklichen Augenblick, aber diese wenigen Sekunden wurden zu Ewigkeiten der Qual, in denen ich nicht wußte, wo ich mich befand, nicht einmal wer noch was ich war. Dann klärten sich die schwarzen Nebel vor meinem Geist, und mit dem grausamen Schmerz, der in meinen Eingeweiden erwachte, kehrten auch die Erinnerungen zurück.

Da war eine Ebene, schwarz wie Tee und so unendlich wie die Ewigkeit, sanft gewellt wie ein Ozean, der mitten in der Bewegung erstarrt war, und beschienen vom Licht eines kalten, knochenbleichen Mondes, der viel zu nahe und zu groß war, und -

Ich blinzelte und fuhr mir in der vollkommenen Dunkelheit, die mich noch immer umgab, verwirrt mit den Fingerspitzen über die Schläfen. Was waren das für Erinnerungen? Ich war nie in einem solchen Land gewesen, noch hatte ich davon gehört oder gelesen. Und doch sah ich das Bild so plastisch und klar vor mir, daß ich für einen Moment meinte, nur die Hand ausstrecken zu müssen, um die schwarzen morastigen Wogen ergreifen, ihre widerliche Wärme spüren und die Hand durch ihre zähe, sirupartige Oberfläche stoßen zu können ...

Wieder wurden die Bilder so klar, daß ich spürte, wie mir die Realität zu entgleiten begann. Ich stöhnte und preßte Daumen und Zeigefinger so fest gegen die geschlossenen Lider, daß kleine farbige Sterne vor meinen Augen aufzuflammen begannen.

Der Schmerz riß mich - endgültig - in die Wirklichkeit zurück. Für einen ganz kurzen Moment hatte ich das Gefühl, gegen einen unsichtbaren Widerstand ankämpfen zu müssen, wie ein Netz klebriger Spinnfäden, die mich hielten, dann zerriß es mit einem plötzlich harten Ruck, und die Bilder und Visionen verschwanden aus meinem Geist.

Als ich die Augen öffnete, war die Dunkelheit nicht mehr vollkommen. Ich erkannte graue, rissige Wände aus Holz vor, rechts und links von mir, und meine Hand umklammerte etwas Kaltes, Hartes. Ich selbst lehnte zusammengesunken an einer weiteren Wand in meinem Rücken.

Ich sah an mir herab. Meine Kleider waren verdreckt und hingen zum Teil in Fetzen, die Haut darunter war rot und schwarz, hier und da von kleinen Krusten erst halb geronnenen Blutes bedeckt. Mein ganzer Körper schien ein einziger, pulsierender Schmerz zu sein.

Durch das Holz vor mir drangen Stimmen, gedämpft und so verzerrt, daß ich ihre Worte nicht verstehen konnte. Aber es waren die Stimmen von Menschen; wenigstens das.

Ich versuchte mich aufzurichten, stieß mir den Schädel an der viel zu niedrigen Decke und wäre erneut gestürzt, hätte der winzige, kastenförmige Raum genug Platz dafür geboten.

Der winzige, kastenförmige Raum ...

Die Worte hallten ein paarmal in meinem Schädel wider, bis ich begriff, warum sie ein so düsteres, erschreckendes Echo in meiner Seele auslösten.

Kastenförmig.

Klein.

Und aus Holz!

Für einen Moment geriet ich in Panik. Ein Teil meines Denkens blieb klar und überlegt, aber der andere, größere Teil ließ mich schreien und toben und gaukelte mir die schreckliche Vorstellung vor, in einem Sarg zu sein, vielleicht schon tief unter der Erde, die murmelnde Stimme dort draußen nichts als die Gebete des Priesters, der den Sarg segnete, während hinter ihm schon die Totengräber darauf warteten, daß die Zeremonie endlich vorüber war, damit sie beginnen konnten, den Sarg mit Erde zu bedecken.

Den Sarg, in dem ich lebend beerdigt worden war!

Dann, so schnell wie die Vision gekommen war, verging sie wieder, und der Panik folgte ein Gefühl von Schwäche und Erleichterung, das mich mit einem Seufzen gegen die rauhe Wand sinken ließ. Ich stand aufrecht, und Särge wurden üblicherweise waagerecht ins Grab gelassen.

Draußen hatten die Stimmen für einen Moment innegehalten, als ich zu schreien begonnen hatte. Jetzt erklangen sie wieder, lauter und aufgeregter, dann näherten sich hastige, trappelnde Schritte. Eine Hand schlug dumpf gegen das Holz meines Versteckes, etwas quietschte, und dann stach helles blendendes Sonnenlicht in meine Augen.

Ich stöhnte, hob instinktiv die Hand über das Gesicht und versuchte die Gestalt zu erkennen, die vor mir aufragte. Der Mann zeichnete sich nur als schwarzer, von einem Strahlenkranz quälender Helligkeit umrandeter Schatten über mir ab, aber ich hörte sein ungläubiges Keuchen, und seine Gestalt verkrampfte sich vor Überraschung.

»Zum Teufel!« entfuhr es ihm. »Was machen Sie hier? Wer sind Sie überhaupt?«

Wieder vergingen einige Sekunden, ehe ich die Hand herunternahm und durch den Vorhang von Tränen, der meinen Blick verschleierte, zu ihm aufsah.

Und dann dauerte es noch länger, bis das Gefühl der Beunruhigung, das seine Worte in mir ausgelöst hatten, verging und einem lähmenden Schrecken Platz machte.

»Verdammt, antworten Sie!« verlangte der Fremde noch einmal. »Wie kommen Sie hier herein, und wer sind Sie?«

Aber ich antwortete auch diesmal nicht.

Nicht, daß ich es nicht wollte - ich konnte nicht.

Denn ich wußte die Antworten nicht, die er von mir hören wollte ...

Kälte hing in der Luft wie unsichtbarer Nebel, und von den Wänden hallten die Echos winziger harter Rattenfüßchen wider. Es war nicht sehr hell; durch die schmalen, vergitterten Fenster hoch unter der Decke drang zwar Licht herein, aber der Raum war sehr groß und von Schatten erfüllt, die das Licht zu absorbieren schienen. Als verberge sich hinter den grauen Schleiern etwas, das die Helligkeit und die Botschaft von Leben, die mit ihr kam, gierig verschlang.

Howard hob müde den Kopf, sog tief die Luft zwischen den Zähnen ein und zerrte zum wahrscheinlich hundertsten Mal an den dünnen Lederriemen, die seine Handgelenke auf den Rücken fesselten.

Zum hundertsten Male vergeblich. Der Mann, der ihn gefesselt hatte, verstand sein Handwerk, er konnte die Arme nicht einmal bewegen, geschweige denn, seine Hände befreien.

»Lassenses bleim«, nuschelte eine tiefe Stimme hinter ihm. Sie klang kräftig in der Stille, die in dem feuchten Kellerverlies herrschte. Trotzdem schwang ein hörbarer Unterton von Schmerz darin.

Howard wandte den Kopf und sah einen Moment schweigend auf den gefesselten Riesen neben sich herab.

»Sie tun sich bloß weh«, fuhr Rowlf fort. »Der Kerl weiß, wie man’n Mann fesseln muß.«

Howard verzichtete auch diesmal auf eine Antwort. Sie waren seit beinahe acht Stunden in diesem Keller, aber sie hatten kaum ein Dutzend Sätze miteinander gewechselt. Die Angst hatte sich in ihre Seelen gekrallt und machte jede Unterhaltung unmöglich.

Er schloß die Augen, fuhr sich mit der Zungenspitze über die geschwollene, aufgeplatzte Unterlippe und atmete hörbar ein. Selbst das Luftholen tat weh. Wahrscheinlich hatten sie ihm eine oder gar mehrere Rippen gebrochen.

Er konnte sich kaum erinnern, wie alles gekommen war. Die beiden schwarzgekleideten Männer waren wie ein lebender Sturmwind über ihn und Rowlf hereingebrochen. Alles, an was er sich erinnern konnte, waren verschwommene Bilder an wirbelnde Arme und Beine.